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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 28.02.2020


Bérengère Viennot – Die Sprache des Donald Trump
Bärbel Gerdes

Seit Januar 2017 ist Donald Trump Präsident der USA. Der Ton in der Politik hat sich seitdem merklich verändert. Die französische Übersetzerin Bérengère Viennot, die ausschließlich für die Presse arbeitet, seziert in ihrem Buch die Sprache Trumps, die, gerade wegen seines rudimentären und aggressiven Wortschatzes, schwer zu übertragen ist.




"Übersetzen bedeutet, eine Botschaft aus der einen in die andere Sprache zu übertragen. Es geht um wesentlich mehr, als die Bedeutung der einzelnen Wörter. Gerade im politischen Kontext, so Viennot, ginge es darum, eine zusammenhängende menschliche Rede mit einer konkreten Botschaft wiederzugeben.

Die politische Übersetzung geht also weit über den Inhalt hinaus. Sie muss den Ton der Sprecherin / des Sprechers treffen, ihre/seine Sprache und ihre/seine Persönlichkeit.
Viennot verdeutlicht dies an einem Beispiel, viele werden sich erinnern: bei der Begrüßung Brigitte Macrons, der First Lady Frankreichs, rief Trump aus "You´re in such good shape!"
Dies kann durchaus als "Sie sind aber in guter körperlicher Verfassung!" übersetzt werden – und einige Medien taten dies auch. Die richtige, die Konnotation erfassende Übersetzung wäre "Sie haben sich aber gut gehalten!", was Trumps Taktlosigkeit deutlich machen würde.

Und so schreibt Viennot "Man muss sich auch trauen, ihn zu übersetzen."
Was sie aber übersetzen muss, macht sie fassungslos. Obgleich sein Wortschatz unfassbar schlicht, seine Sätze kurz, und die Syntax je nach Tagesform ein Kapitel für sich sei, stellte Trump seine ÜbersetzerInnen von Anfang an vor großen Schwierigkeiten.

So korrigieren ÜbersetzerInnen beispielsweise unfreiwillige Wiederholungen oder gelegentliche Syntaxfehler. Bei Trump jedoch würde dies seine Rede nur noch verfälscht wiedergeben, aus einer Übersetzung würde eine Überarbeitung werden.
So darf es, nach Viennot, bei Trump nicht darum gehen weniger Sorgfalt walten zu lassen, sondern die stilistische Dürftigkeit mit Sorgfalt zu behandeln.

Nicola Denis, die Viennots Buch ins Deutsche übersetzt hat, gibt in ihren Anmerkungen Beispiele dafür, wie es die deutsche Presse handhabt. Während die taz sich nicht scheut, auch sprachlich das Katastrophale der Trump´schen Äußerungen herauszuarbeiten, glättet die BILD die Präsidentenworte erheblich.

Viennot stellt fest, dass Trumps Vokabular außerordentlich brutal sei. In seinen Worten spiegeln sich seine kriegerischen Absichten, seine sexistischen Ansichten und sein rassistisches Weltbild. Natürlich steht er damit nicht allein. Putin zum Beispiel wollte die tschetschenischen Rebellen auf dem Klo kalt machen.
Alte weiße machtgeile Männer äußern sich gerne so.
Trumps Verhalten, das absolut nicht deckungsgleich mit dem Amt eines Präsidenten ist, brüstet sich genau damit. Es ist so einfach präsidial zu sein. Aber dann würden da draußen nicht 10 000 Menschen in diese prall gefüllte Arena drängen.

Viennot macht klar, dass selbst wenn politische Korrektheit manches Mal verlogen sein mag, Heuchelei und Phrasendrescherei, sie dennoch ein Mittel des sozialen Friedens ist, das zwischenmenschliche Beziehungen fördern soll.
Trump jedoch will genau das Gegenteil. Er will die Bevölkerung spalten, er will den sozialen Unfrieden. Er verdammt MexikanerInnen und Menschen mit einem lateinamerikanischen Hintergrund, er bezeichnet Menschen, die auf US-amerikanischem Boden leben als manche der böswilligsten und gefährlichsten Menschen und lädt damit andere AmerikanerInnen zu Stigmatisierung und Ausgrenzung bis hin zur Gewalt ein.
Er dockt an Vorurteilen an, wonach dem Durchschnittsamerikaner von "Indianern", Chinesen oder Mexikanern die Jobs weggeschnappt werden.
Trotz seines Reichtums und seines Hangs zu Glanz und Pailletten ist es Trump gelungen, von ärmeren Bevölkerungsschichten als einer von ihnen wahrgenommen zu werden.
Gerade von diesem Teil der Bevölkerung werden seine Reden positiv aufgenommen. Sie, die meinen, von einer unverständlichen Elite für dumm verkauft zu werden, sehen in Trumps unverfälschten Äußerungen eine Form der Offenheit und vermeintlichen Anständigkeit.
Trump hat die Stammtischreden auf das politische Parkett geführt.

