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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 13.12.2012


Elisabeth Zöllner - Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife. Ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten. Verlosung
Claire Horst

Lange waren sie vergessen: Erst in den 1970er Jahren führte ein Fernsehbericht zur Rehabilitierung der oppositionellen Edelweißpiraten, die …AVIVA verlost 3 Bücher




... noch bis dahin als Kriminelle geführt wurden. Allgemein bekannt ist die Geschichte dieser Jugendlichen erst seit 1991.

Damals erschien der Film "Die Edelweißpiraten" von Niko von Glasow über diese jungen Menschen, die sich in losen Gruppen organisierten und der Militarisierung der Jugend in der HJ und dem bedingungslosen Gehorsam kritisches Denken, Freiheitsdrang und Individualismus entgegenstellten.

Große Aufmerksamkeit haben die Jugendlichen verdient, ein besseres Beispiel für zivilen Ungehorsam und Mut kann es kaum geben. Auch die Autorin Elisabeth Zöllner stellt die kreativen und lebensgefährlichen Aktionen der Edelweißpiraten an den Beginn ihres Romans: Neben der Verbreitung kriegszersetzender Graffitis und Flugblätter gehören dazu Überfälle auf Eisenbahnwaggons, um die benachbarten Kriegsgefangenen mit Nahrung zu versorgen oder Prügeleien mit den Anführern der HJ, der sich sonst kaum jemand entgegenzustellen wagt.

Eine bildhafte Darstellung, die eine Identifikation mit ihren HeldInnen ermöglicht, gelingt ihr durch die Erfindung zweier Hauptfiguren, die unterschiedliche Typen verkörpern. Der 17-jährige Paul ist nach den Kriterien der Nationalsozialisten "Halbjude". Als er 1943 den Befehl erhält, sich zur Deportation einzufinden, flieht er aus seinem westfälischen Dorf zu Fuß nach Köln und trifft dort auf Franzi, die ihn zu ihrer Gruppe mitnimmt.

Die zweite Hauptfigur, Bastian, arbeitet bei Ford – wie die meisten Edelweißpiraten und anders als etwa die Mitglieder der Weißen Rose gehört er der ArbeiterInnenklasse an. Auch das mag ein Grund dafür sein, dass die Edelweißpiraten bis heute kaum zu HeldInnen zu taugen scheinen – gegen die Glorifizierung der Nazi-Offiziere vom 20. Juli hat etwa der Arbeiter Georg Elser bis heute keine Chance.

Dass die Erzählung um Paul, Bastian, Franzi und ihre FreundInnen lebhaft ist und nicht wie eine lehrsame Abhandlung erscheint, ist Zöllners fantasievoller Darstellung ihrer HeldInnen zu verdanken. Sie konzentriert sich nicht ausschließlich auf die politische Einstellung ihrer ProtagonistInnen, sondern flößt ihnen Leben ein, indem sie als ganz normale Jugendliche dargestellt werden – mit Familienproblemen, Liebeskummer und Rivalitäten untereinander.

Bei der Darstellung der historischen Ereignisse hält Zöllner sich eng an die Tatsachen – Fachbegriffe und Daten sind fett gedruckt und werden in einem Glossar erläutert. So gibt es für den geflohenen KZ-Häftling Otto, der den Jugendlichen hilft, ein historisches Vorbild: Hans Steinbrück. Die Vermischung von fiktionaler Ausschmückung und der Darstellung der bedrückenden Realität ziehen die LeserIn in den Bann. Die Angst des Jungen Paul, der mit gefälschten Papieren in einem Schuppen überlebt und ständig Angst vor Entdeckung hat, die Befürchtungen der Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen, die Trauer um den erschossenen Freund Zack stellt Zöllner ebenso ergreifend dar wie die ganz alltäglichen spätpubertären Sorgen ihrer ProtagonistInnen.

