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Beitrag vom 24.04.2003
Das Berliner Frauenmuseum in Gründung stellt sich mit einer ersten Ausstellung vor
Gerlinde Behrendt
In Zeiten knapper öffentlicher Finanzen wagt der Verein Berliner Frauenmuseum den Schritt zu einer Museumsneugründung. AVIVA-Interview mit der Vorsitzenden Dr. Christiane Timper
Am 6. April 2003 eröffnete der Verein Berliner Frauenmuseum in der Kommunalen Galerie am Hohenzollerdamm in Wilmersdorf eine erste Ausstellung. Titel: "Muttertiere". Gezeigt werden Arbeiten der Künstlerinnen Iris Schieferstein und Anja Maria Höppner über die "tierische" Transformation während der Schwangerschaft". Damit ist eine langjährige Museumsplanung in eine neue Phase eingetreten. AVIVA-Redakteurin Gerlinde Behrendt befragte die Vorsitzende Dr. Christiane Timper zu Geschichte, Konzept und Zukunftsplänen.
AVIVA-Berlin: Sie haben in Ihrer Eröffnungsrede von einer "politisch erwünschten" Gründung eines Frauenmuseums im Berliner Bezirk Charlottenburg gesprochen. Warum Charlottenburg und welcher Art ist diese politische Motivation?
Dr. Christiane Timper: Damals, 1995, stand fest, daß mehrere Museen bzw. Sammlungen von Charlottenburg auf die Museumsinsel überführt werden sollten. Wir hatten die Idee, die frei werdenden Räume oder besser noch: ein freiwerdendes Haus in Charlottenburg zu bekommen für unser neu zu gründendes Frauenmuseum. Frauen der SPD und der CDU sowie die Leiterin des Heimatmuseums Charlottenburg setzten sich gemeinsam für die Gründung des Fördervereins Frauenmuseum Berlin ein, entwarfen auch die ersten Konzeptions-Ideen. Ein Gedanke war auch, mit einem Frauenmuseum eine neue Attraktivität für Charlottenburg zu bekommen. Nun ist der Bezirk Charlottenburg mit Wilmersdorf fusioniert worden, und erst jetzt gibt es die Möglichkeit, wenigstens einen Raum zu bekommen, den wir - gemeinsam mit dem Frauenmuseum in Bonn - bespielen können. Dafür haben sich wieder hauptsächlich Polit-Frauen stark gemacht, nicht zuletzt die Bürgermeisterin Frau Thiemen (SPD) und die ehem. Frauenbeauftragte Frau Kippe (CDU). Doch erst mit der Unterstützung des Kunstamtsleiters Herrn Christoffel ist das möglich geworden. Und, nicht zu vergessen, mit meiner Stellvertreterin Anja Maria Höppner, die ebenso zielorientiert denkt und agiert wie ich.
AVIVA-Berlin: Die jetzige Ausstellung "Muttertiere" wurde vom Verein Frauenmuseum Berlin eröffnet. Ist damit die langjährige Gründungsphase des Frauenmuseums beendet? Kann es in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte überhaupt eine Museumsneugründung geben?
Dr. Christiane Timper: Ja, die Gründungsphase bzw. die ersten Schritte waren sehr langwierig. Nun sind wir mit dieser ersten Ausstellung in eine neue Phase eingetreten, sind besser sichtbar geworden.
Inwieweit in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte eine Museumsgründung überhaupt realistisch ist, das ist eine gute Frage, das scheint ja fast unmöglich. Aber als die Frauen das Frauenmuseum in Bonn in den 1980er Jahren gründeten, begannen sie mit der Besetzung eines Kaufhauses, das abgerissen werden sollte. Ohne Heizung saßen die Frauen darin, allen voran ihre Chefin Marianne Pitzen. Inzwischen wird das ehemalige Kaufhaus finanziert und hat gerade aufwendige bauliche Veränderungen wegen Brandschutzauflagen erfahren. Inzwischen gibt es dort feste Stellen, und es werden dort etliche ABM-Stellen betreut und Praktikantinnen - viel Arbeit also für Museumsfrauen. Manche Stellen muß frau sich eben selbst schaffen. Ob das jetzt für Berlin ein Modell ist, kann ich im Moment nicht sagen. Dazu kommt, daß auch in Bonn immer wieder Geld für die Ausstellungen beschafft werden muß und SponsorInnen sind offensichtlich auch dort rar. Leider.
