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Beitrag vom 22.01.2017
Pro Quote Regie: LET´S TALK ABOUT MONEY. Lohnungerechtigkeit in der Film- und Fernsehbranche. Resultate und Stimmen nach der 1. Fachtagung zum Thema. Und: DAS PQR - BERLINALE – PANEL - Reality Check - und der PQR-Handyfilmwettbewerb
AVIVA-Redaktion
Der Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen in der Kulturbranche ist eklatant. Ein positives Signal: Die Film- und Fernsehbranche engagiert sich für mehr Lohngerechtigkeit. ZDF verspricht erste Maßnahmen zur Gleichstellung von Regisseurinnen.
Erstmals haben sich anlässlich der 1. Fachtagung zum Thema "Lohngerechtigkeit in der Film- und Fernsehbranche" am 19. Januar 2017 in Berlin VertreterInnen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, ProduzentInnen, Verleiher, Filmförderer, RegisseurInnen und SchauspielerInnen unter der Überschrift "Let´s Talk About Money – Lohnungerechtigkeit in der Film- und Fernsehbranche" in Berlin getroffen. Aufgabe: Mit PolitikerInnen die Gründe der teils eklatanten Lohnunterschiede zu erörtern. Der durchschnittliche Gender Pay Gap zwischen Männern und Frauen in der Kulturbranche beträgt in Deutschland 24%, in einigen Gewerken, beispielsweise in der Regie und Dramaturgie 36% und im Kamerafach sogar bis zu 70%. Ein Missstand, den auch Bundesministerin Manuela Schwesig in ihrer Eröffnungsrede herausstellte. Sie ergänzte dazu, dass Frauen über ihre ganze Lebensverlaufsperspektive hinweg 50% weniger Geld zur Verfügung haben als Männer. Ihre Rede schloss sie mit der Ankündigung, die Initiative Pro Quote Regie auch weiterhin zu unterstützen.
Ein emotionaler Auftakt, der die ganze Tagung befeuerte. Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws: "Wir müssen an einen Punkt gelangen, dass wir politische Schritte in Angriff nehmen. Entscheidend ist doch der Wandel, der im Kopf stattfindet. Ich sage das jetzt auch mal als Feministin. Entscheidungen sollen eine andere Grundlage haben. Frauen mit ihren Sichtweisen, auch mit ihren Erfahrungen und Diskrimierungserfahrungen müssen gezeigt werden." Die wesentliche Rolle der Politik in Sachen Lohngleichheit betonte auch Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin der Filmförderung Medienboard Berlin-Brandenburg: "Das Thema Lohngleichheit muss in die Politik. Das bedeutet einen langen Atem. Ich glaube aber, dass im Moment ein günstiges historisches Zeitfenster ist, dass zu tun. Das ganze System von unten infrage zu stellen ist schwierig, wenn nur so wenig Frauen da sind." Eine Frau, die das System "von unten" infrage stellt, ist ZDF-Reporterin Birte Meier, die dieser Tage ihren Arbeitgeber wegen Diskriminierung und ungleicher Bezahlung vor dem Berliner Landgericht verklagt.
Für das ZDF besuchte Claudia Tronnier die Tagung, Redaktionsleiterin von Das kleine Fernsehspiel. In Vertretung von Programmdirektor Dr. Norbert Himmler richtete sie aus, das ZDF plane Schritte für mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. So solle der Anteil der unter der Regie von Frauen entstandenen Filme um jährlich 1% angehoben werden – aktuell sind es lediglich 12%. Zudem möchte das ZDF ein Gender-Monitoring einführen sowie Elternzeiten in den Lebensläufen von RegisseurInnen berücksichtigen. Tronnier versprach zudem: "Ich werde konkrete Verbesserungsvorschläge in das Haus hineintragen." Derlei gab es zahlreiche. Übereinstimmung herrschte indes über die Notwendigkeit, weiterhin auf Missstände hinzuweisen, den "Druck von außen hochzuhalten", wie Patricia Schlesinger, Intendantin des RBB es formulierte: "Wir kommen an Frauen gar nicht mehr vorbei, das ist allen Anstalten klar."
Klarheit gab es aber auch über die angespannte Situation für Filmschaffende. Michael Lehmann, Geschäftsführer der Studio Hamburg Produktion: "Wir sind eine Hochleistungsgesellschaft. Wenn ein Film in die Binsen geht, haben ganz viele andere Menschen ein riesiges Problem. Und da fragen wir uns schon, welchem Regisseur geben wir jetzt fünf Millionen in die Hand? Und das geht nur über Erfahrung. Und die bekommen Sie nur, wenn Sie so viel wie möglich drehen." Deswegen hat er als erster Produzent in Deutschland die 50%-Quote von Regisseurinnen umgesetzt.
