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Beitrag vom 25.08.2011
Mord an der Gerechtigkeit - Verdächtiger im Fall Politkowskaja festgenommen
Katharina Höftmann
Am 07.10.2006 wurde Anna Politkowskaja in ihrem Wohnhaus in Moskau erschossen. Die russische Journalistin und Schriftstellerin war für ihre kritische Berichterstattung bekannt...
Die internationale Presse reagiert mit Bestürzung und Zorn auf die Nachricht von dem Tod der Russin, die Tat sei ein Symbol für das Russland Putins, das längst wieder zum Autoritarismus zurückgekehrt sei.
Anna Politkowskaja arbeitete als Redakteurin bei der letzten durchgehend kritischen Zeitung Russlands
"Novaja Gaseta" und veröffentlichte mehrere Bücher, die die russische Politik an den Pranger stellen.
Sie stand seit einiger Zeit auf der schwarzen Liste der Regierung. Besonders der Konflikt mit Tschetschenien beschäftigte die Reporterin, mit Kompromisslosigkeit berichtete sie von den Grausamkeiten, die von tschetschenischer und russischer Seite verübt wurden und machte nicht davor halt, Verantwortliche mit Namen zu benennen. Das wurde der zweifachen Mutter zum Verhängnis - Kritik ist in Russland nicht grundsätzlich verboten, solange die Anonymität gewahrt wird.
Die
Situation der Pressefreiheit in Russland gilt schon länger als bedenklich, da sich ein Großteil der Medien in staatlichem Besitz befindet - das erschwert eine unabhängige und auch differenzierte Berichterstattung. Selbst die Medien, die in den Händen von wirtschaftlich mächtigen Akteuren sind, unterliegen Restriktionen durch den Staat. Regierungskritische Blätter werden von den Behörden oft schikaniert, einzelne JournalistenInnen bedroht.
Politkowskaja sagte selbst einmal in einem Interview, das in der österreichischen Onlinezeitung
"Der Standard" erschien
"Es ist tödlich, mein Informant zu sein".
Sie war sich durchaus der Gefahr bewusst, in der sie schwebte, so nahm sie zeitweise auch Personenschutz in Anspruch. Dass es nötig war, bewies sich immer wieder durch Morddrohungen und Anschläge:
Auf ihrem Flug zur Geiselnahme nach Beslan kippte jemand der Russin Gift in den Tee, auch stand sie mehrmals kurz davor, vom russischen Geheimdienst verhaftet zu werden.
Doch das konnte die Gerechtigkeitskämpferin nicht aufhalten.
Sie war Rechercheurin und Investigatorin, die politische Analyse selbst überließ sie anderen.
Kurz vor ihrem Tod hat sie an einem neuen Enthüllungsartikel gearbeitet. Die russische Polizei hat das Material nach ihrem Tod sichergestellt - wahrscheinlich wird es nie wieder auftauchen. Überraschend ist es auch nicht, dass der
Kreml bisher keine öffentliche Stellungnahme zu dem Mord gegeben hat. Die "Novaja Gaseta" hat ein Kopfgeld auf den Mörder erhoben, wahrscheinlich aber ist dieser auch nicht mehr am Leben. Die Aufzeichnungen der Überwachungskamera am Tatort zeigen den Killer unmaskiert, dieses unprofessionelle Verhalten spricht dafür, dass die Auftraggeber inzwischen auch ihn beseitigt haben.
Es zeichnet sich ab, dass es sich um ein
präzise organisiertes Verbrechen handelt, das Motiv bezweifelt niemand.
Als Anstifter wird u.a. Ramsan Kadyrow verdächtigt. Politkowskaja hatte erst vor kurzem angekündigt, einen Artikel über die Machenschaften des tschetschenischen Regierungschefs zu veröffentlichen. In einem
Interview bezeichnet sie Kadyrow als
"bis an die Zähne bewaffneten Feigling, der sich von seiner Wache umringen lässt".
Weltweit sind seit 1996 aufgrund ihrer Arbeit 46 Journalistinnen ermordet worden. Auch
in Russland kommen immer wieder RedakteurInnen auf mysteriöse Weise ums Leben. Bereits 4 Journalisten waren es bisher 2006.
Anna Politkowskaja ist die erste Frau in diesem Jahr.
Die Gegnerin des russischen Regimes hat vor nichts und niemand Halt gemacht, sie stand im Dienste der Wahrheit.
Dafür musste sie jetzt bezahlen, am 7. Oktober 2006 ist auch ein Stück Gerechtigkeit gestorben.
(Quellen: Stern, Der Standard, RP-Online)