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Beitrag vom 25.02.2011
Studie des Institut für Demoskopie Allensbach zu Kommunikationsstilen und -welten von Frauen und Männern
Kristina Auer
"Typisch Frau, typisch Mann? Kommunikationsstile zwischen Klischee und Wirklichkeit" war der Titel der Studie, deren Ergebnisse am 23. Februar 2011 von der Geschäftsführerin des Instituts für...
... Demoskopie Allensbach, Prof. Dr. Renate Köcher, im 19. Stock des Axel-Springer-Hochhauses in Berlin vorgestellt wurden.
"Obwohl sich sowohl das Bildungsniveau als auch die Erwerbstätigkeit stetig angeglichen hat, leben Männer und Frauen immer noch in unterschiedlichen Kommunikationswelten", sagte Prof. Dr. Renate Schröter zum Auftakt der Pressekonferenz. Aber nicht nur diese Feststellung, auch Erklärungsmodelle für diesen Umstand sollte die Studie liefern.
Die Untersuchung, die im Rahmen der Studienreihe "Gesprächskultur in Deutschland" von "Jacobs Krönung" in Zusammenarbeit mit "Bild der Frau" in Auftrag gegeben wurde, basiert auf Interviews mit 1.852 Personen ab 16 Jahren, die zwischen November und Dezember 2010 geführt wurden. Nachdem in den vorangegangen Studien aus den Jahren 2009 und 2010 zunächst das Gesprächsbedürfnis und daraufhin die Auswirkungen der Neuen Medien auf das Kommunikationsverhalten der befragten Personen untersucht worden waren, dreht sich die aktuelle Studie um Unterschiede im Sprech- und Konversationsverhalten von Männern und Frauen.
Gesprächsthemen
Im Laufe der Studie wurden zunächst die Interessensgebiete der befragten Personen untersucht, wobei sich ergab, dass sich Frauen und Männer nach wie vor für geschlechtsrollentypische Themen interessieren. Aus diesen unterschiedlichen Interessensgebieten ergeben sich unterschiedliche Gesprächsthemen. So gaben 65% der befragten Männer an, sich gern über Sport zu unterhalten, während 65% der Frauen das Thema Familie als Gesprächsthema favorisierten.
Ebenso wie unterschiedliche Gesprächsthemen konnten im Verlauf der Studie aber auch zahlreiche gemeinsame Themen wie Neuigkeiten aus dem Bekanntenkreis (58% der Männer, 75% der Frauen), Reisen (58% der Männer, 62% der Frauen) und Beruf (55% der Männer, 48% der Frauen), ausgemacht werden.
Prof. Dr. Köcher machte außerdem auf eine Entwicklung im Interessensspektrum von jungen Menschen aufmerksam: Während im Jahr 2000 noch sowohl bei den männlichen als auch den weiblichen Unter-30-Jährigen ein überdurchschnittlich breites Interessensspektrum festgestellt worden war, sank die Anzahl der männlichen Befragten mit vielen Interessen bis zum Jahr 2010 erheblich, die Zahl der vielfältig interessierten Frauen hingegen blieb gleich. Dieser Rückschritt lässt sich Köcher zufolge darauf zurückführen, dass viele junge Männer mittlerweile ausschließlich das Internet als Informationsmedium benutzen, während junge Frauen zusätzlich auch das Angebot der Printmedien in Anspruch nehmen. "Das Internet ist darauf ausgelegt, gezielte Informationen zur Verfügung zu stellen," erläuterte Köcher. "Somit kommen Nutzer nicht mehr per se mit einer großen Vielfalt an Themen in Verbindung und das Interessensspektrum verengt sich."
Kommunikationsstile
Auch die Einschätzungen zu Kommunikationsstilen von Männern und Frauen sind von Geschlechterklischees durchzogen. So wird Frauen unter anderem zugeschrieben, sie sprächen gerne über Gefühle (89 % der Befragten), Beziehungsfragen (82%) oder redeten sich den Frust von der Seele (75%). Für männlich halten es die Befragten hingegen, sich klar und direkt auszudrücken (63%), persönliche Probleme nüchtern und sachlich zu besprechen (56%) oder die Gesprächsführung zu übernehmen (ebenfalls 56%).
