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Beitrag vom 25.04.2020
Lana Lux – Jägerin und Sammlerin. Verlosung
Silvy Pommerenke
Eine junge Frau kämpft gegen ihren Körper, den sie wie in einem Zerrbild wahrnimmt. Obwohl sie normalgewichtig ist, empfindet sie sich als zu dick, und versucht mit allen Mitteln, dagegen anzugehen. Das neue Buch der Illustratorin, Schauspielerin und Schriftstellerin ("Kukolka") erzählt von diesem Kampf, von den Ursachen und nicht zuletzt von dem schweren Weg in Richtung Heilung. AVIVA-Berlin verlost 2 Bücher
Tagebuch einer Sucht
Ohne große Einleitung wird die Leser*in in die Gedankenwelt von Alisa geworfen. Abiturientin, Workaholic und bulimisch. Wobei die Reihenfolge genau andersrum ist, denn die Essstörung bestimmt ihr Leben. Bereits auf den ersten Seiten wird der Leserin klar, dass dies eine abgrundtiefe Lektüre sein wird, die starke Nerven erfordert. Das war schon bei dem Debütroman "Kukolka" aus dem Jahr 2017 so, in dem sich Lana Lux den Themen Zwangsprostitution und Frauenhandel widmete.
Mitverantwortlich für Alisas Krankheit ist ihre dominante Mutter Tanya, die ihre Tochter moralisch drangsaliert, sie zu vielen Dingen zwingt, die ihr nicht behagen und deren Erwartungen sie meistens nicht genügen kann. Immer wieder ist Tanya enttäuscht von ihrer Tochter, die ihr nichts recht machen kann. Zudem gibt es oft einen Rollentausch, sodass Alisa schon sehr früh in die Rolle der Erwachsenen gedrängt wird und Verantwortung für ihre Mutter übernehmen muss, anstatt dass sich die Mutter um ihre Tochter kümmert. Den Druck, der dabei entsteht, versucht Alisa mit Fressattacken und anschließendem Erbrechen auszugleichen. Was folgt, ist zwar kurzfristige Erleichterung, die dann allerdings Scham und Ekel weicht. Jeden Tag aufs Neue schwört sie sich, damit aufzuhören. Jeden Tag aufs Neue kann sie ihrer Sucht nichts entgegensetzen, denn "morgen war immer bloß ein weiteres Heute". Der Teufelskreislauf hat sie fest im Griff.
Alisa vertraut sich endlich einem Freund an und sucht eine Psychotherapeutin auf, aber der Weg zur Heilung ist lang und steinig. Sie gibt ihrer Krankheit einen Namen. Mia, als Kurzform von Bulimia nervosa. Schließlich, als Alisa erkennt, dass sie dringend Hilfe benötigt, entscheidet sie sich für eine Reha, um der übermächtigen Mia entgegenzuwirken.
Dort beginnt sie auf Anraten der Psychotherapeutin ihre Biografie niederzuschreiben, und die Leser*in kommt ihr dabei sehr nahe. Es ist, als würde sie neben ihr stehen und ihr dabei zusehen, wie sie erst riesige Mengen an Essen verschlingt und sich anschließend qualvoll erbricht. Diesen Roman zu lesen, hat etwas voyeuristisches, denn diese Handlungen finden normalerweise hinter verschlossenen Türen statt. Aber es ist gut, dass uns Lana Lux einen Blick hinter die Fassade und in die Abgründe ermöglicht. Sie hat es bereits in "Kukolka" getan und sorgt im Falle von "Jägerin und Sammlerin" dafür, dass dieser Krankheit wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Zu einem besseren Verständnis der Hauptfigur führt auch ein Perspektivwechsel im Roman. Im Schlussteil wird der Fokus auf die Geschichte von Tanya gerichtet, Alisas Mutter. Bei aller Unterschiedlichkeit zwischen Mutter und Tochter bestehen erstaunliche Parallelen zwischen ihnen, so dass es erklärbarer wird, warum Alisa in die Bulimie gerät. Allerdings gelingt Lana Lux die Entwicklung dieser Figur nicht recht überzeugend, auch der Schluss kommt etwas abrupt. Nichts desto trotz ist "Jägerin und Sammlerin" ein wichtiges Buch.