Ein wenig störend sind einige Details, die nicht ganz in die Zeit zu passen scheinen. Dass Franzi vor Erwachsenen mit Paul knutscht, den sie gerade erst kennengelernt hat, dass "trampen" zum allgemein bekannten Grundwortschatz gehören soll, fällt jungen LeserInnen vielleicht nicht als falsch auf, passt aber nicht so ganz zum eigentlich sehr genau recherchierten Zeitkolorit des Romans.

Als ehemalige Lehrerin hat auch die Autorin Elisabeth Zöller den Anspruch, ihre jugendlichen LeserInnen nicht nur zu unterhalten, sondern ihnen auch etwas beizubringen. Leider gerät das manchmal zum Nachteil des Textes, wenn etwa Dialoge etwas steif daherkommen und einzig dem Zweck der Informationsvermittlung zu dienen scheinen. "Ach Mama […]Sieh dich doch um. Kein Stein auf dem anderen, kaum zu essen und jede Nacht im Keller. Du bist den ganzen Tag als Straßenbahnschaffnerin unterwegs, und wenn du mal keine Schicht hast, darfst du den Soldaten des Führers noch die Uniformschiffchen dekorieren."

Eine solche Dialogpassage informiert zwar über vieles: Die Mutter arbeitet also als Schaffnerin, wir befinden uns im Krieg, und von den Soldaten distanziert sich der Sprecher, ein 17-jähriger Junge, indem er sie als "Soldaten des Führers" bezeichnet. Alles richtig und wichtig. Aber hätte ein Junge 1943 so gesprochen? Und weiß die Mutter nicht selber, welchem Beruf sie nachgeht?

Beeindruckend ist dagegen das umfangreiche Unterrichtsmaterial, das als frei zugängliches PDF auf der Webseite der Autorin zu finden ist. Auf 63 Seiten ist der Roman aufbereitet, zusätzlich enthält das Dokument weiterführende Informationen zum Widerstand im Dritten Reich. Die im Roman erwähnten historischen Ereignisse, etwa Bombenangriffe auf den Handlungsort Köln, Deportationen oder das Attentat vom 20. Juli werden erläutert. Auch die Nachkriegsjustiz, die die zum Teil hingerichteten Jugendlichen bis in die 1970er Jahre als "TerroristInnen" ansah, wird erwähnt. Umfangreiche Links erleichtern den LehrerInnen die Unterrichtsvorbereitung, ebenso wie zahlreiche Vorlagen für Arbeitsblätter und Unterrichtsentwürfe.

AVIVA-Tipp: Ein gelungener Jugendroman, der packend erzählt und dem es trotz der bedrückenden Thematik gelingt, die ProtagonistInnen und LeserInnen am Ende mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu entlassen.

Zu der Autorin/Herausgeberin: Elisabeth Zöller ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Deutschlands. Ihr Roman "Schwarzer, Wolf, Skin" (unter dem Pseudonym Marie Hagemann 1993 bei Thienemann erschienen) erregte großes Aufsehen. Für ihr Buch "Anna rennt" (Gabriel, 2000) erhielt sie den Katholischen Jugendbuchpreis, für "Anton oder die Zeit des unwerten Lebens" (Fischer, 2004) den Gustav-Heinemann-Friedenspreis. Elisabeth Zöller lebt mit ihrer Familie in Münster.
Elisabeth Zöller wurde in Brilon geboren und hat Deutsch, Französisch, Kunstgeschichte und Pädagogik studiert. Sie arbeitete bis 1989 als Lehrerin. Seit 1990 schreibt sie Bücher für Kinder und Jugendliche in den Altersstufen von 4 bis 16 Jahren. (Verlagsinformationen und Informationen von der Webseite der Autorin)

Die Autorin im Netz:
www.elisabeth-zoeller.de


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Elisabeth Zöller
Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife. Ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Hanser Verlag, erschienen 24.09.2012
Fester Einband, 352 Seiten, empfohlen ab 12 Jahren
Preis: 16,90 Euro
ISBN 978-3-446-24024-7


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Beitrag vom 13.12.2012

Claire Horst