25.11.2021: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen - Veröffentlichung der Kriminalstatistischen Auswertung zu Gewalt in Partnerschaften - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Public Affairs





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 25.11.2021


25.11.2021: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen - Veröffentlichung der Kriminalstatistischen Auswertung zu Gewalt in Partnerschaften
Joanna Piekarska

Die Zahl der weiblichen Opfer von Partnerschaftsgewalt ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 3,7% gestiegen. Das belegt die Kriminalstatistische Auswertung des Bundeskriminalamtes, die zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen erscheint. AVIVA-Berlin veröffentlicht eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie eine Auswahl der Aktionen zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen.




Das Bundeskriminalamt erstellt in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Bundesministerium des Innern (BMI) seit 2015 jedes Jahr eine Kriminalstatistische Auswertung zu Gewalt in Partnerschaften in Deutschland.

Anstieg der Partnerschaftsgewalt durch die Coronavirus-Pandemie

Die Auswertung zum Berichtsjahr 2020 erscheint zum 25.11.2021, dem 40. Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Die Auswertung ergab, dass Partnerschaftsgewalt in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 4,9% zugenommen hat. 80,5% der 148.031 Opfer sind weiblich. Das bedeutet: Die Fälle von Partnerschaftsgewalt gegen Frauen sind 2020 um 3,7% angestiegen. Der Grund für diesen Anstieg sei die Corona-Pandemie, heißt es in einer Pressemitteilung der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes vom 22.11.2021:

"Die höhere Zahl der Betroffenen lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Die Kontaktbeschränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie bedeuten für Betroffene von häuslicher Gewalt, mit einem gewalttätigen Partner eingesperrt zu sein. Gewohnte Zufluchtsorte waren in vielen Fällen keine Option mehr. Stressfaktoren wie finanzielle Sorgen, Quarantäne und Kurzarbeit können ein Gewaltpotential auslösen oder steigern.", so Terre des Femmes.

Terre des Femmes sieht den Staat in der Verantwortung, der sich mit der Istanbul-Konvention dazu verpflichtet hat, Frauen und Mädchen zu schützen. Terre des Femmes stellt deshalb in der Pressemitteilung vom 22.11.2021 folgende Forderungen an die zukünftige Bundesregierung:

  • Den Ausbau der Frauenhausversorgung. In Deutschland fehlen nach Auflagen der Istanbul-Konvention mehr als 14.600 Frauenhausplätze. Um diese massive Lücke zu schließen, braucht es dringend die nötigen staatlichen Investitionen und eine Koordinierung des deutschlandweiten Ausbaus auch im ländlichen Raum.
  • Einen Rechtsanspruch auf Hilfe bei Gewalt für jede Frau unabhängig von Wohnort, Herkunft, Aufenthaltstitel und Gesundheitszustand.
  • Die Anerkennung von Femiziden als solche.
  • Mehr Erleichterung dabei, Anzeige zu erstatten. Hier ist unter anderem essenziell, dass Beamt*Innen der Polizei und Justiz besser geschult werden und verbindliche Protokolle zum Umgang mit Betroffenen häuslicher Gewalt befolgen, um den angemessenen Schutz von und dem Umgang mit Betroffenen zu gewährleisten.

    Fehlende Unterstützungsangebote

    Die Zahlen der Auswertung des BKA zeigen nur das sogenannte Hellfeld, die Fälle, die der Polizei bekannt sind. Die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher, da nicht alle Fälle zur Anzeige gebracht werden. Dazu heißt es auf der Website des BMFSFJ:

    "Jede dritte Frau ist mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Betroffen sind Frauen aller sozialer Schichten."

    Dabei schätzt eine aktuelle Studie des Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE), dass sich die gesellschaftlichen Folgekosten von geschlechtsspezifischer Gewalt auf 54 Milliarden Euro pro Jahr betragen, das ist die unglaubliche Summe von 148 Millionen Euro pro Tag.

    "All diese Zahlen zeigen, um was für ein gravierendes gesellschaftliches Problem es sich bei Gewalt gegen Frauen handelt.", so Katja Grieger vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Frauen gegen Gewalt e.V. in einer Pressemitteilung vom 23.11.2021.

    Dabei werde nur ein verschwindend geringer Teil der 54 Milliarden für die staatliche Finanzierung von Unterstützungsangeboten aufgewendet, obwohl diese das wichtigste Instrument seien, um die Gewalt langfristig zu reduzieren und das Leid der Betroffenen zu beenden, bestätigt Katja Grieger die Forderungen von Terre des Femmes.

    Um die Gewalt und ihre Folgekosten langfristig zu reduzieren, müsse die Istanbul-Konvention vollständig umgesetzt werden. Sie verlangt eine staatliche Gesamtstrategie zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt. Und sie verlangt dafür ein ausreichendes Budget im Unterstützungssystem.

