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Beitrag vom 13.08.2015
Das Mädchen Hirut. Ein Film mit Meron Getnet und Tizita Hagere von Zeresenay Berhane Mehari. Ab 17. Juli 2015 auf DVD und als Video on Demand
Claire Horst
Zwei mutige Frauen gegen eine frauenfeindliche Tradition: Die 14jährige Hirut erhält Unterstützung von der Anwältin Meaza Ashenafi, als sie wegen Mordes an ihrem Vergewaltiger zum Tode ...
... verurteilt werden soll.
Es ist das Jahr 1996, Hirut hat gerade von ihrem Lehrer die Empfehlung für die fünfte Klasse erhalten. Sie ist eine gute Schülerin und hat durchgesetzt, dass sie nicht zu Hause bleiben und auf dem Feld arbeiten muss.
Auf dem Heimweg wird sie von einem Mob berittener Männer entführt und eingesperrt. Einer der Männer schlägt und vergewaltigt sie. Seine tröstend gemeinte Erklärung: "Bald wirst du meine Frau." Auch wenn Regisseur Mehari die Gewaltszenen nur andeutet, wird die Brutalität mehr als deutlich: Hirut hat kaum eine Chance auf Rettung, denn diese Form der "Brautwerbung", die "Telefa", ist vollkommen normal.
Dennoch ergreift sie die erste Gelegenheit zur Flucht – und erschießt dabei ihren Vergewaltiger, um sich vor seiner Wut zu retten. Weder die Polizei, noch die Dorfgemeinschaft oder die eigene, arme und machtlose Familie geben Hoffnung: Der Ältestenrat des Dorfes besteht nur aus Männern, die die Blutrache verhindern wollen und deshalb auf ihrer Bestrafung bestehen, Polizei und Staatsanwalt zweifeln ihr Alter an, um die Todesstrafe durchdrücken zu können.
Doch Meaza Ashenafi, selbst wie Hirut in einem Dorf aufgewachsen, und ihre Anwältinnenvereinigung "Andenet" wagen es, gegen diese tradierten Regeln anzugehen. Sie vertreten Frauen und Mädchen im Kampf um ihre Rechte. Und auch wenn es Jahre dauert, auch wenn sie schließlich sogar den Justizminister verklagen muss, gibt Ashenafi nicht auf.
Die wachsende persönliche Beziehung der beiden Frauen, die Unsicherheit des Mädchens, welchen Moralvorstellungen sie denn nun Glauben schenken soll, stellen beide Schauspielerinnen sehr glaubwürdig dar. Tizita Hagere ist als Hirut zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen. Ihre Darstellung beeindruckt, ebenso wie die Arbeit der zahlreichen LaiendarstellerInnen, die den Film zu etwas Besonderen werden lassen.
Dass die Geschichte von Hirut einen wahren Hintergrund hat, macht den Film umso berührender. Im Jahr 1996 fand der Prozess statt, auf dem "Das Mädchen Hirut" beruht. Die echte Meaza Ashenafi, die das Mädchen damals mit ihrer Organisation Organisation Ethiopian Women Lawyers Association (EWLA) vertrat und später mit zahlreichen Menschenrechtspreisen ausgezeichnet wurde, sagt heute: "(Der Film) hat gemischte Gefühle in mir hervorgerufen, Freude, Stolz, dass wir den Fall damals tatsächlich gewonnen haben, aber auch die Erkenntnis, dass nach all den Jahren die Situation von vielen Frauen immer noch nicht sehr viel besser ist."
Dennoch hat die Arbeit von MenschenrechtlerInnen Erfolge gezeigt. So war bis 2004 die Telefa zwar verboten – wenn der Entführer aber das Mädchen heiratete, blieb er straffrei. Der Prozess führte zur Überarbeitung der Gesetze: Heute sind Entführung und Vergewaltigung strafbar.
Diese Fortschritte voranzutreiben, ist auch ein Anliegen des Regisseurs: "Ich habe nicht danach gesucht, einen feministischen Film zu machen, aber durch die Dreharbeiten bin ich ein anderer Mann geworden." Sein Film behandelt ein Thema, das nicht nur in Äthiopien eine Rolle spielt: Eines von neun Mädchen weltweit wird laut des International Center for Resarch on Women zwangsverheiratet, bevor es 15 Jahre alt ist.
