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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 05.07.2003


Azoren - Paradies an den Toren Europas
Ilka Fleischer

Mit seinem gleichnamigen Bildband verschafft Heinrich Kruparz tiefe Einblicke in die grüne Inselwelt am westlichsten Zipfel Europas - und weckt spontane Reiselust...





Die Azoren - Opfer menschlicher Unkenntnis? Schon die "Taufe" der grünen Perlenkette im Atlantik - am einen Ende rund 1450km am anderen 2100km von Lissabon entfernt - war das Produkt einer Wissenslücke: Die Namensgebung "Acores" erfolgte aufgrund der ornithologischen Halbbildung portugiesischer Seefahrer im frühen 15.Jahrhundert. Da sie glaubten, eine ungewöhnliche Anzahl von Habichten (= acores) rund um die Inseln entdeckt zu haben, wurde der Archipel entsprechend irreführend benannt. Eigentlich hatten sie jedoch Mäusebussarde gesehen, jene Greifvögel, die heute die azoreanische Flagge zieren.

Der Bildband Azoren - Paradies an den Toren Europas gehört - trotz seines Schwerpunktes auf visuellen Eindrücken - zu den wenigen deutschsprachigen Buchpublikationen, die diese und ähnliche Bildungsmankos kompetent beseitigen. Ihren Respekt vor dieser Leistung haben Maya Hüttermann und Mike Steffen folgendermaßen auf den Punkt gebracht:

"Selbst wer sich schon eine ganze Menge mit den Azoren auseinandergesetzt hat, wird sich an diesem Buch noch "schlau lesen" können. Deshalb ist der Ausdruck "Bildband" fast eine gemeine Untertreibung."

Licht in das Dunkel azoreanischer Vergangenheit und Gegenwart bringt der Autor und Fotograf Heinrich Kruparz insofern nicht nur mit seinen brillanten Fotografien von "Land und Leuten". Sondern auch mit den zweisprachigen (Deutsch-Englisch) Hintergrund-Informationen und Bildkommentaren zu Kultur und Traditionen, Politik und Wirtschaft, Flora und Fauna, Geschichte und Geographie des Insel-"Paradieses".

Über hilfreiche Skizzen wird so z.B. das Mysterium der "Interkontinentalität" erhellt: Obwohl die neun verwaltungstechnisch autonomen Azoren-Inseln politisch gesehen portugiesisches Territorium darstellen, können Insel-Hopper geographisch betrachtet zwischen drei Kontinenten wählen.
Zwar "reitet" der gesamte Archipel auf dem sog. Mittelatlantischen Rücken (MAR), einem vulkanischen Gebirgszug, der den Atlantik von Norden nach Süden durchzieht. Während allerdings die beiden Inseln Corvo und Flores auf der amerikanischen Kontinental-Platte liegen, befinden sich Faial, Pico wie auch Santa Maria auf der afrikanischen und Graciosa, Sao Jorge, Terceira und Sao Miguel auf der europäischen "Platte". So gesehen wird eine Tri-Kontinental-Reise selbst mit dem Schiff in nur wenigen Stunden möglich.

Allen Azoren-Inseln gemeinsam ist ihre unverkennbare vulkanische Prägung und ihr ähnliches Erscheinungsbild: In weitenteils kräftigem Grün erheben sich in ihren Zentren grandiose Vulkangebirge mit kreisrunden Riesenkratern (im Volksmund "Caldeiras" = Suppenschüsseln) und türkis-schillernden Kraterseen (lagoas).

Der jüngste Vulkanausbruch - im Bildband mit imposanten, historischen Fotografien dokumentiert - liegt zwar schon fast fünf Jahrzehnte zurück (1957/58 auf der Insel Faial). Das letzte schwere Erdbeben ereignete sich allerdings erst 1998, als Faial mit einer Stärke von 5,8 auf der Richterskala erschüttert wurde.
Überall auf den Inseln finden sich entsprechende Zeugnisse des Vulkanismus: der Kegelvulkan und höchste Berg Portugals Pico mit seinen 2351m auf dem gleichnamigen Eiland, nackt-schwarze oder auch üppig-bewachsene Lavafelder, brodelnde Schlammpfühle und Geysire und immer wieder - zumeist kleinere - Erdbeben.

Heinrich Kruparz gelingt es, sowohl die insularen Ähnlichkeiten als auch die sehr individuellen Profile der Inseln herauszuarbeiten. Abgesehen von zahlreichen topographischen Differenzen, der Alterskluft zwischen dem jüngsten Eiland Pico mit 200.000 Jahren und dem ältesten Santa Maria mit 14 Millionen Jahren sowie den immensen Größenunterschieden, die von 17qkm (Corvo) bis zu 760qkm (Sao Miguel) reichen, variieren die Eilande nicht zuletzt auch in kultureller Hinsicht.
Trotz seines naturwissenschaftlichen Backgrounds als Geologe skizziert der Autor die unterschiedlichen traditionellen Charakteristika in Porträts und Alltagsimpressionen nicht minder kompetent. Über detailliert kommentierte Aufnahmen des martialischen Stierkampfes "Tourada a bras" in Angra (Terceira), der maritimen Woche "Semana do Mar" in Horta (Faial) oder des religiösen Festes "Nosso Senhor do Santo Cristo" in Ponta Delgada (Sao Miguel) gewinnen die Inseln in ihrer spezifischen Prägung Gestalt.

Erst-Azoren-Reisenden erleichtert die Kruparz-Lektüre somit das Abstecken der Reiseroute erheblich. Und Azoren-Erfahrene werden sicherlich mit einigen Details versorgt, die sie bislang weder gelesen noch selbst erlebt haben. In jedem Falle bietet sich der rundum geglückte Fotoband sowohl zur anregenden Einstimmung als auch zum revue-passierenden Rückblick auf eine Azoren-Reise an.

Nach so viel "theoretischem" Input und non-empirischer Inspiration kann man jedenfalls kaum umhin, die praktischen Erfahrungslücken zu schließen...





Heinrich Kruparz
Azoren
Paradies an den Toren Europas

Weishaupt Verlag (2001)
ISBN 3-7059-0122-2
21,5 cm x 30 cm, 192 Seiten, 180 Farbfotos
Sprache: deutsch/ englisch, Maße:21x30cm
Preis: 39,90 Euro



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Beitrag vom 05.07.2003

AVIVA-Redaktion