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Beitrag vom 02.09.2014
Dolly Freed - Die Faultiermethode. Ein Manifest gegen die alltägliche Diktatur des Geldes
Dorothee Kröger
Erstmals 1978 erschien ihre detaillierte Anleitung für einen subversiven Lebensstil. Die Herstellung von Kaninchenwurst interessiert wohl wenige, doch das zum Klassiker der AussteigerInnenliteratur...
... avancierte Buch trifft auch heute noch einen Nerv: Die Statements der damals 18-jährigen "Diogenianerin" sind Ausdruck tiefgehender Unzufriedenheit gegenüber einer "korrumpierten", kapitalistischen Welt.
Dolly und ihr Vater leben zwar nicht in einem Weinfass, doch die Philosophie Diogenes´, genügsam in Abkehr gesellschaftlicher Konventionen zu leben, stellt das Grundkonzept der Lebensform eines jungen Mädchens und des von ihr "alter Narr" genannten Vaters dar: Sich der Geldwirtschaft entziehen und "wie ein Faultier leben".
"Tja, ich habe es satt, ein heimlicher Faulenzer zu sein. Ich bin faul, und ich bin stolz darauf!"
Was genau ist die "Faultiermethode"? Dolly Freed betont, dass es sich nicht um einen Idealismus handele. Sie lebe weder in einer trostlosen Wildnis, sei kein "Zurück-zur-Natur-Freak" und esse auch nicht ständig Sojabohnen und Joghurt. Ihr Lebenskonzept und das ihres Vaters bestehe darin, keine Grenze zwischen Arbeit und Freizeit ziehen zu müssen und das tun zu können, worauf sie Lust haben.
Auf einem Grundstück 40 Meilen außerhalb von Philadelphia, Pennsylvania, verfeinert die junge Frau über fünf Jahre hinweg eine Lebensform, die sie in Buchform, enthusiastisch und intelligent, einer LeserInnenschaft präsentiert. Ihre Streitschrift enthält detaillierte Beschreibungen, wie beispielsweise ein Kaninchen geschlachtet wird, welches Bodenwissen für den Gartenbau von Nöten ist, sowie Tipps zum Einmachen, Fischen oder Jagen.
Das Bedürfnis nach Anarchie, das der "alte Narr" zusammen mit seiner Tochter umsetzt, steht in einem Kontext anderer nonkonformistischer Protestformen, die in den 1970er-Jahren in den USA entstehen. Friedens- und Antiatomkraftbewegungen weisen auf ein zunehmendes Misstrauen gegenüber der Politik hin. Zwar verstand sich Dolly Freed keineswegs als Teil einer Hippie-Bewegung, doch ihre Schrift beschränkt sich nicht auf das Leben nur zweier Menschen. Im Kontext der anderen Formen des Aufbegehrens, zielte auch sie darauf, zumindest eine Möglichkeit gesellschaftlicher Veränderung aufzuzeigen.
"Auch die Forelle, dieser elitäre Sportfisch, frisst Mais."
Die Erläuterungen haben einen beachtlichen Umfang: Neben der Herstellung von Kaninchenwurst werden weitere zum Verzehr geeignete Tiere genannt (Katze, Murmeltier, Waldschnepfe, Waschbär), Gebrauchsanleitungen zur Alkoholherstellung und dem Bau eines Ofens sind ebenso vorhanden. Die Faultiermethode eröffnet die Erkenntnis, dass es im Leben eine Großzahl von Wahlmöglichkeiten gibt.
Doch blenden Dollys Ausführungen die Schattenseiten in dieser Welt der Wahlmöglichkeiten aus, was ihr Manifest eindimensioniert und fremdbestimmt erscheinen lässt. Im 2010 erschienenen Nachwort räumt Dolly Freed dies explizit ein und revidiert oder mildert rückblickend einige ihrer Thesen.
Zur Autorin: Dolly Freed schrieb "Die Faultiermethode" 1978 im Alter von 18 Jahren. Das Buch wurde ein großer Erfolg und avancierte bald zum Klassiker. Nach fünf Jahren Aussteigerinnenexistenz studierte sie Ingenieurswissenschaften, um bei der NASA zu arbeiten. Da ihr dieser Beruf nicht lange zusagte, wurde sie daraufhin Umweltpädagogin. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Texas.
"Die Faultiermethode" ist beliebt: Der Verlag Rogner & Bernhard erwarb es nach der Trennung von Zweitausendeins und holte es damit zurück in den Buchhandel. (Quelle: Verlagsinformation)
Mehr zu Dolly Freed auf ihrer Website: www.possumliving.net
AVIVA-TIPP: "Die Faultiermethode" ist deshalb so lesenswert, weil sie einführt in einen Mikrokosmos der Autarkie, in dem Lebensfreude, Erfindungsgeist, Pragmatismus und (finanzielle) Unbeschwertheit herrschen. Vom heutigen Standpunkt aus sollte die zeitliche Distanz mitbetrachtet werden, die dieses eigenwillige Zeugnis einer Idee in eine über 30 jährige Ferne setzt. Eine detaillierte Übernahme verliefe anachronistisch. Vielmehr geht es heute darum, die Ausgangsidee Dolly Freeds für sich selbst zu beantworten: "Leben Sie so, wie Sie leben wollen?"
Dolly Freed
Die Faultiermethode
Die Originalausgabe erschien 1978 unter dem Titel "Possum Living. How to live well without a job and with (Almost) no Money"
Aus dem Amerikanischen von Yasmin von Rauch
Rogner & Bernhard
Klappbroschüre, 220 Seiten
ISBN: 978-3-8077-1064-8
19,90 Euro
www.rogner-bernhard.de
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