Kristin Feireiss - Wie ein Haus aus Karten. Die Neckermanns – meine Familiengeschichte. Verlosung - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Gewinnspiele



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 08.11.2012


Kristin Feireiss - Wie ein Haus aus Karten. Die Neckermanns – meine Familiengeschichte. Verlosung
Angelina Boczek

Die Autorin, 1942 in Berlin geboren, Gründerin der Architekturgalerie Aedes, Kunsthistorikerin und Verfasserin zahlreicher Werke über... AVIVA verlost 3 Bücher




... Architektur, zeigt schon mit der Wahl des Titels, um was es im Buch geht: Um ein "Kartenhaus", fragil und einsturzgefährdet – um das Haus Neckermann, einst das größte Versandhausunternehmen Deutschlands mit zahlreichen weiteren Wirtschaftszweigen – und um die persönliche, subjektive ("meine") Familiengeschichte Kristin Feireiss´.

Der Begriff Biographie oder Autobiographie fehlt, das Buch ist zwar chronologisch angelegt, jedoch hat die Autorin die fortlaufende Beschreibung von Ereignissen in der Familie, mit neun Kapiteln unterbrochen, die "Dazwischen" genannt werden.
In diesen "Dazwischen"-Kapiteln" schreibt sie über ihre spätere Berufskarriere, Reisen, Freundschaften, Beziehungen und von ihren Ehemännern und Kindern, von Menschen und Ereignissen also, die mit der Familie Neckermann, in der sie aufgewachsen ist, unmittelbar nichts zu tun haben.

Die neun Kapitel, die der Neckermannschen Familiengeschichte gewidmet sind, werden benannt als "Orte", "Erster Ort" bis "Neunter Ort": "Orientierung beim Erinnern wie beim Schreiben bieten mir die Wohnorte meiner Kindheit und Jugend. An ihnen ranken sich die Geschichten wie an einer Hauswand empor, um dort Halt zu finden, ...".
Kristin Feireiss beginnt ihre Aufzeichnungen mit dem Kennenlernen ihrer Eltern, lange vor ihrer Geburt, sie schildert ein elegantes, erfolgreiches Paar. Wir erfahren von den Großeltern väter- und mütterlicherseits und natürlich bereits von Josef und Annemi Neckermann, den späteren Pflegeeltern der jungen Kristin, da ihre eigenen Eltern, zusammen mit Kristins älterem Bruder, im Jahre 1948 durch einen Autounfall ums Leben kommen.

Die Autorin berichtet vom Beginn der Berufskarriere ihres eigenen Vaters Hans Lang, der nach 1933 als Textilkaufmann startete und wirft kritische Fragen zu seiner NSDAP-Mitgliedschaft ab 1942 auf, sie schreibt "von zweifelhaften beruflichen Aktivitäten (des Vaters) in Polen".
Sie schreibt auch über die häuslichen Bedingungen und familiären Beziehungen, die nicht nur von liebevoller Zuneigung geprägt sind. Auffallend ist, dass Kriegsschilderungen kaum eine Rolle spielen, zwar kam die Autorin erst 1942 zur Welt, jedoch recherchierte sie auch zu der davor liegenden Zeit.

Weit ausführlicher wird es wieder nach 1945. Kristin Feireiss nimmt Stellung zur Entnazifizierung und zu Schwarzmarktgeschäften ihres Vaters und ihres Onkels Josef Neckermann, im Buch durchgehend "Necko" genannt.

Ein ganzes Kapitel ist dem Tod ihrer Eltern gewidmet: "´Was wäre aus mir geworden, wenn meine Eltern und mein Bruder nicht tödlich verunglückt wären?´
Eine Frage, die noch heute mein Herz zusammenzieht,... - Es ist ein langer Prozess, bis ich lerne, mit der Unwiederbringlichkeit und der Sehnsucht umzugehen, bis ich die Sehnsucht in meinem eigenen Herzen verorten kann und nicht länger in anderen Menschen zu stillen hoffe. Es ist ein Prozess, in dem ich immer wieder verletze, mich selbst und andere."


