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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 12.12.2014


Karen Duve - Warum die Sache schiefgeht. Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen. Verlosung
Helga Egetenmeier

Eigentlich wollte sie einen Zukunftsroman schreiben, doch bei ihren Recherchen stellte die Autorin von "Anständig essen" fest, dass es... AVIVA verlost 3 Bücher




... die Menschheit bald nicht mehr gibt.

Zu ihrer Rettung reicht es nicht aus, Kröten über die Straße zu tragen, die sozial Denkenden müssen an die echten Schalthebel der Macht. Mit ihrer bitteren Polemik will sie wachrütteln und ihren Teil dazu beitragen, den Untergang unserer Welt zu verhindern, wie sie bei ihrer Buchpremiere in Berlin ausführte.

Beeindruckend ernst ihre provozierenden Thesen vertretend, stellte sich Karen Duve nach der Lesung neugierig und kämpferisch den Fragen der ZuhörerInnen im fast ausverkauften Heimathafen Neukölln. Sie fordert mit ihrem durchaus unterhaltsamen, zwischen Sardonismus und Zynismus mäanderndemText, nicht nur zum Nachdenken auf, sondern drängt auf ein sofortiges Handeln.

Für den Den absehbaren Kollaps der Welt durch den sorglosen und gierigen Umgang mit der Natur, lastet sie keinem Gesellschaftssystem oder Religionen an und verlangt keine ideologisch gestützte Revolution. In ihrem feuilletonistischen Text lässt sie die Faust auf den Tisch krachen, die Argumentationen verbinden sich leichtfüßig und trotz zwischendurch aufkeimender Einsprüche gegen ihre vereinfachenden Darstellungen lässt sich diese wütende Anklage mühelos lesen.

Männliche Werte als weltweites Risiko

"Zu behaupten, dass Männer die schlechteren Menschen sind, ist natürlich etwas heikel in einer Welt, in der die schlechteren Menschen das Sagen haben." Doch diese Feststellung hindert Karen Duve nicht, eindeutig gegen "Psychopathen" in den obersten Chefetagen, skrupellose Forscher mit Tunnelblick und Asperger Syndrom sowie Mediziner und Landwirte mit absurdem Selbstbewusstsein zu polemisieren.

An den Schaltzentralen der Macht sieht Karen Duve hauptsächlich Männer, die für ihre Karriere täglich 16 Stunden arbeiten und dabei bewusst Familie und FreundInnen vernachlässigen. Wie sollen diese auf Macht und Geld fokussierten Manager menschenfreundliche Entscheidungen treffen?

"Die Dominanten wollen nicht das Beste für alle, sondern das Beste für sich.", beschreibt sie die überwiegend männlichen Forscher mit immens hohen Budgets, denen sie rücksichtslose Risikobereitschaft bei der Durchführung von Experimenten unterstellt. Als Beispiele dienen ihr dabei die Katastrophe von Fukushima und das CERN (Europäische Organisation für Kernforschung), das für 30 Milliarden Euro an einem Teilchenbeschleuniger forscht und sich gegen jegliche Kritik dazu vehement wehrt.

Der Missbrauch von Antibiotika in der Landwirtschaft, an dem Agrarindustrie, Ärzte und Pharmaindustrie verdienen, jedoch immer mehr Menschen an Infektionen mit multiresistenten Bakterien sterben, ist ein weiteres aktuelles Beispiel, bei denen Profit bestimmt. Auch hier fragt die Autorin: Warum geht es nicht um das Leben der Menschen? Die Qualität des Essens und die Tiere hätten zusätzlich was davon, denn "Gesunde Tiere brauchen keine Antibiotika, aber gesunde Tiere nehmen dann auch nicht Tag für Tag 6,5 % ihres Eigengewichts zu."

Um ihre Zuschreibung von Dominanz, Rücksichtslosigkeit und der Unfähigkeit zu sozialem Denken von männlich sozialisierten Menschen zu untermauern, schlägt sie im Buch, wie auch bei ihrer Lesung, Assoziationsübungen vor: Zerschlagene Bushäuschen, lärmende Gruppen in der U-Bahn, brennende Autos, überfallene Banken, Amokläuferoder häusliche Gewalt, welche Geschlechterbilder öffnen sich da im Kopf?