    "Wir hoffen sehr, dass angesichts dieser erschreckenden Zahlen die Politik aufwacht und die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt ganz nach oben auf die politische Agenda setzt.", resümiert Katja Grieger.

    Ãœbersicht der Aktionen zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen

    Der 25. November wurde 1999 von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen bestimmt. Der Aktionstag geht zurück auf die Vergewaltigung und Ermordung dreier Schwestern in Jahr 1960 in der Dominikanischen Republik. Lateinamerikanische und karibische Frauenrechtler*Innen nahmen dieses Datum 1981 zum Anlass, einen Tag gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu etablieren. Seitdem organisieren Frauen- und Menschenrechtsorganisationen weltweit jährlich Aktionen gegen Gewalt gegen Frauen.

    AVIVA-Berlin bietet einen Überblick über einige Aktionen, die anlässlich des 40. Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November 2021 initiiert werden:

    Aktionsmonat gegen Gewalt an Frauen der Freien Universität zu Berlin

    Die Freie Universität zu Berlin veranstaltet im November einen Aktionsmonat anlässlich des 25. November.

    Der neuen Blog "Geschlechter*Gerecht" des Teams "Zentrale Frauenbeauftragte" informiert mit verschiedenen Beiträgen über das Thema Gewalt gegen Frauen mit einem Schwerpunkt auf sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt an Hochschulen. Informiert wird über Erscheinungsformen, Anlauf- und Beratungsstellen, Projekte und im Themenfeld engagierte Personen.

    Am 16.11.2021 wurde das Recherche- und Datenbankprojekt Femi(ni)zidmap< mit dem Margherita-von-Brentano-Preis der Freien Universität zu Berlin ausgezeichnet. Das Datenbankprojekt dokumentiert seit 2019 Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts.

    ZDF-Dokumentarfilm: "Femizid - wenn Männer Frauen töten"
    Der Film "Femizid - wenn Männer Frauen töten" thematisiert geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide. Schwerpunkt des Films sind Gewaltgeschichten betroffener Frauen, die sich für das Projekt vor die Kamera getraut haben. In dem Film werden Femizide rechtlich, politisch und sozial von Expert*Innen und Aktivist*Innen eingeordnet.

    Orange Day von UN Women & Kampagne "Orange the World"
    Mit dem Orange Day am 25. November startet UN Women Deutschland einen Aufruf für Engagement gegen Gewalt an Frauen. Zwischen dem 25. November, dem "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" und dem 10. Dezember, dem "Internationalen Tag der Menschenrechte" leuchten weltweit und in Deutschland Gebäude, Denkmäler, Institutionen, Straßenbahnen und öffentliche Plätze in Orange. Auch Social-Media-Profilbilder und Postings werden zum Zeichen der Solidarität eingefärbt.

    "Eine kräftige Farbe für ein kräftiges Movement: Gewalt gegen Frauen können wir nicht alleine beenden - aber gemeinsam können wir viel tun. Mit #OrangeTheWorld machen wir Überlebende von Gewalt sichtbar und sorgen für mehr Sensibilität gegenüber der Thematik.", so UN Women in einer Pressemeldung vom 18.11.2021

    Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine grobe Verletzung der Menschenrechte und hat als Begleiterscheinung von Covid-19 weltweit extrem zugenommen. Häusliche Gewalt thematisiert UN Women Deutschland im Zuge von #OrangetheWorld nochmal ganz spezifisch. Mit einem ergreifenden Kampagnenvideo macht UN Women Deutschland auf die aktuellen Missstände aufmerksam. In 122 deutschen Städten wird der Spot auf digitalen Screens laufen.

    Jede*r kann die Aktion auf eigene Weise unterstützen: Sei es der Post bei Social Media, die orangene Offline-Aktion oder eine Spende für dieses wichtige Anliegen. Mehr Infos, das Kampagnenvideo und Hilfestellungen unter: www.gewalt-stoppen.org

    Berliner Abgeordnetenhaus hisst die Anti-Gewalt-Flagge
    Das Abgeordnetenhaus von Berlin hisst am 25.November 2021 die landeseigene Anti-Gewalt-Flagge um 10 Uhr auf dem Vorplatz des Hauses.

    Parlamentspräsident Dennis Buchner über die Aktion:
    "Als Abgeordnetenhaus zeigen wir Flagge gegen Gewalt an Frauen. Wir mögen uns im Parlament über vieles uneinig sein, doch hier gibt es keine zwei Seiten der Medaille: Gewalt gegen Frauen ist nicht hinnehmbar! Leider nimmt diese gegenwärtig zu. Die Problematik wird gut erforscht. Daher muss dem Wissen endlich Veränderung folgen. Jetzt! Dafür stehen wir im Parlament ein."