Diese Stimmung des Verlassenseins durchzieht, bis auf die sachlichen Schilderungen, das ganze Buch. Die Aufnahme Kristins in der Familie ihres Onkels (Kristins Mutter war eine Schwester Joseph Neckermanns, es wird stets von den "Pflegeeltern" gesprochen), bedeutet für das sechsjährige Mädchen weder Halt noch Trost, auch ihre leiblichen Schwestern finden dort kein eigentliches "Zuhause".

Erst die sieben Jahre ab 1949, die Kristin bei ihrer warmherzigen Großmutter in Würzburg verbringt, scheinen ungetrübt, großzügig und frei: "In den Würzburger Jahren bin ich kein kompliziertes Kind. Den Tod meiner Eltern und meines Bruders, meine schwere Krankheit, die Trennung von meinen Geschwistern, all das habe ich hinter mir gelassen und vieles verdrängt. Ich habe meine Großmutter, ... Das Leben ist schön und voller Abenteuer".

Es folgen aber noch viele Jahre in der "Pflegefamilie" und im Internat: "Ich habe es meinen Pflegeeltern schwergemacht, und sie machen es sich leicht. Ich bin ein schwieriges Mädchen in einem noch schwierigeren Alter." Deshalb scheint es Necko und seiner Frau "das Beste" zu sein, das junge Mädchen in ein Internat abzuschieben: "In meiner Erinnerung an jene Jahre im Internat ist es immer Winter, obwohl das natürlich nicht der Realität entspricht. Dennoch ist das Gefühl von Kälte vorherrschend,...".

Die weiteren Berichte über das Verhältnis Kristins zu ihrer Pflegemutter Annemi, zum Pflegevater, ihren leiblichen und nichtleiblichen Geschwistern, zu den inzwischen vermögenden Verwandten, dem Leben in Frankfurt am Main, sind geprägt von weiteren Enttäuschungen, es heißt einmal, dass es auch gute Momente gab, "in denen ich die Vertrautheit zwischen mir und meiner Pflegemutter ebenso genieße, wie das vermeintliche Gefühl der Zugehörigkeit zum Familienunternehmen".

Die teilweise verwirrenden Familienverhältnisse, werden durch eine Familienstammtafel auf den Vorsatzpapieren des Buches klarer.
Der Aufbau des Buches in zweimal neun Kapitel ist gewöhnungsbedürftig, jedoch für die Verfasserin offensichtlich die einzig richtige Form für ihre Mitteilungen gewesen. Auch und vor allem z w i s c h e n den Zeilen finden sich anrührende Stellen, häufig ahnt mensch nur, wie es diesem Menschen ergangen sein muss, denn auf drastischere Darstellungen wird verzichtet.

AVIVA-Tipp: Natürlich wirft "Wie ein Haus aus Karten" – das Neckermann-Imperium stürzte bekanntermaßen tatsächlich ein – kein gutes Licht auf die internen Familienverhältnisse und schon gar nicht auf den Protagonisten Josef Neckermann.
Deshalb ist es um so mutiger von der Autorin, die Dinge so darzustellen, wie sie sie erlebt hat.

Zur Autorin: Kristin Feireiss, geboren am 1. Juli 1942 in Berlin, studierte Kunstgeschichte in Frankfurt am Main und Berlin. 1980 gründete sie zusammen mit Helga Retzer die Architekturgalerie Aedes in Berlin. Sie ist eine der bedeutendsten deutschen Architekturkennerinnen und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Band. (Quelle: Verlagsinformation)
Weitere Infos finden Sie unter: f3-kreativwirtschaft.de


AVIVA-Berlin verlost 3 Bücher. Bitte beantworten Sie dazu folgende Frage: Wo genau haben Kristin Feireiss und Helga Retzer die Architekturgalerie Aedes in Berlin gegründet und senden uns Ihre Antwort bis zum 31.01.2013 eine Email an folgende Adresse: info@aviva-berlin.de


Kristin Feireiss
Wie ein Haus aus Karten
Die Neckermanns. Meine Familiengeschichte

Ullstein Buchverlag, erschienen: 09.03.12
Gebunden mit Schutzumschlag, 352 Seiten
ISBN-10: 355008899x
ISBN-13: 9783550088995
Euro 19,99



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Beitrag vom 08.11.2012

Angelina Boczek