AVIVA-Berlin: Sie kooperieren mit dem Frauenmuseum in Bonn. Was sieht diese Zusammenarbeit für die nächste Zeit vor?
Dr. Christiane Timper: Das ist zunächst weniger eine inhaltliche als eine informelle Kooperation. D.h. Absprachen darüber, wer wann das Studio in der Kommunalen Galerie bespielt, wie wir füreinander werben können, Informationsaustausch bezüglich der Projekte bzw. Ausstellungen, konzeptioneller Austausch usw. Dazu finden unregelmäßig Treffen von Vorstandsmitgliedern statt.
AVIVA-Berlin: Sie haben im Gründungsteam ein Museumskonzept mit der Berücksichtigung des "gender mainstreaming" - Aspekts erarbeitet. Was heißt das konkret?
Dr. Christiane Timper: D.h. es geht uns nicht allein um die Darstellung von weiblicher Schaffenskraft. Die Frauenforschung hat sich ja längst in eine Genderforschung verwandelt, weil sie erkannte, daß die Darstellung weiblicher Leistungen allein auch nur einen einseitigen Blick auf Geschichte und Gegenwart bietet. Würden wir das aufgreifen, dann würde der bisherigen Museumspraxis nur eine "weibliche" Geschichte hinzugefügt werden.
Was wir aber wollen, ist, daß generell in Museen die Welt der Männer und der Frauen zum Tragen kommt. Dazu müßte in den traditionellen Museen sicher einiger Aufwand betrieben werden, um das zu erreichen, denn manches muß ja tatsächlich erst noch ans Licht befördert werden und manches müßte auch noch erst reflektiert werden. Wenn man bedenkt, daß in der Alten Nationalgalerie in Berlin z.Zt. gerade mal ein Gemälde von einer Malerin hängt - ein Selbstporträt von Sabine Graef (verh. Lepsius) aus dem Jahr 1885 -, dann sieht man, wie fern dieses Denken noch ist.
Es geht also nicht darum: Schaut mal her, hier sind Frauen, die vergessen, übersehen, vernachlässigt wurden! - Diese Phase ist selbst in der Geschichtsschreibung eigentlich schon überholt. Sondern es geht darum, Geschichte zu zeigen, wie sie war, Gesellschaft zu zeigen wie sie war und ist - mit Frauen und Männern und deren gegenseitiger Beeinflussung und Einschränkung, die Verleugnung und Unterdrückung von Frauen ist nur ein Aspekt dabei. Wenn in Museen, in Galerien und z.B. in Technik-Ausstellungen Männer wie Frauen vertreten sind und thematisiert werden, dann brauchen wir vielleicht kein Frauenmuseum mehr. Aber bis dahin ist ja der Weg noch weit.
AVIVA-Berlin: Ihre erste Ausstellung zeigt die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Schwangerschaft. Welches Themenspektrum soll Ihr Museumskonzept umfassen?
Dr. Christiane Timper: An sich sind da keine Grenzen gesetzt. Allein aus finanziellen Gründen wird es leichter sein, in den ersten Ausstellungen einen Schwerpunkt auf Künstlerinnen zu legen, wobei wir hier das Spektrum etwas weiter fassen. So wird im Oktober ein Projekt einer Architektin zu sehen sein, die die Erfahrungen von Jungen und Mädchen in Berlin und Montemor-o-Novo (Portugal) zeigen wird, deren (unterschiedliche?) Sicht auf ihre bebaute Umwelt. Im nächsten Jahr sind dann auch historische Themen geplant. Es ist weniger eine Frage des Themas, als vielmehr der Herangehensweise an ein Thema und seine Darstellung, die dabei von Bedeutung ist.
Zur Zeit haben wir nur einen Raum und wenig Geld. Wie viel wir von unserer Konzeption tatsächlich in Ausstellungen verwirklichen zu können, wird auch davon abhängen, wie viele neue Mitglieder und SponsorInnen wir gewinnen können.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für diese Informationen!