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Beitrag vom 27.01.2003
Frauenforschung - Frauen in der Geschichte der Informationstechnik
Gerlinde Behrendt
Von Ada Lovelace bis Sandy Stone: Ein Projekt der Diplom-Informatikerin Veronika Oechtering an der Universität Bremen bietet hierzu Unterrichts- und Informationsmaterial an
In der Publikation werden einzelne Pionierinnen der Informationstechnik vorgestellt. Zugleich fragt Oechtering die Möglichkeiten der Frauen ab, sich jeweils in ihrer Zeit auszubilden und die erworbenen wissenschaftlichen Fähigkeiten wirkungsvoll einzusetzen. Damit verbunden ist ein Blick in klassische und neue Frauenerwerbsbereiche mit Berufen wie Rechnerin, Datentypistin oder Programmiererin.
Informatik und Mathematik im Beruf
Oechtering stellt klar heraus: Das Fundament aller herausragenden Leistungen in der Informatik ist die Ausbildung in Mathematik. Erst der Zugang zu besserer Ausbildung ermöglichte es Frauen, auch in technische Berufe hineinzugelangen. Frauen haben zur Entwicklung der Informationstechnik entscheidend beigetragen, aber viele von ihnen sind unbekannt geblieben. Männliche Erfinder (oft ihre Ehemänner) wurden von der Öffentlichkeit eher wahrgenommen und anerkannt. Bei den Lebensläufen wird deutlich, dass Informatikerinnen meistens nicht dem jeweils geltenden bürgerlichen Frauenideal entsprechen. Ihre Strategien zur Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit werden in den Veröffentlichungen dargestellt, ebenso wie ihr Engagement für andere Frauen oder für andere gesellschaftliche Belange.
Der geschichtliche Abriss beginnt in der Antike, der frühen Periode der Aufteilung der menschlichen Arbeit in "Berufe": Seither werden Frauen dem familiennahen Bereich zugeordnet. Mathematik blieb zu dieser Zeit den Philosophischen Schulen - und somit den Männern - vorbehalten. Erst mit der "industriellen Revolution" begann die Frauenarbeit generell, zum ökonomisch notwendigen Faktor zu werden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fingen die Frauen allmählich an, in Büros und Kontoren zu arbeiten - Rechenmaschinen und Kassen wurden "weibliche" Arbeitsgeräte.
In dem Frauenforschungsprojekt beschäftigte frau sich auch mit der paradoxen Tatsache, das der Krieg den Frauen - zumindest vorläufig - dabei geholfen hat, in Männerdomänen vorzudringen: Im 2. Weltkrieg übernahmen Frauen die Arbeitsplätze eingezogener Männer in Industrie und Ausbildung, Ingenieursarbeiten waren besonders gefragt, die Rechenlabors in Amerika und Europa "rekrutierten" eine enorme Anzahl von Frauen. Nach Kriegsende wurde diese "weibliche Reservearmee" wieder entlassen. Einflussreiche Positionen wurden an Männer - Kameraden aus dem Krieg - vergeben. Die Teilhabe von Frauen an Forschung und technologischer Entwicklung wurde damit für Jahrzehnte zurückgeworfen. Die verbleibenden Frauen hatten zudem darunter zu leiden, dass ihre Arbeiten - für Militär und Großindustrie - immer noch der Geheimhaltung unterlagen und sie ihre Forschungsergebnisse nicht publizieren durften. Immerhin kamen Großrechner fortan auch im zivilen Bereich zum Einsatz.
Mit der rasanten Entwicklung des Personal Computers - verbunden mit der gesteigerten wirtschaftlichen Produktivität und Personalknappheit - boten sich erneut Chancen für Frauen, sich mit unterschiedlichen Ausbildungen an der Entwicklung und Verbreitung der Datentechnologie zu beteiligen. Und sich bis in leitende Positionen hoch zu arbeiten....
