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Beitrag vom 25.11.2012
Jenifer Neils - Die Frau in der Antike
Ingeborg Morawetz
Zwischen Abbildungen alabasterfarbener Frauenbüsten und goldener Fibeln sticht eine Nilpferd-Statuette mit Löwenpranken hervor: die ägyptische Schutzgöttin der Geburt. In sieben Kapiteln mit...
... über 200 Farbphotographien spazieren die LeserInnen dieses Buches durch das Altertum.
Sie machen Halt an geschichtlichen Fakten und rasten an wohlbekannten Legenden und behandeln vor allem anhand der Abbildungen mit Liebe zum Detail das Leben der Frau dieser Epoche.
Natürlich ist "Antike" ein umfassender Begriff: auf den ersten Seiten trennt die Wissenschaftlerin Jenifer Neils gewissenhaft die im Laufe des Werkes zur Sprache kommenden Frauengestalten und Brauchtümer nach Region und Zeit ihres Vorkommens. Allen anderen Fakten vorangestellt, umreißt sie das antike Frauenbild im Nahen Osten, in Ägypten, in Griechenland, in Etrurien und in Rom - immer unter Berücksichtigung der historischen Verläufe und der Zeitspannen, für welche Belege und Funde in Museen und Archiven der Welt vorhanden sind. Eine Übersichtskarte und eine Zeittafel helfen, sich auch während des Lesens schnell in den geographischen und geschichtlichen Gegebenheiten zurechtzufinden.
Nach dieser anfänglichen Orientierung lockert Niels das Konzept: die "Frauen der Antike" werden nun nach Lebens- und Wirkungsbereichen vorgestellt.
Die LeserInnen stoßen auf die Überschriften "Stereotype Frauenbilder", "Mütter und Trauernde", "Frauen in der Arbeitswelt", "Schönheitspflege", "Frauen und Religion" und "Frauen königlicher Herkunft".
Je nach Überlieferungssituation sind auch diese Kapitel wieder in kurze Absätze untergliedert, die sich mit einem bestimmten Aspekt genauer befassen. Es werden beispielsweise die "Vestalischen Jungfrauen", "Sklavinnen" oder die "Textilproduktion" thematisiert.
Neils scheut sich bei mangelnder Überlieferungssituation nicht, auch Mythen unter Verweis auf die jeweiligen Quellen zu zitieren oder ein noch ungelöstes Rätsel der Archäologie als ebensolches zu präsentieren. Uneindeutige wissenschaftliche Sachlagen werden von ihr nicht verschwiegen.
So ruft sie der Leserin das allbekannte Vasenbild einer wassertragenden, in eine aufwendige Tunika gehüllte Frau vor Augen, um dann zu erklären, dass trotz der scheinbaren Einfachheit der Darstellung bis heute nicht geklärt werden konnte, welchen Status die Wasserträgerin gesellschaftlich inne hatte. War sie eine ihrer Kleidung nach eine Adelige oder, der Tätigkeit zufolge, eine Sklavin?
Mit dem Hinweis auf solche Widersprüchlichkeiten in dem, was wir über die Antike zu wissen meinen, öffnet sie den LeserInnen die Augen für die Vorsicht, mit der selbst schriftliche Überlieferungen von Geschichtsschreibern wie Herodot oder scheinbar eindeutige Bilder auf Mosaiken und Gefäßen behandelt werden müssen.
Beim Lesen des Bildbandes allgegenwärtig sind Göttinnen, Götter und Rituale, die die antike Welt mehr als das Alltagsgeschehen prägten. Ein Glossar und ein kleines Göttinnen-Lexikon erklären die wichtigsten Begriffe und Namen, aber auch im Textverlauf werden Bräuche und Riten erwähnt und erläutert. So entsteht ein Bild der antiken Welt in ihrer Gesamtheit, das wichtig ist, um den LeserInnen die früher vorherrschende und heute fremdartig anmutende Auffassung von Frau-Sein und Weiblichkeit näher zu bringen.
Durch die lose Strukturierung von Wort und Bild in Neils´ Werk eignet es sich weniger zum durchgängigen Lesen, denn dazu, nach den ersten einführenden Worten nach Lust und Laune die Abschnitte zu studieren, deren Überschriften die Neugierde wecken. Sowohl die Bildbeschreibungen als auch die Unterkapitel sind in sich geschlossen und selbsterklärend, so dass neben gezieltem Nachschlagen, zum Beispiel bei der Frage nach Kleidungsgewohnheiten, auch ein interessiertes Blättern ergiebig ist.
Zur Autorin: Jenifer Neils ist Vize-Präsidentin des Amerikanischen Archäologischen Instituts und unterrichtet seit 1980 Kunstgeschichte und Archäologie in Cleveland, Ohio. Mehr Infos finden Sie unter: archaeological.org
AVIVA- Tipp: Die umfassenden Bildbeschreibungen und gut gewählten Originalzitate von DichterInnen und GeschichtsschreiberInnen erweitern den Lesehorizont über die Ebene der reinen Deskription und Faktenwiedergabe hinaus und lassen plastische Vorstellungen von einer Welt wachsen, die bereits so viele Jahrhunderte zurückliegt.
Aufgrund der sehr gezielten Darstellung ungewöhnlicher und archäologisch besonders kostbarer Objekte bietet der Bildband auch den sachkundigen LeserInnen die eine oder andere spektakuläre Entdeckung und unerwartete Information.
Jenifer Neils
Die Frau in der Antike
Theiss Verlag, erschienen August 2012
Gebunden, 216 Seiten mit über 200 farbigen Abbildungen
ISBN-13: 978-3806226782
29,95 Euro
www.theiss.de