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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 31.05.2010


Mammut - Ein Film von Lukas Moodysson
Undine Zimmer

Lukas Moodysson beschäftigt sich mit dem Kontrast zwischen der armen und der reichen Welt und wie diese beiden Seiten des Universums ineinander verschränkt sind. Themen wie Prostitution, ...




...Gewalt gegen Kinder, Migration und Sextourismus verknüpft er geschickt in zwei parallel laufenden Erzählsträngen. Im Mittelpunkt des Films stehen eine Ärztin und ein Kindermädchen, die hart arbeiten um ihren Kindern ein gutes Leben und eine Zukunft zu geben - bis ihnen bewusst wird, dass sie die Kinder dadurch zu verlieren drohen.

Wie schon in seinen früheren Werken "Raus aus Åmål", "Zusammen" und "A hole in my heart" fokussiert Moodysson auf die Kinder und zeigt darüber auch die Konflikte ihrer Eltern. "Mammut" folgt drei Kindern, die auf den beiden entgegengesetzten Seiten der Welt leben, ihre Eltern aber befinden sich auf der jeweils anderen Seite - manchmal physisch, manchmal nur in Zeit und Raum.

Eine Frau geht in New York in ein Sportgeschäft. Sie kauft einen Basketball für ihren Sohn zum Geburtstag. An der Kasse sehen wir, dass der Ball die Aufschrift "Made in Philippines" trägt. Gloria lächelt, als sie mit der Tüte den Laden verlässt. Sie arbeitet bei einer amerikanischen Familie als Kindermädchen, damit sie ihren eigenen Kindern, die zu Hause auf den Philippinen geblieben sind, Essen, ein gemeinsames Haus, Bildung und eine Zukunft geben kann. Manuel ist sieben, Salvador zehn Jahre alt, beide wohnen bei Glorias Mutter. Den Ball wird sie alleine nach Hause schicken. Eine Zukunft für alle zusammen gibt es nur, wenn Gloria in Amerika bleibt.

Ellen (Michelle Williams) ist Chirurgin in der Notaufnahme. Sie arbeitet viel und wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem schick eingerichteten Loft in Brooklyn. Sie hat ein Kindermädchen eingestellt, weil sie und ihr Mann wenig Zeit haben für die Tochter. Alle drei zusammen sind glücklich, dennoch hat Ellen das Gefühl eine schlechte Mutter zu sein. Ihre Tochter Jackie interessiert sich plötzlich mehr für Glorias Muttersprache Tagalog, die Sprache der Filipinos, als für ihre geliebten Planeten. Auch als Ellen ihr ein teures Teleskop kauft und einen Abend überraschend frei nimmt, um mit ihrer Tochter Zeit zu verbringen, will Jackie lieber mit Gloria zum Gottesdienst der Filipinos. Ellen bekommt Angst, dass sie sich entfremden.


© Memfis Film Jörgensen: Ellen und Leo




In Ellens Wohnung steht ein riesiger voller Kühlschrank. Ellen macht ihn auf, kann sich nicht entscheiden und schließt ihn wieder ohne etwas herauszunehmen. Sie bestellt eine Pizza. Erschöpft und traurig schläft Ellen im Kinderzimmer in Jackies Bett ein. An der Wand hängt eine riesige Weltkarte, um sie herum liegen Kuscheltiere und Spielsachen.

In Glorias Wohnung auf den Phillipinen stehen Plastikstühle in einer engen Küche. Die Zimmer der Kinder sind mit Betten und Moskitonetzen eingerichtet. Die Großmutter nimmt Glorias ältesten Sohn Salvador mit auf eine Müllhalde, wo Kinder und Erwachsene Müll sammeln und sich von dem, was noch essbar ist, ernähren. Sie will ihm zeigen, warum er stark sein soll, warum seine Mutter nicht bei ihm ist. Er soll ein besseres Leben haben als die Menschen, die er gerade beobachtet.

Ellens Ehemann Leo (Gael García Bernal) ist auf Geschäftsreise in Thailand. Durch ihn als verspielten, neugierigen Tourist, kommt eine weitere Ebene in den Film. Wir folgen Leo im zweiten Erzählstrang und beobachten seine Langeweile während er auf das Ende der Vertragsverhandlungen wartet. Er verweigert sich gegenüber dem "Wir sind schließlich in Bangkok" seines Partners, der nur an Clubs, Bars und Prostituierten interessiert ist und entscheidet sich, ein paar Tage an einen einsamen Strand abzuhauen. Dort begegnet auch Leo einer anderen Welt, die seine eigene in Frage stellt.


© Memfis Film Jörgensen: Leo



Regisseur Moodysson kennt keine Berührungsängste und war nie ein gewöhnlicher Filmemacher: Er filmte über das Coming-out zweier Schulmädchen in "Raus aus Åmål" (1998), Russischen Mädchenhandel in "Lilja 4-ever" (2002) oder die Kluft zwischen Hippies und schwedischer Bürgerlichkeit - der Titel von Moodyssons erstem internationalen Erfolg "Zusammen" (2000) scheint so etwas wie eine verstecktes Motto geblieben zu sein. Das Zusammensein zwischen Menschen und das Bedürfnis nach Nähe stehen im Brennpunkt seines Interesses. Dabei zeigt er uns auch, dass nicht nur Beziehungen an sich, sondern auch die zwischen Eltern und Kindern, immer globaler geworden sind.

AVIVA-Tipp: Dieser Film ist rund wie ein Basketball made in International. Nüchtern beobachtet dieser Film seine Figuren auf drei Kontinenten, er bemitleidet sie nicht und heroisiert sie nicht. "Mammut" zeigt in gestochen scharfen Bildern Eltern die für ihre Kinder arbeiten, manchmal getrennt von ihnen auf der anderen Seite der Erdkugel. In "Mammut" kann ein Kugelschreiber zum Symbol für zwei Seiten der globalisierten Erde werden. Nur auf einer von ihnen ist er jedoch der wertvollste Kugelschreiber der Welt. Moodysson ist ein außergewöhnlicher Beobachter, der seinem Publikum seine Observationen auch vor Augen zu führen vermag. Er braucht dabei keine Ironie, keine rührselige Inszenierung, keine technische Effekthascherei. Zusammen mit wunderbaren SchauspielerInnen hat er mit "Mammut" einen bisweilen harten, einen spannenden und einen liebevollen Film geschaffen - mehr als sehenswert, vielleicht die beste Produktion des Jahres 2010.

Mammut
Schweden, Deutschland, Dänemark 2009
Regie und Drehbuch: Lukas Moodysson
DarstellerInnen: Michelle Williams, Gael García Bernal, Sophie Nyweide, Marife Necesito, Maria Del Carmen, Runsrinikornchot, Tom Mc Carthy, Jan Nicdao, Martin Delos Santos
Länge: 125 Minuten
Verleih: MFA+ FilmDistribution e.K.
FSK: Ab 12 Jahren
Filmstart: 10. Juni 2010

Der Film im Netz: mammut.mfa-film.de

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Beitrag vom 31.05.2010

Undine Zimmer