Porträts der Frauen - Lebensgeschichten herausragender Informatikerinnen
Ada King, Countess of Lovelace ist die erste bekannte Programmiererin in der Geschichte. Sie entwarf Konzepte zur Programmierung einer mechanischen Maschine, die zu ihrer Zeit technisch noch nicht realisierbar war. Als Tochter von Annabella Byron und dem Dichter Lord Byron, wurde Augusta Ada in London geboren. Ihre Mutter erzog sie standesgemäß, allerdings war ihr Hauslehrer ein ehemaliger Cambridge Professor und der Privatunterricht umfasste die für Mädchen ungewöhnlichen Fächer Mathematik und Astronomie.
Als verheiratete Frau und Mutter wurde ihr das wissenschaftliche Arbeiten zunächst schwer gemacht. Frauen war der Zugang zu Bibliotheken und Universitäten untersagt. 1834 hörte Ada zum ersten Mal von Charles Babbages Idee einer neuen Rechenmaschine, der Difference Engine. Zusammen mit Babbage arbeitete sie die Programmiergrundlagen dazu aus. Adas Vorschlag zur Berechnung von Bernoulli Zahlen wird heute als das erste Computerprogramm angesehen.
Ihre Publikation war mit dem Kürzel A.A.L. unterschrieben und in der Fachwelt fanden ihre Ergebnisse wie ihr mathematisches Talent große Anerkennung. Adas Erfolg blieb ihr selbst jedoch weitgehend verborgen. Aie bewegte sich in der "Höheren Gesellschaft" und sorgte dort für Gesprächsstoff, ihr Interesse widersprach dem aristokratischen Frauenbild jener Zeit.
Ada Lovelace zeichnete sich durch außerordentliche Visionskraft aus. Sie war davon überzeugt, dass eine Maschine eines Tages dafür genutzt werden könne, Musikstücke zu komponieren und Graphiken zu erstellen, und sowohl wissenschaftliche wie praktische Anwendung finden werde. "Die Analytische Maschine," sagte sie, "webt algorythmische Muster, genauso wie der Jacquard-Webstuhl Blumen und Blätter webt."
In der Publikation stellen die Bremer Frauenforscherinnen viele weitere aufwühlende und Mut machende Lebensgeschichten von Frauen vor, die es in der Mathematik, Informatik und Computerkunst zu (manchmal reichlich später) Anerkennung und Ruhm gebracht haben, z.B. die jüdische Mathematikerin Emmy Noether, die Admiralin der US-Armee Grace Murray Hopper, die EDV-Spezialistin bei Daimler-Benz Maria-Christine Fürstin von Urach, die Herausgeberin des Magazins "Computer-Praxis" Kristin Mierzowski, und die Künstlerin und Wissenschaftlerin Allucquère Rosanne "Sandy" Stone.
Wie weit sind Frauen heute fortgeschritten?
Zum heutigen Stand der Dinge wird in der Studie Anita Borg zitiert, Gründerin des Institute for Women and Technology (www.iwt.org) "Frauen müssen heute für eine "technologische Staatsbürgerschaft" kämpfen, in der Art, wie die Sufragetten für ihr Wahlrecht gekämpft haben. Demokratie in der Technologie ist wichtig, und wir haben sie heute noch nicht. Die Teilhabe und der Einfluss an der Technologie ist heute weiß und männlich. Frauen, Minoritäten, Arme sind draußen." Und "Eine positive Entwicklung der Technologie hängt davon ab, welche Technolgien weiterentwickelt werden, wer sie entwirft, wer sie konstruiert, wer sie kontrolliert, benutzt und wie sie benutzt wird. Wie Frauen eine positive Zukunft sicherstellen können? Indem Sie lernen, wissen, Meinungen haben,und sich über Technologie austauschen."
Fürs erste haben die Teilnehmerinnen des Bremer Frauenforschungsprojektes eine Materialsammlung für Recherche- und Unterrichtszwecke und hergestellt, die die wissenschaftliche Publikation, Plakate und eine CD-ROM umfasst. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend.
Mehr Infos unter: www.frauen-informatik-geschichte.de