Bulimie und Magersucht
Die Bulimia nervosa ist nach der Anorexia nervosa die zweithäufigste Essstörung in der westlichen Welt. Während bei ersterer exzessiv Nahrung mit mehreren tausend Kalorien zu sich genommen wird, die im Anschluss entweder wieder erbrochen, oder aber durch Abführmittel oder übermäßigen Sport aus dem Körper befördert wird, so ist bei der Anorexie, der sogenannten Magersucht, genau das Gegenteil der Fall. Die Betroffenen nehmen nur ein Minimum an Nahrung zu sich, oder sogar gar nichts. Der Leidensdruck ist in beiden Fällen extrem und führt zu massiven gesundheitlichen Problemen, manchmal auch zum Tod. Bulimie betrifft vorrangig Frauen, aber auch Jungen und Männer können unter einer Bulimie leiden. Einer der bekanntesten dürfte der Autor Benjamin von Stuckrad-Barre sein. Unter den prominenten Frauen, die an einer Essstörung leiden oder litten finden sich unter anderem Alanis Morisette, Jessica Alba, Victoria Beckham oder Lady Gaga. Das Showbiz, das vermeintliche Schönheitsideal oder die eigene Lebensbiografie können dazu führen, dass sich diese Krankheiten etablieren. Ein Buch wie "Jägerin und Sammlerin" ist eine Möglichkeit, dagegen anzugehen.
AVIVA-Tipp: Auch der zweite Roman von Lana Lux nimmt sich eines unbequemen Themas an. Der Kampf der Hauptfigur gegen die Bulimie und die Abgründe, die sich für die Betroffene daraus ergibt. Lana Lux hebt in ihrem zweiten Roman "Jägerin und Sammlerin" nicht den moralischen Zeigefinger, sondern erzählt in nüchterner Prosa von dem täglichen Kampf, den ihre Protagonistin führt. Das geht beim Lesen unter die Haut und hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck!
Zur Autorin: Lana Lux, geboren 1986 in Dnipropetrowsk/Ukraine, immigrierte im Alter von zehn Jahren mit ihren Eltern als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland. Sie machte Abitur und studierte zunächst Ernährungswissenschaften in Mönchengladbach. Später, zwischen 2011 und 2013, absolvierte sie eine Schauspielausbildung am Michael Tschechow Studio in Berlin. Seit 2010 lebt und arbeitet sie als Schauspielerin und Autorin in Berlin. 2016 begann ihre literarische Karriere auf der Berliner Lesebühne Feuerpudel, wo ihr Text "Berlin, Heimat der Heimatlosen" einen zweiten Platz belegte.
Kurz darauf ging sie mit ihrem Blog "52 SCHABBATOT. Jüdische und Unjüdische Geschichten" online, auf dem sie Kurzgeschichten, Essays, Szenen, Skizzen, Illustrationen und Alltagsberichte aus ihrem (jüdischen) Leben dokumentiert. Dieser wurde in kurzer Zeit so populär, dass er eine Erwähnung bei Deutschlandradio Kultur fand. Zeitgleich schrieb Lana an ihrem ersten Roman "Kukolka", der am 18. August 2017 im Herbstprogramm des Aufbau Verlags erschien. Im gleichen Jahr war Lana Lux im Rahmen des EJKA-Projektes "Gelebte Vielfalt und Anerkennung" Referentin des Creative Writing Workshops GANZ LAUT SCHREIBEN: "Wie geht jüdischSEIN?" für Menschen von 15-20 Jahren im Janusz-Korczak-Haus Berlin. Danach hat sie sich ihrem zweiten Roman "Jägerin und Sammlerin" gewidmet, der im März 2020 erschienen ist.
Lana Lux mit ihrem Blog 52schabbatot im Netz und auf Instagram
Lana Lux – Jägerin und Sammlerin
Aufbau Verlag, Erscheinungstermin 03/2020
Gebunden mit Schutzumschlag, 304 Seiten
ISBN 978-3-351-03798-7
Euro 20,00
Mehr zum Buch unter: www.aufbau-verlag.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Lana Lux – Kukolka
Ein Buch der Schauspielerin und Autorin, die auf ihrem Blog "52 SCHABBATOT" literarische Texte, "Jüdische und Unjüdische" Geschichten erzählt. Ein Buch, das sprachlos macht. Wegen der sachlich-kühlen - bisweilen naiven - Darstellung von Gewalt an Mädchen, und was dennoch kaum aus der Hand zu legen ist. Weil die Geschichte der kleinen Kukolka ans Herz geht und weil es der Autorin durch die sprachliche Nüchternheit gelingt, einen gesunden Abstand zu der Geschichte zu wahren. Ohne diesen Abstand wäre die Lektüre nahezu unerträglich. (2017)
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Meike Burgard - Du wärst also gern magersüchtig? Willkommen im Club!
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