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AVIVA-BERLIN.de im August 2024 - Beitrag vom 10.07.2024


Auch vor dem Dyke* March macht der Antisemitismus keinen Halt
Jara D.

Der Dyke* March Berlin findet dieses Jahr am 26. Juli statt. Im Vorfeld gab es einen sehr problematischen Post auf dem offiziellen Instagram Account des Orga-Teams. Nach ein paar Tagen wurde der Post gelöscht. Eine Gruppe jüdischer Queers und Allies wollte dazu mit den Veranstalter*innen und Organisator*innen in einen Austausch treten...






Am 8. Juli 2024 fand eine Soli-Party in der Party-Location Möbel Olfe in Berlin-Kreuzberg statt. Eine Gruppe jüdischer Queers und Allies ging gemeinsam dorthin. Ganz bewusst haben sie sich entschieden, keine Nationalsymbole oder Nationalflaggen bei sich zu tragen. Es ging ihnen darum, sich als jüdische queere Menschen sowie Allies sichtbar zu machen und zu zeigen, dass es sie gibt, dass sie außerdem gesprächsbereit sind, dass sie sich Sorgen machen um ihre Sicherheit in queeren Räumen und dass israelische sowie jüdische Queers nicht allein sein müssen. Die Gruppe wollten mit den Veranstalter*innen und Organisator*innen in Kontakt treten.

Bevor sie in das Möbel Olfe gingen, haben sie mit einer Person aus dem Orga-Team gesprochen. Sie haben gefragt, ob der Kommentar auf Instagram eine Gruppenentscheidung oder wie ihnen vorher durch eine Person des Ordner*innen-Teams kommuniziert wurde ein Alleingang einer einzelnen Person. Es wurde gesagt, dass es "kein Alleingang" gewesen sei, dass es aber intern Unstimmigkeiten und Gespräche gab und gibt und die Kommentarspalte nicht mehr zu händeln gewesen sei (es waren 50 Kommentare zu dem Zeitpunkt, als der Post gelöscht wurde). Deswegen habe man sich "dazu entschieden den Post zu löschen". Als die Gruppe der jüdischer Queers und Allies darauf aufmerksam machte, dass der Kommentar auf Instagram zutiefst antisemitische Klischees bediene, wurde ihnen entgegnet, dass dies "Auslegungssache" sei. Die Gruppe verwies darauf, dass es eine ganz klare Definition von Antisemitismus gibt und sie keine Debatte darüber führen werden, wie man Antisemitismus definiert. Sie haben gefragt, ob es einen Plan für die Sicherheit von jüdischen Personen gibt, die am Dyke* March teilnehmen wollen, so etwas wie ein Sicherheitskonzept. Man hat ihnen gesagt, es wird Ordner*innen geben wie auf jeder anderen Demo auch, an die sich jede*r wenden kann. Auf ihre Frage, ob es Regulationen wie das Verbieten von Nationalflaggen geben wird, wurde ihnen gesagt man wünscht sich keine Präsenz von Nationalflaggen, aber man wird niemanden verbieten eine Palästina-Flagge zu hissen. Ihnen wurde gesagt alle werden mitlaufen dürfen und es wird nicht zu Konflikten kommen.

Hamas Dreiecke machen Werbung für den Dyke* March

Als die Person des Orga-Teams auf den Flyer angesprochen wurde, der rote Hamas-Dreiecke neben dem Olfe-Schriftzug abbildet, wurde die Gruppe ausgelacht und ihre Sorgen als "Interpretation" abgetan. Dass auf das Flyer-Bild kein Filter gelegt wurde und die Dreiecke (auf dem Dach neben dem Möbel Olfe-Schriftzug eigentlich in gelber Farbe) rot überzeichnet wurden, ist deutlich erkennbar. Die Person meinte dann sie hat keine Zeit für eine längere Debatte, da sie nun arbeiten müsse, würde das Anliegen aber ins Orga-Team weitergeben.

Nachdem die Gruppe jüdischer Queers und Allies sich entschieden hatte, trotzdem reinzugehen, suchte sie sich einen Platz und legte ein Plakat mit der Aufschrift "safe table for Jews and Israelis" auf ihren Tisch; zudem hängte sie eine Regenbogenflagge mit dem Magen David auf. Bereits zu diesem Zeitpunkt bekam sie vereinzelte böse Blicke. Auf ihrem Plakat hatten sie Sticker der Regenbogenflagge mit dem Davidstern und einige mit dem Slogan "Believe Israeli Women"