Hilfreich sind ihm dabei auch Medien wie Twitter. Ein Tweet erschafft Emotionen, aber keine Fakten. Trump bedient sich dieses Instruments, wie wir wissen, obsessiv. Die Kurzmitteilungen kommen seiner Unfähigkeit zu ausgefeilten Reden oder schriftlichen Äußerungen zugute. Zudem befriedigt die Tatsache, dass ca. 100 Millionen Menschen ihm auf Twitter folgen, seinen grenzenlosen Narzissmus.

Dieses sickernde Vokabular kann nicht ohne Folgen bleiben.
Seit mehr als zwanzig Jahren übersetzt Bérengère Viennot politische Texte, Reden, Interviews. Sie kennt die Fallstricke unterschiedlicher Sprachen – und kapituliert fast vor Trumps Schlichtheit.
Fassungslos machen seine sich widersprechenden und vereinfachenden Äußerungen, denen leider auch Taten folgen.
So kürzte Trump gleich nach seiner Wahl das Budget der amerikanischen Umweltbehörde EPA und setzte einen Klimawandelleugner an deren Spitze. Trump ist ein Anhänger der Kohle, der wunderbaren, sauberen Kohle, wie er sie nennt.
Läse frau einige seiner Äußerungen ohne den Kontext zu kennen, glaubte sie sich in einer Posse. Kohle sei unzerstörbar, meint der amerikanische Präsident, während Windräder und Ölpipelines bei Konflikten in die Luft gejagt werden könnten. Die sind dann einfach weg, und Sie können sie nicht so schnell reparieren.. Zudem töten Windräder Vögel. Wenn Sie unter manchen von ihnen gucken, sieht das aus wie ein richtiges Massengrab. Im selben Atemzug erklärt er aber auch, dass Vögel Windräder zerstören könnten – wie die Vögel in Hitchcocks Film, die die Türen aufhacken.

Wäre es nicht so bedrohlich und ernst – frau könnte darüber lachen. Doch zornig legt Viennot dar, was Trump bereits bewirkt hat hinsichtlich Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Leugnung des Klimawandels und offener Bewunderung autoritärer Staaten.
Trump liefert eine Schwarz-Weiß-Abbildung Amerikas. Dass diese Sicht von vielen gerne angenommen wird, führt Viennot auch darauf zurück, dass die USA ihre Geschichte nicht aufgearbeitet haben, eine Geschichte von Völkermord an der Ursprungsbevölkerung, Sklaverei und Vietnam.
Make America great again sei deshalb die Heraufbeschwörung einer Vergangenheit, die es nie gegeben hat.
Trump, so Viennot, ist kein Unfall der amerikanischen Geschichte.

AVIVA-Tipp: Mit Zynismus, Wut und spitzer Feder untersucht Bérengère Viennot Donald Trumps Sprache und liefert zahllose Beispiele seiner ganzen Widersprüchlichkeiten und Unsinnigkeiten. Ihre entlarvende Analyse macht erschreckend deutlich, wer in den USA an der Macht ist und wie weitreichend die Folgen sind.

Zur Autorin: Bérengère Viennot ist seit vielen Jahren Übersetzerin und arbeitet inzwischen ausschließlich für die Presse. Sie schreibt unter anderem für den »Courrier international«. Darüber hinaus unterrichtet Bérengère Viennot Übersetzen an der Universität Paris VII. Sie lebt mit ihrer Familie in Paris. (Verlagsangaben)
Mehr Infos zur Autorin: twitter.com/berentrice

Zur Übersetzerin: Nicola Denis wurde 1972 in Celle geboren. 1991/1992 Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Romanistik in Köln. 2001 Promotion mit einer komparatistischen Arbeit zur Übersetzungsgeschichte. Seit 2002 arbeitet Nicola Denis hauptberuflich als Literaturübersetzerin. Für "Der dünne Putz Menschlichkeit" (Michel Terestchenko), "Céline" (Philippe Muray), "Ballade vom Abendland" & "Kongo" (Éric Vuillard), "U–713 oder die Unglücksritter" (Pierre Mac Orlan und Gus Bofa) und "Das Reich des Guten" (Philippe Muray) wurde sie jeweils mit einem Arbeitsstipendium des Deutschen Übersetzerfonds ausgezeichnet. Elmar-Tophoven-Stipendium 2016 für "Ursule Mirouët" (Honoré de Balzac), 2018 Exzellenzstipendium des Deutschen Übersetzerfonds für "14. Juli" (Éric Vuillard). Mit der Übersetzung von "Die Tagesordnung" war sie für den 10. Internationalen Literaturpreis des HKW nominiert. Nicola Denis lebt sie zusammen mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Westfrankreich.
Mehr Infos zur Ãœbersetzerin: nicoladenis.fr/de

Bérengère Viennot
Die Sprache des Donald Trump

Originaltitel: La langue de Trump (2019)
Aus dem Französischen von Nicola Denis.
Aufbau Verlag, erschienen im September 2019
154 S., gebunden
ISBN 978-3-351-03483-2
18,00 €
Mehr zum Buch: www.aufbau-verlag.de




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Beitrag vom 28.02.2020

Bärbel Gerdes