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Beitrag vom 11.03.2018
Claire Horst - Alle Geschichten (er)zählen - Aktivierendes kreatives Schreiben gegen Diskriminierung
Helga Egetenmeier
Facetten- und kenntnisreich zeigt Claire Horst in ihrem neuen Buch, wie kreatives Schreiben und diskriminierungssensible Bildungsarbeit verbunden werden kann. Mit einer Vielzahl an Übungen für die Praxis wendet sich die freie Bildungsreferentin, Schreibtrainerin, DAF-Lehrerin und Autorin informativ, kritisch und kurzweilig an Trainer*innen und Dozent*innen...
... in der politischen Bildung. Das Buch bietet aber auch Menschen, die sich mit Diskriminierungen auseinandersetzen, wertvolle Einblicke.
"Wer Geschichten erzählt, bestimmt nicht nur, was erzählt wird, sondern auch, wie es erzählt wird. Nicht alle Geschichten werden gleichermaßen gehört, nicht alle Menschen haben die gleichen Möglichkeiten, ihre Geschichten zu Gehör zu bringen. Kreatives Schreiben ist eine Möglichkeit, Ungehörtes hörbar werden zu lassen, Nichterzähltes zu erzählen."
Claire Horst erklärt damit bereits in den ersten Zeilen ihres Buches ihr zentrales Anliegen. Um gegen Diskriminierungen anzugehen, müssen möglichst viele Geschichten greifbar sein, die dadurch eine Vielfalt an Sichtweisen bereitstellen und somit erst eine umfassende und differenzierte Meinungsbildung gewährleisten.
"Wer schreibt?"
Da ein Text auch immer mit den Lebenserfahrungen der Verfasser*innen zusammenhängt, ist es zu seinem inhaltlichen Verständnis auch wichtig zu fragen "Wer schreibt?". Die Antwort zum Kontext der Autor*innen, so Horst, soll vermeiden, bestimmte Positionen auszublenden. Zum Beispiel blendet die männlich dominierte Wissenschaft weibliche Positionen aus und suggeriert dadurch, dass es diese gar nicht gibt. Deshalb spricht Horst sich eindeutig dafür aus, "Texte im Zusammenhang mit ihren Autor*innen zu begreifen".
Ressourcen gegen Diskriminierungen
Wichtige Ressourcen für Perspektivenerweiterungen in den Auseinandersetzungen um diskriminierende Verhältnisse sind schriftlich festgehaltene Geschichten der Menschen. Traditionell wurden diese lange vorher nur mündlich weitergegeben. Deshalb befasst sich die Autorin auch mit der Rolle des Spoken Word, richtet ihr Hauptaugenmerk jedoch auf den Prozess des kreativen Schreibens als Transportmittel von Erfahrungen.
Theoretische Bezugspunkte sind für Claire Horst die geschlechterreflektierende und antirassistische Bildungsarbeit, die Social Justice Education sowie der Anti-Bias-Ansatz. Ansätze diskriminierungskritischer sozialer Arbeit diskutiert sie ebenso wie verschiedene Formen kreativen Schreibens.
Besonders beachtenswert: die Interviews und 55 Ãœbungen
Durch die zwischen die Kapitel verteilten sieben Interviews mit Autor*innen und Schreibtrainer*innen werden ihre theoretischen Ansätze ebenso lebendig, wie durch ihre lebensnah gewählten Beispiele. Die Interviews geben dazu anschauliche Einblicke in die berufliche Praxis derjenigen, die kreatives Schreiben als niedrigschwellige Herangehensweise an sensible oder unangenehme Themen nutzen.
Einen wertvollen Fundus für die praktische Arbeit bilden die vielfältigen und inspirierenden Übungen, die die Autorin zu Recht "das Herz dieses Buches" nennt. Sie bietet dort, nach individueller, struktureller, kultureller sowie Handlungsebene gegliedert, konkrete Übungen an. Diese 55 ausführlich vorgestellten Übungen - mit Ziel, Fokus, Zeit, Material, Raum, Kurzbeschreibung, Ablaufbeschreibung - lassen sich damit einfach für die Praxis an Zielgruppen und Unterrichtsthemen anpassen.
AVIVA-Tipp: Ein durchweg gelungenes Buch, das zeigt, wie wichtig kreatives Schreiben für diskriminierungssensible Bildungsarbeit sein kann. Es besticht ebenso durch seine inhaltliche Tiefe, wie durch ein breit gefächertes Wissen und eine leicht lesbarer Sprache. Für Praktiker*innen als Fachbuch unschätzbar nützlich ist es durch seine Vielzahl an leicht anzupassenden Übungen. Aber auch für Menschen, die diskriminierungssensibel mit Texten umgehen möchten, bietet es spannende Anregungen.
Zur Autorin: Claire Horst arbeitet als freie Bildungsreferentin in der politischen Bildungsarbeit, als Schreibtrainerin, als DAF-Lehrerin und Autorin sowie als freie Journalistin. Sie hat Neuere deutsche Literatur, Philosophie, Englische Philologie, Magister, Fernstudium DaF, Studium Biografisches und kreatives Schreiben, Master studiert. Neben dem kreativen Schreiben hat sie Fortbildungen im Bereich der vorurteilsbewussten Erziehung absolviert, außerdem ist sie tätig für Vereine, Universitäten, freie Bildungsträger, als Schreibberaterin für Einzelpersonen und lange Jahre als freie Redakteurin für AVIVA-Berlin.
Veröffentlichungen: "Der weibliche Raum in der Migrationsliteratur" (2007, 2015), "Andere besser verstehen. Interkulturelle Kommunikation für Frauen" (2009), "Wissensvermittlung in gemeinnützigen Organisationen" (2010), "So überzeugen Sie mit Ihrer Präsentation. Praxiswissen für Gleichstellungsbeauftragte" (2013).
Die Autorin im Netz:www.clairehorst.wordpress.com
Claire Horst
Alle Geschichten (er)zählen - Aktivierendes kreatives Schreiben gegen Diskriminierung
Verlag: Barbara Budrich, erschienen Oktober 2017
Taschenbuch A5, 175 Seiten
ISBN-13: 978-3-8474-2110-8
19,90 Euro
Mehr zum Buch: www.shop.budrich-academic.de
Mehr Informationen:
www.boell.de
Die Heinrich Böll Stiftung bietet auf ihrer Webseite den kostenlosen Download der "Mitte"-Studie von der Universität Leipzig, die alle zwei Jahre durchgeführt wird. Die Studie 2016: "Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland."
www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf
Über diese Webseite der Friedrich Ebert Stiftung erfolgt der kostenfreie Download der Studie "Fragile Mitte - Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014." von Andreas Zick und Anna Klein.
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