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Beitrag vom 02.07.2002
NPD-Verbotsverfahren in der nächsten Phase
Meike Bölts
Darf die Affäre um die V-Leute das NPD-Verbotsverfahren kippen?
Bundesregierung, Bundestag und die Länder legten bereits am 31. Juli 2002 Angaben über V-Leute innerhalb der NPD vor: In den Vorständen der NPD in Bund und Ländern habe es zu keinem Zeitpunkt mehr als 30 V-Leute des Verfassungsschutzes gegeben - also nie mehr als 15 Prozent. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Stellungnahme eingefordert, nachdem Anfang des Jahres im Verlauf des NPD-Verbotsverfahrens bekannt wurde, dass Aussagen von eingeschleusten Verbindungsleuten als Beweise im Verbotsverfahren dienen sollten.
Durch die Stellungnahme soll belegt werden, dass die NPD nicht durch den Verfassungsschutz gesteuert wurde. Sie enthält detaillierte Zahlen zu den Einsatzbereichen der V-Leute. Die Antragssteller des Verbotsantrages haben bisher davon abgesehen, die Klarnamen der V-Leute bekannt zu geben. Prinzipiell haben sie dem Gericht eine Offenlegung angeboten - allerdings mit dem Einwand, dass damit die Arbeit des Verfassungsschutzes hinfällig sei und für die Sicherheit der V-Leute nicht mehr garantiert werden könne.
Der Vorsitzende des Zweiten Senates in Karlsruhe hat verfügt, dass der NPD die Stellungnahme vorgelegt wird, damit sie ihrerseits bis Ende August eine Erklärung formulieren könne. Der NPD-Anwalt Horst Mahler sprach bereits "von der völligen Beseitigung des Rechtsstaates im Gerichtsverfahren".
Währenddessen erhärten sich dieVorwürfe gegenüber dem Verfassungsschutz, dass V-Leute in der rechtsradikalen Szene stärker als bisher angenommen an Straftaten beteiligt waren. Wie der "Spiegel" Mitte August berichtete, sei zum Beispiel der vom Kölner Verfassungsschutz eingesetzte V-Mann Mirko H. aus Sachsen straffällig geworden: Er gehörte über lange Zeit dem Führungskader der "Hammerskins" an und vertrieb rechtsradikale Musik im ganz Deutschland. Zur Zeit sitzt Mirko H. eine zweijährige Haftstrafe wegen der Mithilfe bei der Produktion einer CD der rechtsradikalen "Landser" ab.
Die Fragen lauten nun: Inwieweit wurde und wird die NPD von V-Leuten beeinflusst? Wird das Bundesverfassungsgericht dem NPD-Verbotsantrag zustimmen? Oder ist die Beweislage durch die Aussagen der V-Leute nicht eindeutig genug? Liegt prinzipiell eine verfassungsfeindliche Gesinnung innerhalb der NPD vor? Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich in einer Erörterung am 8. Oktober 2002 Stellung zu den V-Männern und ihrer Rolle innerhalb der NPD nehmen.
Parallel zu den bisher laufenden Ermittlungen hatten Bündnis 90/Die Grünen ein Gutachten zum antisemitischen Gedankengut der NPD beim Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin in Auftrag gegeben. Im Gegensatz zum Verbotsantrag stützt sich die Studie ausschließlich auf Publikationen, die von der NPD als Partei zu verantworten sind. Die Grünen erklärten Ende Juli: "Die NPD-Verbotsanträge sind ausreichend begründet... Nach der Studie ist Antisemitismus ein konstitutives Element der von der NPD verbreiteten Ideologie. Antisemitismus äußert sich häufig nicht in strafrechtlich relevanter, sondern in indirekter Form als Andeutung oder Anspielung ... Die Studie stützt die Verbotsanträge von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat" (Quelle: Pressestelle der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen).
Die mehr als fragwürdige Arbeit des Verfassungsschutzes innerhalb der rechten Szene darf das NPD-Verbotsverfahren nicht kippen. Denn auch über die Aussagen der V-Leute hinaus ist die Verfassungsfeindlichkeit und der Antisemitismus der NPD kaum in Frage zu stellen. Bleibt zu hoffen, dass nach einem Verbot der NPD das Sammelsurium an antisemitischem, diskriminierenden, ausländer- und verfassungsfeindlichen Gedankengut keine neuen Kanäle finden kann!
August 2002