    Gender & Crime - Geschlechteraspekte in Kriminologie und Strafrechtswissenschaft
    Der Deutsche Juristinnenbund organisiert am 25. und 26. November eine Online-Tagung zum Thema Gender & Crime - Geschlechteraspekte in den Bereichen Kriminologie, Viktimologie, Strafrecht und Strafvollzug. Sie soll dazu dienen, Forschungsfragen und -perspektiven zu ermitteln und den in diesem Feld tätigen Wissenschaftler*innen eine interdisziplinäre Plattform sowie Chancen zur Vernetzung zu bieten.

    Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen setzt Terre des Femmes ein Zeichen mit einer Fahnenaktion unter dem Motto #bornequal:

    "Noch immer ist das Risiko, von Gewalt betroffen zu sein, für Mädchen und Frauen unfassbar groß, nur weil sie als Mädchen zur Welt gekommen sind. Deshalb kämpfen wir für eine Welt, in der alle gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei von Gewalt leben können - für eine Welt, in der ein rosa Bändchen auf der Geburtsstation nicht das Leben von Millionen Mädchen und Frauen bestimmt." sagt Gesa Birkmann, Abteilungsleiterin Themen und Projekte bei Terre des Femmes.

    In Berlin initiiert Terre des Femmes am 25.11.2021 eine Aktion gemeinsam mit UnterstützerInnen aus Politik und Zivilgesellschaft vor dem Brandenburger Tor zum diesjährigen Thema "#bornequal - damit ein rosa Bändchen nicht dein Leben bestimmt."
    Was: Fahnenaktion "Frei leben ohne Gewalt" - damit ein rosa Bändchen nicht dein Leben bestimmt - #bornequal
    Wann: Donnerstag, 25.11.21 von 11 Uhr - 12 Uhr
    Wo: Brandenburger Tor/Pariser Platz

    Mehr Infos zur Fahnenaktion und #bornequal 2021: www.frauenrechte.de

    Hilfsangebote gegen Gewalt an Frauen:

    Infos zum Thema Schutz vor Gewalt für Frauen vom BMFSFJ:
    www.bmfshj.de

    Umfangreiches Best-Practice-Handbuch sowie Erklärvideos zum Thema hochgefährdete Frauen vom bff:
    www.frauen-gegen-gewalt.de

    Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Es ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr kostenlosester der Telefonnummer 08000 116 016 und online unter www.hilfetelefon.de erreichbar.

    Die geschulten Beraterinnen der BIG Hotline sind täglich von 8 - 23 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen unter 030 - 611 03 00 erreichbar. Mehr Informationen zur Hotline unter: www.big-hotline.de

    Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

    25. November 2020: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen – Veröffentlichung des djb-Berichts zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland
    Jeden dritten Tag tötet ein Mann in Deutschland seine (Ex-)Partner*in, jeden Tag versucht es einer. Am Internationalen Tag zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen veröffentlicht der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) seinen Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland. Nach Analyse des djb besteht noch Umsetzungsbedarf im Hinblick auf die Vorgaben aus sämtlichen Bereichen der Konvention. (2020)

    Anlässlich der Corona-Pandemie und ihre Folgen für häusliche Gewalt: TERRE DES FEMMES fordert sofortiges Hilfspaket für Frauenhäuser
    Berlin, den 25. März 2020: Angesichts der sozialen Isolierung von immer mehr deutschen Haushalten warnt u.a. TERRE DES FEMMES e.V. vor steigenden Fällen von häuslicher Gewalt und fordert ein sofortiges Hilfspaket für Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und Hilfeeinrichtungen für von Gewalt bedrohte und betroffene Frauen. Aktuell gibt es etwa 350 Frauenhäuser in Deutschland – bei weitem nicht genug! AVIVA-Linkliste zu Beratung und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen. (2020)

    #wirlassenunsnichtstreichen: Berliner Haushaltsentwurf 2022/2023 sieht erhebliche Mittelkürzungen für feministische Projekte vor
    Der Berliner Senat plant für das Jahr 2022/2023 erhebliche finanzielle Kürzungen für feministische Projekte. In offenen Briefen fordern zahlreiche feministische Verbände eine Rücknahme des Haushaltsentwurfs. Die Forderungen zur Finanzierung von Fraueninfrastruktur des berliner frauennetzwerks und die Pressemitteilung der Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten der Berliner Bezirke und von Space2Grow und Berliner Frauenkreise hier auf AVIVA-Berlin. (2021)

    Woman. Was wir erleben, träumen hoffen. Dokumentarfilm und Foto-Bildband von Anastasia Mikova und Yann Arthus-Bertrand. Kino-Start: 22. April 2021. DVD-Start: 21. Mai 2021
    Wie wichtig der globale Kampf um die Rechte der Frauen ist, darüber sprechen im Film- und Foto-Projekt "Woman" Interviewpartnerinnen aus über 50 Ländern. Nachdrücklich erzählen sie von den Gewalttaten, die ihnen angetan wurden, nur weil sie Frauen sind. (2021)


    Public Affairs

    Beitrag vom 25.11.2021

    AVIVA-Redaktion