Soziale Verantwortung über eine Frauenquote

"Wenn wir den Karren wieder aus dem Dreck holen wollen, wird es Zeit, mal die anderen ans Steuer zu lassen - verantwortungsbewusste, sachorientierte, soziale und zur Selbstbeherrschung fähige Leute, Menschen, die in der Lage sind, maßvolle und für die ganze Gesellschaft vorteilhafte Entscheidungen zu treffen." So verlangt sie mehr Mut von der Vielzahl der in kleinen Projekten agierenden sozialen Menschen, um die Schaltstellen der Macht zu besetzen.

Nachdem Karen Duve für ihre Anklage die überwiegend männlich-gierigen Manager und Dominanten herausgearbeitet hat, adressiert sie ihren Hilferuf zu nichts weniger als der Rettung der Welt an die tendenziell sozial agierenden Frauen. Dabei schließt sie Männer nicht kategorisch aus - obwohl sie bei ihrer Buchvorstellung betont, einen biologistischen Ansatz zu vertreten - den sie jedoch als Blick auf "den durchschnittlichen Mann" verstanden haben will, der gewalttätiger sei, als "die durchschnittliche Frau".

Auch wenn Frau Duve in ihrer Wut manchmal über die Stränge schlägt und einen Biologismus anruft, der Anderen als Begründung für brutale Ausgrenzungen dient, will sie sich mit "den Frauen" einer Großgruppe von Menschen versichern, der ihren Recherchen nach die Menschheit eher am Herzen liegt.

AVIVA-Tipp: Trotz der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens brilliert die Autorin mit Sätzen trockener Komik, die unentschieden im Hals stecken bleiben, nicht wissend, ob Zustimmung, Lachen oder entschiedene Verneinung folgen müssen, da sie ihre Argumente intellektuell nicht immer stringent beleuchtet. Doch genau das ist ihr Stil und ihre Kritik, sie will nicht erneut allseits bekannte Analysen und die dazugehörigen Szenarien vorbeten, sondern zum raschen Handeln bewegen. Ob ihre Kassandrarufe eintreten, wird wohl erst die Zukunft zeigen.

Zur Autorin: Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Romane "Regenroman" (1999), "Dies ist kein Liebeslied" (2005), "Die entführte Prinzessin" (2005) und "Taxi" (2008) waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. 2011 erschien ihr Selbstversuch "Anständig essen", in dem sie die Frage aufwarf "Wie viel gönne ich mir auf Kosten anderer?" und damit eine breite Diskussion über Konsumverhalten auslöste.

Karen Duve
Warum die Sache schiefgeht
Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen

Galiani Berlin, erschienen Oktober 2014
Hardcover, gebunden mit Schutzumschlag, 183 Seiten
ISBN-13: 978-3-86971-100-3
12,00 Euro
www.galiani.de

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Interview mit Karen Duve (2008)

Karen Duve - Anständig Essen

Karen Duve - Taxi

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Gioconda Belli - Die Republik der Frauen

Naomi Klein: "No Logo" und "Über Zäune und Mauern"

Battle in Seattle - Spielfilm um Ereignisse des Weltwirtschaftsgipfels in Seattle 1999

Naomi Klein - die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus

Jutta Ditfurth - Zeit des Zorns

"The Story of Stuff. Wie wir unsere Erde zumüllen" von Annie Leonard

"Landleben. Von einer, die raus zog" von Hilal Sezgin

Good Food. Bad Food. Anleitung für eine bessere Landwirtschaft

"Tiere Essen" von Jonathan Safran Foer

Mehr Infos:

Tagesspiegel-Interview mit Karen Duve - www.tagesspiegel.de

3sat-Interview mit Karen Duve www.3sat.de




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Beitrag vom 12.12.2014

Helga Egetenmeier