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Beitrag vom 04.09.2008
Mediale Herbstoffensive für radiomultikulti
Christiane Krämer
Der im Juni 2008 gegründete Freundeskreis will die vom rbb angedrohte Schließung des Radiosenders multikulti verhindern, welche über Berlin hinaus eine medienpolitische Debatte ausgelöst hat
Der 1994 gegründete und erste multikulturelle Sender Deutschlands soll wegen finanzieller Probleme des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) zum 31. Dezember 2008 eingestellt werden. Der rbb muss nach eigenen Angaben bis 2012 insgesamt 54 Millionen Euro einsparen, da der Berliner Sender auf Grund der sozialschwachen Struktur der Region die höchsten Gebührenverluste der Öffentlich-Rechtlichen zu verzeichnen habe, so die Intendantin Dagmar Reim.
Deshalb soll die kleinste und quotenschwächste Sendewelle eingestellt und von Funkhaus Europa übernommen werden: "Falsche Richtung, falsche Zahlen, falsche Versprechen", wirft Initiativen-Sprecher Nikolaus Huss der rbb-Chefin vor: "Frau Reims Milchmädchenrechnung geht nicht auf" . Höchstens 17 Millionen könnten eingespart werden, so fehlten noch 37 Millionen, so Huss.
Die jüngste Mediaanalyse zeigt zudem die wachsende Resonanz des Senders: allein die erstmalige Befragung von EU-AusländerInnen hat die HörerInnenquote um 20 Prozent in die Höhe schnellen lassen. Es fehlen in dieser Reichweitenmessung aber immer noch MigrantInnen ohne europäischen Pass, beispielsweise aus der türkischen Community, welche jedoch die größte migratorische Gruppe in der Hauptstadt darstellt. Auch Internetzugriffe wurden nicht berücksichtigt.
Integration und kulturelle Vielfalt:Welche Signale senden die Öffentlich-Rechtlichen?
Der rbb muss im Gegensatz zu den quotenorientierten Privaten dem öffentlich rechtlichem Sendeauftrag nachkommen, nachdem er "vielfältige Programme" unter "Berücksichtigung der regionalen Programmbedürfnisse" anbieten soll. In der Hauptstadtmetropole Berlin leben 25 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund, unter der jungen Bevölkerung werden es etwa 50 Prozent sein.
Das Besondere an radiomultikulti ist aber nicht nur die Ansprache und Informationsversorgung der verschiedensten Communities in 21 Sprachen, sondern der Brückenschlag zwischen den Kulturen unter der Berücksichtigung der Mehrheitsgesellschaft. So wird von 6 bis 17 Uhr auf Deutsch gesendet und "eine beidseitig befahrbare Brücke zwischen dem deutschen und nichtdeutschen Publikum angeboten. Integration ist keine Einbahnstraße," betont die Chefredakteurin Ilona Marenbach.
Das medienpolitische Signal geht gerade angesichts erhitzter Debatten meinungsführender Redaktionen um Integration in die falsche Richtung – zumal hier kaum MigrantInnen vertreten sind. Will die ARD ernst machen mit der stärkeren Beachtung von "Integration und kulturelle Vielfalt" in der monokulturellen Medienlandschaft Deutschland, muss ein Finanzausgleich geschaffen werden, damit der rbb das kleine und hochwertige Format erhalten kann.
Der Freundeskreis fordert die Intendantin zu einem Gespräch am runden Tisch, um gemeinsam bis Ende 2009 ein schlüssiges und nachhaltiges Konzept zu erarbeiten. Außerdem sind Solidaritätskonzerte, CDs, Kinospots und zahlreiche Aktionen in der Stadt geplant, um die Schließung zu verhindern und den Folgen wie einem Imageschaden für die Stadt aufmerksam zu machen.
Sie können den Freundeskreis radiomultikulti aktiv unterstützen:
www.multikulti.eu
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