Andererseits macht die Studie jedoch auch deutlich, dass die befragten Personen bei einem Großteil von Eigenschaften im Gesprächsverhalten keinen Geschlechterunterschied ausmachen konnten. 47% der Frauen und Männer waren zum Beispiel der Meinung, dass die Tatsache, ob eine Person viel über sich selbst redet und gern im Mittelpunkt steht, nicht von deren Geschlecht abhänge. Unerheblich befanden 50% der Frauen und 47% der Männer den Geschlechterunterschied bei der Fähigkeit, die/den GesprächspartnerIn ausreden zu lassen. 54 % der Frauen und 43% der Männer fanden außerdem, dass die Eigenschaft, sich zu Dingen zu äußern, die eine/n nichts angehen, vom Geschlecht unabhängig ist.
Vorgesetzte und Politikerinnen
Prof. Köcher sieht eine bedeutende Bewusstseinsveränderung der Bevölkerung in den Studienergebnissen, welche die Einstellung gegenüber weiblichen und männlichen Vorgesetzen betreffen: Auch wenn 46% der Befragten der Meinung sind, männliche und weibliche Vorgesetzte verhielten sich unterschiedlich, ist es 57% der Personen egal, ob sie einen Mann oder eine Frau als ChefIn haben.
Auch die Eigenschaften männlicher und weiblicher Vorgesetzter werden kaum unterschiedlich beurteilt. Frauen wurden im Schnitt lediglich etwas öfter als verständnisvoll und als Personen beschrieben, die nicht nur über Geschäftliches reden und öfter Lob aussprechen als Männer.
Ähnlich wird auch das Verhalten von Politikerinnen und Politikern beurteilt. Als nach verschiedenen Eigenschaften gefragt wurde, konnten die meisten befragten bei dem größten Teil der Verhaltensweisen keinen Geschlechterunterschied bestätigen.
Quote
Als die Journalistin Amelie Fried, welche die Pressekonferenz moderierte, Prof. Dr. Renate Köcher nach ihrer Meinung zur Frauenquote in der Wirtschaft fragte, zeigte sich diese skeptisch. Das Problem sei weniger das Fehlen einer Quote, als dass es in Deutschland eine tief verwurzelte Tradition der Unterteilung von Zuständigkeiten gebe. "Zuerst einmal müsste allgemein anerkannt werden, dass die Vereinigung von Familie und Beruf in nur einer Person nun mal nicht möglich ist", erläuterte die Professorin, die selbst Mitglied in mehreren Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen ist. "Das Kernproblem ist, dass die Meinung, die Berufstätigkeit von Frauen schade der Familie, immer noch weit verbreitet ist." So käme es zustande, erläuterte Köcher, dass viele Frauen nicht den Willen entwickelten, Führungspositionen zu erreichen. "Wir brauchen eher eine kulturelle Revolution statt einer Quote", sagte Köcher abschließend.
Fazit: Eine wenig aussagekräftige Studie
Festzuhalten bleibt, dass die Studie "Typisch Frau, typisch Mann?" weniger die tatsächlichen Kommunikationsstile von Frauen und Männern zum Vorschein gebracht hat, als vielmehr die Zuschreibungen und Klischees, die in Bezug auf das Sprechverhalten immer noch mit Geschlecht in Verbindung gebracht werden. Die Personen wurden lediglich zu ihren Ansichten befragt, die Ergebnisse können daher nur ein breites Meinungsbild zeigen, keineswegs aber Aufschluss darüber geben, ob die benannten Unterschiede in Auftreten und Konversationsverhalten tatsächlich existieren oder nicht. Vielleicht wäre eine linguistische Studie sinnvoller gewesen, die beispielsweise untersucht, wie oft Frauen und Männer bestimmte Wörter benutzen, wie sie einen Redebeitrag beginnen oder wie laut sie sprechen. Auf diese Weise würden nicht nur Stereotype bestätigt ,sondern zuerst darauf überprüft, ob diese stimmen oder nicht.
Weitere Infos zur Studie finden Sie unter:
www.gespraechskultur-in-deutschland.de
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