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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 28.12.2012


Daniela Dröscher - Pola
Claire Horst

Ein Leben wie ein Roman – auf die Biografie des Stummfilmstars Pola Negri trifft das zu wie auf kaum eine weitere. Gründe, ihr Leben nun auch tatsächlich in einen Roman zu fassen, gibt es genug.




Nicht nur war die Pola Negri (eigentlich Barbara Apolonia Cha³upiec) eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen der Stummfilmära und zugleich eine derjenigen, die von der Umstellung auf den Tonfilm am direktesten betroffen waren. Ihr Akzent machte es fast unmöglich, große Rollen in Hollywood zu erhalten.

Zugleich ist ihre Geschichte auch eine Migrationsgeschichte, die symptomatisch für viele andere stehen kann – mit dem wichtigen Unterschied, dass ihr der Aufstieg gelang, von dem viele nur träumten. In Polen in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, begann Pola Negri eine Ballett- und Schauspielausbildung und hatte dann die große Chance, in der damals international bedeutenden Filmindustrie Deutschlands mitzuwirken. Unter Ernst Lubitsch feierte sie große Erfolge. An diese wollte sie im Anschluss in den USA anschließen, was ihr nie so recht gelang.

Diese Geschichte erzählt der Roman in Rückblick. Die eigentliche Handlung setzt mit der Rückkehr Negris nach Deutschland ein, wo die Nazis – es ist das Jahr 1934 – bereits an der Macht sind. Dass sie hier mit ganz anderen Schwierigkeiten konfrontiert ist als nur mit ihrem starken Akzent, wird der Schauspielerin erst allmählich klar. Für eine Autorin wie Daniela Dröscher, deren Recherche zu diesem Roman von der Bosch-Stiftung unterstützt wurde, eigentlich eine große Gelegenheit, um Zeitgeschichte und Lokalkolorit zu erzählen. So ringt Dröschers Negri mit ihrem Wunsch, ihre Karriere fortzusetzen, und dem Widerwillen gegen das Regime. Es ist Hitlers Verehrung für die Schauspielerin, der sie vor einem Spielverbot beschützt. Eigentlich hatte Goebbels, der im Roman nur als "der Minister" auftritt, Negri damit belegt.

Pola Negri war jedoch nicht nur für ihre Rollen bekannt, sondern auch für ihre Affären mit berühmten Schauspielern wie Rudolph Valentino und Charlie Chaplin – und auf diese Gerüchte legt Dröscher den Akzent ihrer Geschichte. Das könnte sehr spannend sein, schließlich werden Stars erst dann greifbar, wenn auch ihre persönliche Geschichte vorstellbar wird. Leider gelingt es der Autorin aber nicht immer, aus dem Kolportagehaften auszubrechen. Teilweise wird ihre Pola Negri zu einem Klischeebild, das ebenso wie die wenig literarische Erzählsprache schnell irritiert. Etwas zu flach lesen sich die Schilderungen von Ereignissen, die Darstellung der Emotionen von Pola Negri. Das mag Absicht sein, schließlich wird hier ein oft verkitschter Star dargestellt. Es funktioniert aber dennoch nicht, und stellenweise bestehen ganze Passagen nur aus einer Anreihung von Plattitüden und oft gehörten Metaphern:

"Auf Polas gepuderter Stirn begannen sich erste Schweißtropfen zu bilden. Verzweifelt sann sie nach einem Ausweg. [...] Pola kaute auf der Unterlippe an, setzte erst zu sprechen an, schwieg dann aber. [...] Flehentlich wie ein zahmes Reh blickte Pola um sich." Dröschners Pola ist eine abgehalfterte Schauspielerin, die mit allen Mitteln um eine zweite Chance kämpft. Dass die Autorin bei deren Charakterisierung zu allen verfügbaren Klischees greift, ist schade. Die Geschichte hat Potential zu mehr. Aber dieser Roman wartet nicht mit Überraschungen auf, sondern mit allzu vorhersehbaren Wendungen. Natürlich müssen sich Marlene Dietrich und die Drehbuchautorin Mercedes de Acosta anzicken, wann immer es möglich ist, natürlich muss Negri Diamanten klauen, wann immer sich die Chance bietet.

AVIVA-Tipp: Wohlmeinend wäre zu vermuten, dass Dröscher sich ihrem Objekt anpassen, eine Sprache finden wollte, die zu diesem mythenumringten Stummfilmstar passt. Vielleicht hat sie auch einfach neben all der Recherche vergessen, eine klischeefreie Sprache zu finden. Schade ist es allemal. Trotzdem, wer leichte Unterhaltung mag, ist mit diesem Roman gut bedient. Zumindest lässt er sich leicht weglesen und informiert nebenbei auch ein wenig über eine spannende Epoche der Filmgeschichte.

Zu der Autorin: Daniela Dröscher wurde 1977 in München geboren und lebt in Berlin. Sie schreibt Prosa, Essay und Theatertexte. Nach einem Studium der Germanistik, Anglistik und Philosophie in Trier und London studierte sie Szenisches Schreiben in Graz. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, u.a. 2008 das Stipendium der Autorenwerkstatt Prosa des LCB, 2009 den Anna-Seghers-Preis, 2011 den Bayern 2-Preis der Münchner Wortspiele sowie 2012 den Koblenzer Literaturpreis. (Verlagsinformationen)

Daniela Dröscher
Pola

Berlin Verlag, erschienen am 20. August 2012
304 Seiten
19,99 Euro
ISBN-13: 978-3-8270-1106-0

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Beitrag vom 28.12.2012

Claire Horst