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Beitrag vom 19.12.2010
Drei
Tatjana Zilg
Mit einem Film über eine verdeckte Dreierbeziehung zwischen einer Kulturjournalistin, einem Genforscher und einem Kunstproduzenten kehrt Tom Tykwer nach seinem global angelegten Thriller ...
... "The International" als Regisseur zurück nach Berlin, dem Ort, wo seine eigene Karriere rasant mit "Lola rennt" begann.
Gaben bei "The International" weltberühmte Schauplätze die Kulisse für actiongeladene Filmsequenzen, so lässt Tykwer nun den Blick liebevoll durch das Berlin der Gegenwart mit seinem kunterbunten Kultur- und Szeneleben schweifen: Die ersten Funken erotischer Anziehung zwischen seiner Hauptprotagonistin Hannah (Sophie Rois) und Adam (Devid Striesow) springen bei einem Theaterbesuch der Robert Wilson-Inszenierung "Shakespeares Sonette" im Berliner Ensemble über. Hannahs langjähriger Lebenspartner Simon (Sebastian Schipper) begegnet dem mysteriösen Adam zum ersten Mal an einem Sonntagnachmittag beim Schwimmen im Treptower Badeschiff.
Während einer Vernissage im Martin-Gropius-Bau entgehen die Drei kurz darauf nur knapp einer verfrühten Entdeckung ihrer wechselseitigen Affären.
Auch der Imbiss Burgermeister unter den Gleisen der Linie 1 am Schlesi und der Mauerpark im Prenzlauer Berg mit der Jugenstilaltbauten-Silhouette im Hintergrund werden als Kulisse genutzt. Es handelt sich jedoch keinesfalls um eine Low-Budget-Verfilmung: "Drei" ist groß angelegt und Tykwer spielt dramaturgisch nicht nur mit den vielen Möglichkeiten, die Berlin als Drehort bietet, sondern er setzt auch modernste Filmtechnik wie Split Screens und Computeranimationen ein. Dabei konnte er sich selbst viel künstlerische Freiheit gewähren, denn das Drehbuch entsprang diesmal wieder seiner eigenen Hand.
Tom Tykwer greift in "Drei" Themen auf, die tief bewegen und zu den Unabschätzbarkeiten der Postmoderne gehören: Widersprüchlichkeiten und Gemeinsamkeiten von romantischer Liebe und erotischem, spontanen Begehren, plötzliche Krankheit, Tod und Überleben, Kinderwunsch und Furcht vor Bindungen.
Nähe und Distanz, Anziehung und Abwehr
Die Kulturjournalistin Hannah und der Kunstproduzent Simon sind seit zwanzig Jahren ein Paar. In ihrer Beziehung kracht es zwar noch des öfteren auf lebhafte und wortwitzige Weise, aber im Bett knistert es schon lange nicht mehr. Vielleicht sind die Beiden sich dafür zu nah, auch wenn sie im Alltag getrennte, anspruchsvolle Pfade verfolgen und zu Beginn des Films eher den Anschein geben, sich entfremdet zu haben. Bald merkt man jedoch, dass sie zu etlichen gemeinsamen Gewohnheiten und einer Sprache gefunden haben, die nur sie beide in ihrer Feinheit richtig verstehen können. Dann dringen unerwartete, schwere Ereignisse in die Routine des Paars ein: Simons Mutter eröffnet ihnen, unheilbar an Krebs erkrankt zu sein. Auch bei ihm selbst wird Krebs diagnostiziert, nach einer Operation bestehen aber gute Heilungschancen.
Adam tritt, ebenfalls unerwartet und überraschend, in das Leben von Hannah und Simon, die jeweils eine Affäre mit dem attraktiven Genforscher beginnen, ohne dass sie ahnen, dass der/die Andere mit genau derselben Person fremd geht. Kurz zuvor reagierte Hannah besonnen auf die Krankheit von Simon, wodurch das Paar emotional neu zueinander fand.
Die heimliche Doppelaffäre mit Adam schenkt jedem von ihnen einen Rückzugsort, der sich zunächst positiv auf ihre Beziehung auswirkt, ohne dass dies ausgesprochen wird. Adam dagegen verliert den Halt, den er in seinem bisherigen, auf emotionaler Eigenständigkeit begründeten Lebensentwurf fand. Er spürt die Sehnsucht, sich mehr einzulassen, erfährt aber zunächst Abwehr. Erst allmählich, dann immer schneller, gerät die Funktionalität der verdeckten Dreierbeziehung ins Wanken.
Auf die Frage, ob der Film der Versuch einer Bestandsaufnahme, zugleich provokantes Spiel mit den Möglichkeiten moderner Beziehungen und eine Art Versuchsanordnung zum Thema Beziehung sei, antwortet Tykwer: "Diese Betonung des Experiments ist für mich sehr befreiend, denn darin wird der verspielte Charakter des Films hervorgehoben. Jede Situation, jede Begegnung ist ein Konstrukt, das von unglaublich vielen, unberechenbaren Parametern bestimmt ist, von all den Zufällen, die uns ständig widerfahren. Da ist allein schon die ungeheuer wichtige Frage des Timings: Wann trifft man jemanden, in welcher Situation? Was wäre passiert, wenn man Personen zu einer anderen Zeit, bei einer anderen Gelegenheit begegnet wäre? Wie anders wäre das Leben verlaufen?"(Quelle: Presseinfo X-Film)
AVIVA-Tipp: Ein deutscher Erfolgsregisseur kehrt zurück vom internationalen Spielfeld und sprengt das Genre "Soziobeziehungskomödie" mit Witz, Charme und Kultur. Tykwer gelingt es, Authentizität und Integrität mit einer von den Erfahrungen seiner internationalen Großproduktionen geprägten Arbeitsweise zu verbinden. Die komplexe Darstellung seiner Hauptcharaktere, die vielschichtige, dennoch leicht dahinfließende Bildsprache, sein schwarzer Humor, gepaart mit ironischen Anspielungen an gängige romantische Komödien, und ein glaubhafter Gegenwartsbezug machen seinen elften Langfilm zu einem unterhaltsamen, kurzweiligen und anspruchsvollen Winterfilmvergnügen.
Drei
Deutschland 2010
Regie und Buch: Tom Tykwer
DarstellerInnen: Sophie Rois, Sebastian Schipper, Devid Striesow
Länge: 105 Minuten
Verleih: X Verleih
Kinostart: 23.12.2010
Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.drei.x-verleih.de
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