Schade ist allerdings, dass das profeministische Anliegen des Regisseurs ihn nicht daran gehindert hat, zwei Frauen zu ignorieren, ohne die der Film nicht existieren würde. So hat die echte Hirut, Aberash Bekele, die heute selbst gegen Zwangsheirat kämpft, gegen die Ausstrahlung des Films geklagt. Denn sie wurde an keiner Stelle einbezogen und ist mit der Gewichtung der einzelnen Rollen im Film nicht einverstanden. (Mehr dazu: www.ethiopiaobserver.com).
Auch die Arbeit der britischen Journalistin und Regisseurin Charlotte Metcalf wird nirgends erwähnt. Dabei ist ihr Dokumentarfilm "School Girl Killer" eine zentrale Quelle. Der sehr lohnenswerte Filme porträtiert nicht nur Aberash Bekele, sondern auch ihre Familie (etwa ihre ältere Schwester, eine erfolgreiche Athletin, die aufgrund der Telefa ihre Karriere aufgeben musste und mit einem Alkoholiker verheiratet wurde), und ist kostenlos im Internet zu sehen: School Girl Killer. Ein aktueller Artikel zum Thema von Charlotte Metcalf findet sich hier: www.newsweek.com.
Zum Regisseur: Zeresenay Berhane Mehari wuchs in Äthiopien auf und studierte Film in den USA. Zu seinen Langfilmen zählen "Coda" (2006) und "Africa Unite" (2008).
Zur Darstellerin der Meaza Ashenafi: Meron Getnet ist in Äthiopien eine bekannte Schauspielerin, Poetin und Theaterautorin. Ihre Masterarbeit im Bereich Arts and Development an der Universität Addis Abeba schrieb sie im Jahr 2013.
Zur Darstellerin der Hirut: Tizita Hagere fand der Regisseur nach monatelanger Suche bei einem Schauspielworkshop in Addis Abeba. Sie war noch nie zuvor in einem Film zu sehen. Hagere lebt mit 90 anderen Kindern in einem Waisenhaus. (Informationen des Verleihs)
AVIVA-Tipp: "Das Mädchen Hirut" ist ein sehenswerter Film, der Wut und zugleich Hoffnung auslöst. Denn neben den menschenverachtenden Traditionen zeigt er eben auch mutige Frauen, die sich nicht einschüchtern lassen und ihre Rechte durchsetzen. Der Film gewann zahlreiche Publikumspreise, u.a. beim Sundance Filmfestival sowie im Panorama der Berlinale und wurde für den Oscar als bester fremdsprachiger Film eingereicht. "Das Mädchen Hirut" ist der erste äthiopische Film, den eine Frau (Monika Lenczewska) fotografiert hat. Auch insgesamt sind überdurchschnittlich viele Frauen an der Produktion beteiligt. "Das Mädchen Hirut" beruht auf wahren Begebenheiten und wurde von der UN-Botschafterin Angelina Jolie mitproduziert.
Unterstützt wird der Film von vier Organisationen, die sich weltweit für Frauenrechte einsetzen:
Amnesty International
Terre des Femmes
Oxfam
World Vision
Das Mädchen Hirut
Originaltitel: Difret
Regie und Drehbuch: Zeresenay Berhane Mehari
Darsteller_innen: Meron Getnet, Tizita Hagere, Haregewine Assefa, Brook Sheferaw, Mekonen Laeake, Meaza Tekle, Shetaye Abreha
ProduzentInnen: Leelai Demoz, Zeresenay Berhane Mehari, Angelina Jolie, Julie Mehretu
Kamera: Monika Lenczewska
Land / Jahr:
Äthiopien, USA 2014
Technische Details:
DVD
Label: Alamode Filmdistribution OHG
Vertrieb: Alive
Sprachen: Deutsch, Amharisch. Untertitel: Deutsch
Extras: Trailer, Rest tba
Filmlänge: 99 Min
Tonformat: Deutsch, Amharisch DD 5.1
FSK Ab 12 Jahren
VÖ 17.07.2015
Bestell-Nr.: 6415828. EAN 4042564158281
Der Film im Netz: www.dasmaedchenhirut.de