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Beitrag vom 14.06.2012
Bessere Zeiten. Die Verfilmung von Susanna Alakoskis ergreifendem Roman. DVD-Start 14. Juni 2012
Marie-Luise Wache
Die durch Ingmar Bergman bekannt gewordene Schauspielerin Pernilla August gibt mit diesem bewegenden und intensiven Drama ihr Debut als Regisseurin und Drehbuchautorin. Noomi Rapace, ...
... Hauptdarstellerin der Stieg-Larsson-Trilogie, übernimmt die Hauptrolle in einer Geschichte um Ausgrenzung, Armut, Gewalt und Alkoholismus.
Wenige Tage vor Weihnachten bekommt Leena (Noomi Rapace) einen Anruf, der die Strukturen ihres wohlgeordneten Lebens mächtig aufwühlt. Ihre Mutter, zu der sie vor vielen Jahren den Kontakt abbrach, liegt im Sterben und wünscht, ihre Tochter ein letztes Mal zu sehen. Ein innerer Konflikt, die Kindheit vergessen zu lassen oder sich zum letzten Mal damit auseinanderzusetzen, baut sich in der nach außen ausgeglichenen jungen Frau auf und wird schließlich von Leenas Ehemann (Ola Rapace) beantwortet. Dieser packt die Sachen seiner Frau und der beiden Töchter, setzt sie ins Auto und macht sich gemeinsam mit ihnen auf den Weg zu Leenas Mutter.
Eine Reise voller Zweifel, Schmerz und hilfloser Wutanfälle beginnt. Vergangenheitssequenzen aus Leenas Kindheit wechseln sich mit Gegenwartsaufnahmen ihres anscheinend wohlstrukturierten Familienlebens ab. Denn das, was sie sich als schützendes und geordnetes Umfeld aufgebaut hat, bleibt lediglich eine Art Illusion, solange sie sich mit den Ereignissen ihrer Kindheit nicht auseinandersetzt. Es ist dieses Wissen, was sie die Reise zu ihrer Mutter durchhalten lässt und die nötige Konfrontation herbeiführt.
Rückblende:
Im Grundschulalter zieht Leena mit ihren Eltern und dem kleineren Bruder Sakari von Finnland in die südschwedische Kleinstadt Ystad. Sich durch den Umzug eine Besserung der Lebensumstände versprechend, finden sie eine Wohnung in einem der Sozialwohnviertel außerhalb der Stadt. Die Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft scheinen wahr zu werden: Der Vater bekommt einen Job als Gastarbeiter in der benachbarten Fabrik, die Mutter genießt die Vorzüge einer frischrenovierten und modern ausgestatteten Wohnung und die Kinder finden Freunde in Klasse und Nachbarschaft. Doch wie die Fassade der Sozial-Neubauten zu früh bröckelt, so schnell erscheinen erste Risse in dem wohlkonstruierten Familienalltag. Denn der Klassenunterschied zwischen finnischen Einwandererfamilien und der schwedischen Bevölkerung sowie die dahin führende fehlende Gleichbehandlung führt zu einer Unzufriedenheit, die sowohl Vater als auch Mutter in Alkohol und Streitereien zu ertränken versuchen. Sakari und Leena wachsen fortan in einem Kreis aus illusionierter Hoffnung, Gewalt, Hilflosigkeit und sinnlosen Nüchternheitsversprechen auf, den sie auf verschiedene Art und Weise zu durchbrechen versuchen. Der schweigsame Sakari, indem er sich immer mehr in seine eigene Welt zurückzieht, bis er schließlich ganz verstummt und Leena, indem sie sich eine Normalität bestehend aus Schule, Schwimmwettkämpfen und Treffen mit der besten Freundin aufbaut, bis sie alt genug ist, um von zu Hause fort zu gehen.
Dieses Normalitätskonstrukt schließlich ist es, was einzubrechen droht, als sie der Mutter zum letzten Mal gegenübersteht.
Pernilla August verwendet schockierend-realistische, wenig verherrlichende Bilder, die nur sparsam bis kaum musikalisch unterlegt werden, um der Situation einer Familie am Abgrund habhaft zu werden. Das Mitgefühl, welches sie für die durch äußere Umstände beeinflussten Schicksale aufbringt und bildlich sowie sprachlich umsetzt, gestaltet den Film zu einem ergreifenden und wirklichkeitsgetreuen Drama. Das eindrückliche Spiel der DarstellerInnen, insbesondere der jungen (Tehilla Blad) als auch das der erwachsenen Leena (Noomi Rapace) unterstreicht diesen Ansatz. Ganz besonders ist das facettenreiche Spiel des alkoholkranken Vaters durch Ville Virtanen, bekannt aus dem schwedischen Kultfilm Tillsammans. Dieser stellt den zwiespältigen Charakter auf mitleiderregende, abschreckende und schockierende Weise dar.
Zur Regisseurin: Pernilla August ist vor allem als Schauspielerin bekannt und feiert mit "Bessere Zeiten" ihr Debut als Regisseurin und Drehbuchautorin. 1958 in Stockholm geboren, stand sie bereits mit acht Jahren das erste Mal auf einer Theaterbühne. Ihr Filmdebut feierte sie 1975, noch während ihrer Schulzeit, in Roy Anderssons Giliap und absolvierte nach ihrem Abschluss ein Studium an der Stockholmer Schauspielschule. 1982 besetzte sie Ingmar Bergmann erstmals in einem seiner Filme als Kindermädchen im Oscar-gekrönten Fanny und Alexander. In den Jahren darauf arbeitete Pernilla August immer wieder mit Ingmar Bergmann zusammen (Die besten Absichten, Dabei: Ein Clown). Neben Filmen wir Enskilda samtal, Jerusalem und Glasblasarns Barn wurde die Schauspielerin vor allem international in der Rolle als Shmi Skywalker, der Mutter von Anakin Skywalker, bekannt.
Awards:
67. Internationale Filmfestspiele von Venedig – Publikumspreis der "Settimana Internazionale della critica"
NDR Spielfilmpreis der 52. Nordischen Filmtage Lübeck
Filmpreis des Nordischen Rates 2011
AVIVA-Tipp: Mit einer intensiv-emotionalen und schockierend-realen Bildsprache sowie einer DarstellerInnenauswahl ersten Ranges beeindruckt Pernilla August mit ihrem Regie- und Drehbuchdebut "Bessere Zeiten". Der gleichnamigen Buchvorlage Susanna Alakoskis, 2011 in der edition fünf erschienen, hat sie dabei eine ganz eigene Note verliehen, die Symbolik und Aussage der Geschichte jedoch in keinster Weise trübt. Unbedingt sehenswert!
Bessere Zeiten:
nach dem gleichnamigen Roman von Susanna Alakoski
Finnland / Schweden 2010
Buch und Regie: Pernilla August, Lolita Ray
DarstellerInnen: Noomi Rapace, Ola Rapace, Outi Mäenpäa, Ville Virtanen, Tehilla Blad
Produktion: Hepp Film, Drakfilm
Veröffentlicht wird BESSERE ZEITEN von NFP marketing & distribution*, den Vertrieb übernimmt EuroVideo.
Lauflänge: 95 Minuten
FSK: Hauptfilm 16 (Ãœbernahme beantragt)
Sprachen: Deutsch, Schwedisch (mit deutschen Untertiteln)
EAN (Verkauf): 4009750204870 / Bestell-Nr.: 204873
Kinostart: 14. Juni 2012
www.besserezeiten-derfilm.de
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Verblendung - Der Film
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