Ein Davidstern führt zur Eskalation

Es kamen immer mehr Menschen die Pali-Tücher trugen. Und es gab welche, die sie sich erst umlegten als sie die jüdische Queer-Gruppe sahen. Nach einem ruhigen Gespräch mit einer Person, die sich ihnen gegenüber zwar kritisch aber dennoch interessiert gezeigt hat, kam eine Mitarbeiterin des Olfe und bat sie ihre Flagge einzupacken. Neben ihr stand eine Person im weißen Hemd, die zeitnah anfing die Gruppe anzuschreien: dass in der Möbel Olfe kein Platz für sie sei und das Olfe sich darüber einig sei. Eine Person fragte sie "in der Olfe gibt es keinen Platz für Juden und Jüdinnen?", und sowohl die Mitarbeiterin der Olfe als auch die Person neben ihr im weißen Hemd antworten, dass "hier kein Raum für euch" sei. Sie sagte sie sollen die Flagge nun einpacken, da man in der Olfe keine "nationalistischen Symbole" sehen möchte, wenn ein Mensch im Fußballtrikot auftauchen würde, würde man ihn auch bitten zu gehen. Die Gruppe trug allerdings keine nationalistischen Symbole bei sich und erklärte, dass die Flagge ein Zeichen des queeren Judentums sei. Die Personen mit Pali-Tüchern, klare nationalistische Symbole, wurden nicht gebeten diese einzupacken oder zu gehen. Eine unbeteiligte Person schritt schließlich ein und hat sich vor der Gruppe positioniert. Ca. 50 Personen haben sich inzwischen vor der Gruppe versammelt. Sie sagte, die Gruppe dürfe hier nicht sein. Sie wurden von der Menge als "Zionistenschweine", "zionist rapists", "Faschisten" und "genocide supporters" beschimpft, mehrfach aufgefordert zu gehen und bedrängt. Eine Person versuchte, die Flagge von ihrem Tisch zu reißen und das Plakat wegzunehmen. Die unbeteiligte Person fragte die Person im weißen Hemd, ob sie die BDS-Bewegung unterstütze, worauf diese sagte "ja ich stehe dahinter". Die Menge stimmte schließlich im Chor "free free palestine" und "shame on you" an, zwischendurch wurde die Gruppe der jüdischen Personen und Allies immer wieder als Faschisten beschimpft. Sie wurden dann schließlich von der Dyke* March Orga aufgefordert zu gehen, damit der Abend weitergehen könne. Als sie sich weigerten, wurde wieder ein "shame on you"-Chor angestimmt.

Schließlich entschied die Veranstalterin, die Party zu beenden. Auch hier wurden die jüdischen Personen wieder als Erste aufgefordert zu gehen, was sie verweigerten, da sich mittlerweile auch draußen vor der Türe eine Horde Menschen angesammelt hatte. Von außen wurde an das Fenster geschlagen, bedrohende Gesten wurden gezeigt.

Währenddessen wurde die Gruppe weiter und weiter beschimpft. Als sie sich weigerten zu gehen, wurden sie von der Türsteherin wie auch vom Bar-Personal mehrfach lautstark angegangen und aufgefordert zu gehen. Als sie darauf hinwiesen, dass sie nicht einfach gehen können, weil draußen eine aufgebrachte Menschenmenge auf sie warte, wurden sie ausgelacht und gefragt, ob sie denn Angst hätten. Die Gruppe habe mehrfach Richtung Barpersonal gerufen und gebeten, dass die Polizei gerufen wird. Nach einer Weile hatten die meisten Gäste die Bar verlassen und das Team der Olfe und das Team des Dyke* Marches meinte, sie haben jetzt die Bar zu verlassen, wie alle anderen auch. Allerdings stand die Menge, die sie vorher angebrüllt und bedroht hat vor dem Eingang der Bar und sie hatten Angst um ihre Sicherheit und haben einen halbwegs ruhigen Moment genutzt, um selber die Polizei anzurufen.

Gleichzeitig haben die Mitarbeitenden weiter Druck auf sie ausgeübt. Man konnte ihnen die Angst und Panik ansehen, zu dem Zeitpunkt hat eine von ihnen bereits geweint. Die Mitarbeitenden warfen ihnen vor sie hätten die Situation provoziert und seien "schuld daran, dass die Party abgebrochen werden musste", "ihr habt uns den Abend ruiniert", "ihr seid unsolidarisch". Zwei Personen konnten dem Druck des Personals nicht standhalten und gingen durch den zweiten Eingang, wo zu dem Zeitpunkt die Traube der anderen Gäste nicht stand, diese waren auf der anderen Seite, weil sie die Bar durch den anderen Eingang zuvor verlassen hatten. Die zwei standen nur sehr kurz vor der Tür. Im gleichen Moment kamen zwei Leute um die Ecke auf sie zu und der Rest der Gruppe kam hinter ihnen aus der Tür der Bar. Die zwei Leute haben sich bedrohlich vor ihnen aufgebaut mit einem Bierglas und einer Bierflasche in der Hand und eine Person aus der Gruppe hat panisch angefangen an die Tür hinter ihr zu klopfen, auf die Hoffnung, dass ihnen aufgemacht wird und sie zurück in die Bar können. Die eine Person hat die Gruppe bespuckt und in der Bar machte ihnen niemand auf. Inzwischen kamen mehr Leute um die Ecke. Gesichter, die die Gruppe aus der Bar, erkannten. Sie bauten sich vor ihnen auf. Die Panik und Angst wuchsen, es war genau der Fall eingetreten vor dem sie so große Sorge hatten. Indem Moment erreichte die Polizei die Szene und separierte die Gruppe von dem Pulk.

Antisemitismus ist kein Einzelfall

Dieser Abend war kein Einzelfall. Er hat gezeigt, dass die Sorgen, die mit der Person des Orga Teams am Anfang des Abends geteilt wurden, berechtigt sein. Er hat gezeigt, dass der Antisemitismus in jeder Gesellschaftsschicht vorhanden ist, und keinen Halt vor progressiven, linken und queeren Räumen macht und, dass der Dyke* March Berlin kein sicherer Ort für Juden und Jüdinnen sein wird. Nach diesem Abend ist klar, dass man nicht mit Regenbogenflaggen mit Davidstern auf dem Dyke* March Berlin mitlaufen kann, ohne berechtigte Angst um seine Sicherheit haben zu müssen. Es muss ein Sicherheitskonzept und eine klare Positionierung gegen jede Form des Antisemitismus geben. So etwas darf und sollte nicht passieren.



Copyright Foto: L. Reim
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Beitrag vom 10.07.2024

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