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Beitrag vom 15.01.2014
Ulrike Halbe-Bauer und Brigitta Neumeister-Taroni - Bedeutende Künstlerinnen - Ich mach es auf meine Art
Kristina Tencic
Bedeutsam und doch in Vergessenheit geraten ist der Großteil der 12 Künstlerinnen, die von einer Historikerin und einer Redakteurin in diesem reich bebilderten Portrait wiederentdeckt werden...
Ihr Leben, Werk und Erbe werden dabei auf anschauliche und unterhaltsame Weise vom Staub der Geschichte befreit und ins rechte Licht der Kunsthistorie gerückt.
Im Jahre 2009/2010 präsentierte das Centre Pompidou in Paris ein komplettes Jahr lang die Ausstellung "elles@centrepompidou", die nur Werke weiblicher Künstlerinnen enthielt. Sie zeugte von der Nachfrage und dem Bedarf der Gesellschaft, sich mit Frauen in der Kunst - und zwar als aktive und nicht als passive Teilnehmerinnen - zu beschäftigen. Die Meinungen über dieses engagierte Projekt gingen stark auseinander. Von begeisterten "Endlich" Ausrufen bis hin zu Stimmen, die vor einer Ghettoisierung der Künstlerinnen warnten, war vieles dabei. Gleichwohl drängt sich auch heute ein entscheidender Gedanke auf - wie absurd wäre es, eine solche Ausstellung für männliche Künstler zu organisieren? Was würde gezeigt werden?
Aber zurück zu den zwölf von der Historikerin Halbe-Bauer und Redakteurin Brigitta Neumeister-Taroni portraitierten Künstlerinnen, die bereits mit ihrer Auswahl sichtlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit hegen.
Die zwölf Künstlerinnen und ihre von den Autorinnen zugeschriebenen Charakteristika sind:
- Artemisia Gentileschi (Die Kämpferin)
- Rachel Ruysch (Blumenmalerin und Wissenschaftlerin)
- Rosalba Carriera (Die vergessene Starmalerin)
- Rosa Bonheur (Die selbstbewusste Hosenträgerin)
- Lilly Martin Spencer (Malerin mit Hausmann)
- Käthe Kollwitz (Die Trauernde)
- Helene Schjerbeck (Die hochbegabte Einzelgängerin)
- Paula Modersohn-Becker (Die kühne Eigenwillige)
- Louise Modersohn-Breling (Die Nachfolgerin)
- Sophie Taeuber-Arp (Die Unersetzliche)
- Lee Krasner (Die Widerspenstige)
- Louise Bourgeois (Die Unbeirrbare)
Mit viel Liebe zum Detail, Phantasie und Einfühlvermögen skizzieren die Autorinnen die Lebensumstände der unkonventionellen Frauen, die, ganz nach der Devise der Amerikanerin Lee Krasner "Ich mache es lieber auf meine Art ..." , eigenwillige Wege gingen. Auffällig ist, dass allen Künstlerinnen ein väterlicher Mentor gemein ist und meist auch ein/e in der Kunst beheimatete/r Partner/in.
Veranschaulicht werden kann dies an der italienischen Renaissance-Künstlerin Artemisia Gentileschi, welche neben künstlerischem Talent das Glück bestimmt war, in eine Kunstwerkstatt hinein geboren zu sein. Ihr Vater, der mit wichtigen Aufträgen beschäftigte Orazio Gentileschi, bildete seine begabte Tochter aus, bis der Erfolg der Tochter (berühmt ist sie bis heute für die minutiöse Darstellung von Schmuck und Spitze in ihren Gemälden) den ihres Vaters übertraf und ihr weitere Türen öffnete.
