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Beitrag vom 26.11.2009
Emma und Marie - Je te mangerais
Katharina Liese
Das Filmdebüt der französischen Regisseurin Sophie Laloy ist ein lesbisches spannendes Psychodrama, das sich zwischen Fanatismus und Erotik bewegt. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Liebe...
... und Hass.
Marie (Judith Davis) lebt mit ihren Eltern und ihren Schwestern auf dem Land, wo auch Emma (Isild Le Besco) herkommt. Doch eines Tages ging Maries Freundin aus Kindertagen mit ihrer Mutter nach Lyon, wo sie seitdem lebt.
Die frühere Freundschaft der beiden jungen Frauen lebt wieder auf, als Marie die einmalige Chance bekommt, am Konservatorium in Lyon Klavier zu studieren. Die liebevolle Familie Maries kann sich ein eigenes Apartment für ihre Tochter nicht leisten, weshalb sie bei Emma, die mittlerweile Medizin studiert, unterkommt.
Die lebenslustige Marie ist auf das neue Studentinnendasein gespannt und freut sich auf das unabhängige Großstadtleben fernab ihres Heimatdorfes.
Zunächst stellt die dominierende Emma Regeln auf, was ihr als Vermieterin durchaus zusteht. Aber Regeln, die besagen, dass die Mitbewohnerin keinen Besuch empfangen darf oder die Frauen nur zu zweit ausgehen, erscheint einengend und lassen die Zuschauerin stutzig werden.
Marie willigt ein. Sie ist froh bei ihrer Freundin in der großzügigen Wohnung bleiben zu dürfen, wo sie samt Klavier eingezogen ist, um ungestört üben zu können.
Doch bald kommt es zu bestimmenden und besitzergreifenden Zwischenfällen…
Die Gefühle der rätselhaften Emma gehen weit über Freundschaftliche hinaus. Ob man hier von Liebe sprechen kann, ist fraglich.
Emma gelingt es, Marie näher zu kommen, die durch die neue Situation verwirrt ist, was sich wiederum auf ihr Studium auswirkt. Ein erotisches Abenteuer entflammt, das sich zwischen körperlicher Anziehungskraft und tiefer Abneigung bewegt.
Allmählich schleichen sich Faszination und ein gewisser Fanatismus in die dunklen Räumlichkeiten ein. Emma mischt sich immer mehr in Maries Leben ein und will dieses bestimmen.
Die Machtspiele der Frauen und die Atmosphäre in der Wohnung werden von klassischer Klaviermusik, durch immer wiederkehrende Stücke Ravels oder Bachs, untermalt und auch die Gemälde der Mutter Emmas tragen zu einer befangenen und bedrückenden Stimmung in den Räumlichkeiten bei.
Im Laufe der Handlung wird deutlich, wie gebrochen Emma ist. Seit dem Tod ihres Vaters und dem Verschwinden ihrer Mutter lebt sie in der großen Wohnung alleine. Emmas Verlangen, Marie für sich allein zu haben, rührt von ihrer Einsamkeit und ihrem innigen Wunsch, geliebt zu werden.
Anfangs dominiert die kühle Emma die Situation und verwirrt die zunächst naiv scheinende Marie. Doch die Situation kippt, womit sich auch das Machtverhältnis der beiden Frauen verändert. Marie wächst mit dieser Aufgabe und lässt sich nicht dominieren. Die Tragödie schaukelt sich hoch. Als es zu Handgreiflichkeiten kommt, entzieht sie sich dem Sog Emmas.
Marie verlässt die Wohnung und zieht wieder bei ihren Eltern ein. Sie nimmt dafür einen täglich sehr langen Fahrweg ins Konservatorium in Kauf. Nach dem dringend benötigten Abstand nähern sich die beiden Frauen nun auf freundschaftlicher Basis wieder an und Marie willigt in das erneute Angebot einer WG ein.
Warum sie wieder zu ihr zieht, ist zweifelhaft. Tut es Marie aus rein praktischen Gründen oder steckt doch eine ganz andere Motivation dahinter?
Eine muss schließlich immer leiden. Zuerst ist es die unterdrückte Marie, die sich jedoch schnell zu wehren weiß. Anschließend leidet Emma unter anderem unter der Beziehung Maries zu ihrem Kommilitonen Sami (Johan Libéreau). Bis zum Schluss reizt die jeweils Dominierende ihre Macht aus und treibt ihre Spielchen.
Zwischen Freundschaft und Feindschaft und Nähe und Distanz bewegt sich das Drama, aus dem keine glimpflich herauszukommen scheint. Die Protagonistinnen spielen mit dem Feuer, an dem sich am Ende eine verbrennt.
AVIVA-Tipp: Das Regiedebüt Sophie Laloys ist ein spannender Psychothriller einer Amour fou, der auf dramatische Weise den schmalen Grat zwischen Freundschaft und Feindschaft zeichnet und dabei das Wechselspiel von Begierde und Bedrängnis, Lust und Bedrohung im Vordergrund stehen lässt.
Zur Regisseurin: Sophie Laloy verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend bei ihren Eltern und drei Schwestern in Aurillac, wo sie auch Klavier- und Tanzunterricht hatte. Sie blieb bis zum Abitur in der Auvergne und zog mit siebzehn nach Lyon, um am dortigen Konservatorium Musik zu studieren. Unglücklich über die einsame Tätigkeit, sechs Stunden am Tag Klavier üben zu müssen, beschloss Sophie, lieber eine teamorientierte Ausbildung zu machen und wurde 1992 an der Pariser FEMIS angenommen, der bedeutendsten Filmhochschule Frankreichs. Dort machte sie eine Ausbildung zur Toningenieurin und arbeitet seit ihrem Abschluss 2004 als Tonmeisterin, u.a. bei Filmen von Walter Salles ("Paris, je t`aime", 2006 / "Les Gens de Belleville", 2007) und Arnaud Desplechin ("Rois et Reines", 2004 / "Léo, en jouant la compagnie des hommes", 2004). Nach einem eigenen Kurzfilm (D`amour et d`eau fraîche) drehte sie mit "Emma & Marie – Je te mangerais" ihren ersten langen Spielfilm.
Emma und Marie
Originaltitel: Je te mangerais
F 2008
95 Minuten
Buch und Regie: Sophie Laloy
DarstellerInnen: Isild Le Besco, Judith Davis, Johan Libéreau, Edith Scob
Im Verleih der Edition Salzgeber
www.salzgeber.de
Kinostart: 03. Dezember 2009
Der Film im Netz: www.jetemangerais-lefilm.com