Frauen und Kriege in Afrika - Ein Beitrag zur Gender-Forschung - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 09.04.2008


Frauen und Kriege in Afrika - Ein Beitrag zur Gender-Forschung
Britta Leudolph

Dr. Rita Schäfer untersucht afrikanische Kriegs- und Nachkriegsgesellschaften aus der Gender-Perspektive. Die einzelnen Länderstudien verdeutlichen, dass eine langfristige Sicherung des Friedens...




...nur möglich ist, wenn die Konsequenzen der Kriege auf die Geschlechterbeziehungen berücksichtigt werden.

Gender-Forschung ist eine heterogene wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Analyse der Erzeugung, Relevanz, Geschichte und Praxis der Geschlechterdifferenz befasst. In "Frauen und Kriege in Afrika" geht es aber um weitaus mehr.
Die verstörende Brutalität der kriegerischen Auseinandersetzungen in Afrika ist für außenstehende BeobachterInnen nur schwer nachzuvollziehen. Es sind oft lokale, nationale und transnationale Konfliktkonstellationen, die sich überlagern.

Rita Schäfer analysiert zunächst, welche Folgen die Beteiligung junger Frauen an antikolonialen Befreiungskriegen im südlichen Afrika langfristig hatte. In weiteren Kapiteln richtet sie den Fokus auf Bürgerkriege in West-, Zentral- und Nord-Ostafrika.

Die Autorin nimmt sich in dieser Veröffentlichung einer sehr komplexen Thematik an: "Kontextspezifisch ergründet sie die unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Rollen, mit denen Frauen und Männer an Kriegsgeschehnissen beteiligt sind, z.B. als Kobattant/innen, (Kinder)soldaten/innen, Gewaltopfer oder Flüchtlinge. Häufig müssen einzelne Personen oder Personengruppen in Kriegskontexten gleichzeitig unterschiedliche Aufgaben und Funktionen übernehmen, die nur schwer vereinbar sind und etablierte Rollenmuster ad absurdum führen." Gleichzeitig erhellt die Autorin Konflikte zwischen Männern, konkret zwischen jugendlichen Guerillakämpfern, Kriegsherren und Blauhelmsoldaten.

Insbesondere in den Bürgerkriegen in West-, Zentral-, und Ostafrika wurden und werden Vergewaltigungen als Teil der Kriegsstrategie systematisch angewandt. Sie zogen nicht nur schwere Traumatisierungen, sondern oft auch gesellschaftliche Ächtung nach sich: "Eine 2004 durchgeführte UNDP-Studie, die die Gewaltausmaße (nach über zehn Jahren Bürgerkrieg in Liberia, Anm .d. Red.) erfassen wollte [...], zog das Fazit, dass über 60 Prozent aller Frauen und Mädchen Opfer sexualisierter Gewalt waren und alle Kampfgruppen Vergewaltigungen als Kriegsstrategie eingesetzt hatten. [...] Trotz der hohen Vergewaltigungsrate wagten viele Frauen und Mädchen es nicht, über die erlittene Gewalt zu sprechen, weil Männer sie nach Kriegsende als Prostituierte anfeindeten, die die Männer provoziert hätten - Eine Einschätzung die den öffentlichen Diskurs prägte und die viele Väter bzw. Ehemänner der Betroffenen teilten. [...] So wurden Ehefrauen verstoßen und die Heiratschancen unverheirateter Mädchen sanken rapide, weil sie nicht mehr als heiratswürdig galten."

AVIVA-Tipp: "Frauen und Kriege in Afrika" unterstreicht einmal mehr die katastrophalen Folgen der Kolonialisierung Afrikas durch Europäer, die bis heute nachwirken. Rita Schäfer setzt Geschlechterhierarchien mit anderen Macht- und Unterscheidungskategorien wie der ethnischen Zugehörigkeit und Religion in Beziehung. Sie zeigt anhand der einzelnen Länderstudien die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Geschlechterverhältnissen und kolonialen und nachkolonialen, sozio-ökonomischen als auch politischen Kriegsursachen auf. Die Autorin trägt mit dieser Publikation zum Verständnis der von ihr beschriebenen afrikanischen Kriegs- und Nachkriegsgesellschaften bei und macht auf die zum Teil prekäre Situation von Frauen aber auch Männern aufmerksam. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der wissenschaftlich distanzierten Sprache ist die Lektüre dieses Buchs erschütternd.

Zur Autorin: Dr. Rita Schäfer ist Ethnologin. Sie führte mehrjährige Forschungen in Sierra Leone, Zimbabwe, Namibia und Südafrika durch. Sie war Gastprofessorin an der Humboldt-Universität Berlin, Lehrbeauftragte an deutschen Universitäten, Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie, Freie Universität Berlin. Derzeit ist sie freiberufliche Wissenschaftlerin und erstellt außerdem Gutachten in der Entwicklungszusammenarbeit. Sie hat bereits mehrere Buchpublikationen über Frauenorganisationen und Gender in Afrika veröffentlicht.

Weitere Infos zum Buch unter: www.frauen-und-kriege-in-afrika.de

Frauen und Kriege in Afrika - Ein Beitrag zur Gender-Forschung
Dr. Rita Schäfer
Brandes & Apsel, erschienen März 2008
Paperback, 520 Seiten
ISBN 978-3-86099-345-3
39,90 Euro


Literatur

Beitrag vom 09.04.2008

Britta Leudolph