Der Fall Gentileschi offenbart neben dem väterlichen Förderer als Basis des Künstlerinnentums jedoch noch etwas anderes: Die Einflussnahme der Medien und der Öffentlichkeit, die aus Subjekten Objekte macht. Weit verbreitet ist die Ansicht, dass die Brutalität in Artemisia Gentileschis berühmtesten Werk, der Judith, welche Holofernes enthauptet, auf der eigenen Erfahrung der Vergewaltigung beruht. Der Kollege und Freund ihres Vaters, welcher in der väterlichen Werkstatt zugegen war, soll sie, wie es in einem - wie Sie sich vorstellen können sehr seltenen - Gerichtsverfahren festgehalten wurde, vergewaltigt haben. Neuesten Nachforschungen zufolge könnte dies jedoch auch anders ausgesehen haben: Der von der talentierten Künstlerin angezogene Künstler buhlte um die Gunst seiner Kollegin, die er u.a. mit einem Heiratsversprechen dann auch erlangte. Als sich herausstellte, dass er dies niemals halten könne, da er bereits verheiratet war, ging es dem Vater um die Wiederherstellung der Ehre seiner in der römischen Gesellschaft bereits bekannten Tochter. Sicher, ihr ist ein Unrecht widerfahren, jedoch empfand sie (wie man/frau aus sensationell gut erhaltenen Tagebucheinträgen weiß) die Tortur des Gerichtsprozesses als weitaus grausamer.
Das Autorinnenduo beschreibt hingegen sehr eindrucksvoll, wie die Nachfrage nach kunsthandwerklichen Erzeugnissen in ganz Europa stieg und wie es Artemisia Gentileschi in ihrer neuen Heimat Florenz mit smartem Geschäftssinn verstand, ihren Ruhm auch monetär geltend zu machen. Denn auf dem aufflammenden Kunstmarkt ging es auch damals schon darum, sich als KünstlerIn über den Preis zu etablieren. Die Ausführungen zu Rachel Ruysch machen allerdings auch deutlich, dass eine Frau, die als Hofmalerin in Düsseldorf tätig war und mit ihren Blumenstillleben mehr verdiente als ihre Zeitgenossen Rembrandt und Vermeer, dem Bekanntheitsgrad ihrer Kollegen heutzutage weit nachsteht.
AVIVA-Tipp: Mit persönlichem Ton und erzählerischer Unterhaltsamkeit lassen uns die Autorinnen in eine Recherchearbeit eintauchen, die einige fast vergessene Talente auf die kunstliterarische Bühne holt. Bei einigen Künstlerinnen waren bisher nur einige Eckdaten vorhanden, die hier erzählerisch ergänzt wurden – was manchmal leider der Spekulation zu viel Raum lässt. Bei der hochwertigen Gestaltung des Buches wäre das vielleicht gar nicht nötig gewesen. Mit den vielen Illustrationen und kunsthistorischen Einordnungen ist das Werk und Leben der Künstlerinnen bereits sehr anschaulich und zugänglich.
Zu den Autorinnen:
Ulrike Halbe-Bauer wurde 1949 in Warendorf geboren. Nach einem Studium der Germanistik und Geschichte in Münster und Freiburg begann sie an Hamburger Gymnasien ihre Lehrtätigkeit. Seit 1979 unterrichtet sie Deutsch und Geschichte in Freiburg, ist als selbständige Autorin tätig und übersetzt gemeinsam mit ihrem Ehemann Werke aus dem Englischen.
Die Literatur- und Kunstwissenschaftlerin Brigitta Neumeister-Taroni arbeitet als Lektorin, Autorin und Herausgeberin. Zudem erfüllte sie ihren Traum von Selbständigkeit mit linguart, für das sie als Lektorin, Redakteurin und Autorin tätig ist.
Bedeutende Künstlerinnen - Ich mach es auf meine Art
Ulrike Halbe-Bauer, Brigitta Neumeister-Taroni
Belser Verlag, erschienen September 2011
Fester Einband, 168 Seiten, 100 Abbildungen
ISBN: 978-3-7630-2587-9
24,95 Euro
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