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Beitrag vom 24.10.2014
Lola Lafon - Die kleine Kommunistin, die niemals lächelte. Verlosung
Helga Egetenmeier
Ein kleines zerbrechliches Mädchen wird weltweit begeistert gefeiert, als es mit riskanten Turnübungen mehrere Goldmedaillen für das...AVIVA verlost 3 Bücher
... kommunistische Rumänien einsammelt. Mit ihrer fiktionalen Biografie über den Turnstar Nadia Comaneci aus diesem im Westen bis dahin kaum bekannten Land, geht die Autorin Lola Lafon der Frage nach, wie gesellschaftliche Räume den weiblichen Körper formen und welche Wege Frauen offen stehen.
Den LeserInnen dürfte Rumänien durch die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und deren literarische Auseinandersetzung mit der Ceausescu-Diktatur bekannt sein. Eine zu dieser Zeit prominente Vertreterin dieses Staates porträtiert Lola Lafon mit der Leichtathletin Nadia Comaneci, indem sie deren öffentlich zugängliche Daten interpretiert und darauf eine fiktive Biografie aufbaut.
Die erste "perfekte 10,0" einer Olympiade
Nadia Comaneci wurde am 12.November 1961 in Onesti/Rumänien geboren und als sechsjähriges Mädchen von Trainer Bela Karoly für seine weibliche Leichtathletikmannschaft entdeckt. Unter seinem strengen Training, begleitet von einem enthaltsamen Leben, holte sie bei zwei Olympiaden (1976, 1980) fünf Goldmedaillen, und ging in die Sportgeschichte als erste Turnerin mit der sensationellen Bestnote von 10,0 ein.
"Wie soll man von einem kleinen Mädchen berichten, das gefährliche Übungen herunterbetet wie Kinderreime, die es bald über hat?" fragt sich die Autorin und schreibt lebhaft und mit spürbar großer Neugier an dieser faszinierenden Biographie, auf deren Figur sie erst nach einigen Recherchen über "Bewegung als Sprache des Lebens und des weiblichen Körpers" gestoßen ist.
Weibliches Sportwunder in der Diktatur
"Als ich klein war und die Leute erfuhren, dass ich sechs Stunden am Tag trainierte, war ich dieses ´arme kleine Mädchen´. Wäre ich ein Junge gewesen, hätte mich niemand bedauert, oder?", verteidigt sich Nadia und bekräftigt ihren eigenen Ehrgeiz und Willen zur Turnerinnenkarriere. Mit ihrem ernsthaften Auftreten sorgte das sportliche Wunderkind Rumäniens auch im Westen für eine Veränderung des Selbstbilds junger Mädchen, die nun ebenfalls ernst genommen werden wollten.
Immer wieder befragt die in Bukarest geborene Journalistin, Schriftstellerin und Musikerin, selbst ehemalige Tänzerin, durch ihre Kunstfigur auch sich selbst nach ihrer Vorstellung eines Lebens zwischen dem rumänischen Geheimdienst Securitate und dem kindheitsopfernden Drill der Sportschule. Doch die Nadia des Romans lässt sich nicht beirren und steht zu ihrem Leben: "Was von dem, was man zwischen sechs und sechzehn macht, habe ich verpasst? Hätte ich euer normales Leben geführt, was wäre ich dann heute?"
Auch westliche Staatsmänner nutzten die PR-Kraft des prestigeträchtigen Turnidols und ließen sich mit ihr von der Weltpresse ablichten. "Alle Sportler, die gewinnen, sind politische Symbole. Sie werben für Systeme. Damals der Kommunismus, heute der Kapitalismus." erklärt die literarische Nadia heute im Rückblick auf ihre Popularität in Rumänien.
Die kleine Fee wird zur Frau
Als Nadia Comaneci 1981 ihren Rücktritt erklärt, ist sie bereits 20 Jahre alt und ihr Körper zeigt deutlich feminine Formen. Die Presse beleidigt sie, ihr Trainer lehnt ihren "plumpen, fetten Körper" ab und auch in der Leichtathletik hat die ausgewachsene Frau gegen die konkurrierenden androgynen Mädchenkörper immer weniger Chancen. "Sie möchte einfach ihren Weg weitergehen, aber auch den Weg hat die ´Krankheit´ verändert, ihn mit neuen Problemen und Gefahren gespickt." begründet die erwachsene Nadia den Schrecken ihrer Menstruation und Pubertät.
Ebenfalls 1981 gerät der Staat Rumänien an den Rand der Zahlungsunfähigkeit und muss bei seinen ausländischen Gläubigern um eine Umschuldung ersuchen. Bis zum Ende der Ceausescu-Diktatur im Dezember 1989 folgt daraus eine Zeit großer Armut, ein striktes Abtreibungsverbot, verbunden mit einem faktischen Gebärzwang und einer steigenden Macht des Geheimdienstes. Im November 1989 flieht Nadia Comaneci über die Grüne Grenze bis in die USA. Lafon deutet an, dass die Flucht der Sportikone ein weiterer Impuls für den endgültigen Zusammenbruch der Diktatur gewesen sein könnte.
AVIVA-Tipp: Mit ihrem Kunstgriff, gleichzeitig eine romanhafte Biografie einer mehrfachen Olympiasiegerin zu schreiben und eine fiktive Auseinandersetzung mit der Porträtierten zu führen, gelingt es Lola Lafon, ihre Interpretationen für weitere Deutungen zu öffnen und dennoch eine schlüssige Figur der Nadia Comaneci zu entwickeln. Dadurch wird aus dem mit leichter Hand und viel Gefühl geschriebenem Roman eine lebendige Geschichtsstunde, die anhand der Entwicklung eines kleinen Mädchens die Verflechtungen zwischen dem weiblichen Körper, sportlichem Ehrgeiz und der rumänischen Diktatur während des Kalten Krieges beleuchtet.
Zur Autorin: Lola Lafon, geboren 1975, wuchs in Sofia, Bukarest und Paris auf. Nach einer kurzen Karriere als Tänzerin widmete sie sich dem Schreiben und Singen. Heute arbeitet sie als Journalistin, Schriftstellerin und Musikerin in Paris und bezieht immer wieder Stellung zu aktuellen politischen Themen. Mit "Die kleine Kommunistin, die niemals lächelte" erscheint ihr erster Roman auf Deutsch. Er löste in Frankreich eine Welle der Begeisterung bei Kritik und Publikum aus.
Mehr Infos unter: www.lolalafon.org
Zur Übersetzerin: Elsbeth Ranke übersetzte unter anderem die chinesisch-französische Schriftstellerin Shan Sa und Héléne de Beauvoir, für die Jean Rouauds-Übersetzung von "Schreiben heißt, jedes Wort zum Klingen bringen" wurde sie 2004 mit dem André-Gide-Preis ausgezeichnet.
Lola Lafon
Die kleine Kommunistin, die niemals lächelte
Originaltitel: La petite communiste qui ne souriait jamais
Ãœbersetzerin: Elsbeth Ranke
Piper, erschienen September 2014
Hardcover, gebunden mit Lesebändchen, 280 Seiten
ISBN-13: 978-3492056700
19,99 Euro
www.piper.de
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www.nzz.ch