Dass aber trotzdem viele Frauen keinen zweiten und dritten Film aufgrund vielfältiger Gründe realisieren können, ist ebenso Fakt. Dennoch war die Tagung von durchweg positiver Energie getragen: Veränderung ist möglich und könne von jeder Einzelnen durch Engagement und Mut vorangetrieben werden.
SAVE THE DATE: PRO QUOTE REGIE AUF DER BERLINALE 2017
"MOVE ON 50/50" – DIE PQR – MULTIMEDIA – BUBBLE
vom 10.2. bis 13.2.2017 auf dem Potsdamer Platz
DAS PQR - BERLINALE – PANEL "Reality Check"
Sonntag 12.2. um 14.00 Uhr in der Akademie der Künste am Pariser Platz 4
Wissenschaft meets Comedy. Die von PQR entwickelte Show beschäftigt sich mit Stereotypen und Rollenklischees vor und hinter der Kamera.
Mehr Frauen* vor und hinter der Kamera
Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Klischees, die in Filmen reproduziert werden, auf unsere Gesellschaft zurückfallen. Es sind diese Stereotype, die verhindern, dass Frauen als kreative starke Persönlichkeiten, die Filme machen, wahrgenommen werden.
Deshalb bringt PQR die Stereotype auf die Bühne der Berlinale 2017 und plädiert für einen Perspektivwechsel sowie einen Reality Check: auch im "Kinojahr der Frauen 2016" entstanden nur 15% der Kinofilme unter weiblicher Regie, und nur 10% der Fördergelder wurden an Regisseurinnen vergeben.
Zum dritten Mal sendet PQR aus der PQR Multimediabubble am Potsdamer Platz ihre Botschaften für eine gerechtere Welt.
Unter dem Motto "Mehr Frauen - vor und hinter der Kamera" zeigen die Initiatorinnen hier über dreißig Spots mit Ausschnitten aus Filmen von Regie-Stars wie Maren Ade und Monika Treut, die den Special Berlinale Teddy Award bekommt, von Helke Sander, Sonja Heiss, Marita Neher und vielen anderen namhaften älteren und jungen Filmemacherinnen.
Frauen in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge
Ende Juni 2016 wurde von Kulturstaatssekretärin Monika Grütters die von ihrem Haus finanzierte Studie "Frauen in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge" des Deutschen Kulturrats vorgestellt. Die Studie zeigt deutlich: Allgemein verdienen Frauen in der Kulturbranche 30% weniger als Männer. Laut einer Studie von Die Filmschaffenden sind es in manchen Sparten des Filmbereichs sogar 75% weniger.
Vertreterinnen und Vertreter der Filmwirtschaft, der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, der Filmförderanstalten und der Politik sowie von Regie- und Schauspielverbänden sind eingeladen, die Gründe für eine ungleiche Lohnzahlungen zu hinterfragen, nach strukturellen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu forschen und gemeinsame Lösungswegen zu finden.
Handyfilmwettbewerb
In diesem Jahr lobt PQR einen mit 3 x 500 Euro dotierten Handyfilmwettbewerb aus, der sich an Jugendliche und junge Erwachsene richtet. Alle Infos unter: www.handyfilmwettbewerb.de. Einsendeschluss ist der 3.2.2017.
Alle Informationen zu PQR finden Sie unter:
www.proquote-regie.de und www.facebook.com/proquoteregie
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
PRO QUOTE REGIE zum 2. Diversitätsbericht des Bundesverbandes Regie. Systematische Benachteiligung von Frauen hat weiter zugenommen
Während die ARD und ihre Filmeinkaufsgesellschaft degeto das Problem auf Initiative von pro PRO QUOTE REGIE erkannt und Verbesserungen angekündigt haben, stellt sich das ZDF weiterhin taub. Der BVR-Bericht zeigt die ungleiche Zahl der Regieaufträge im Fernsehen und die Verteilung der Produktionsmittel der Filmförderungen (2016)
Frauen in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge. Ein Beitrag von Dr. Valeska Henze, BücherFrauen e.V.
Kunst und Kultur wird die Freiheit zugesprochen, anders sein zu dürfen, auch Abweichungen von der gesellschaftlichen Norm sind erlaubt. Viele glauben vielleicht, dass sie auch bei der Geschlechtergerechtigkeit eine Vorreiterrolle einnehmen. Diese Annahme ist irrig. (2016)
Online-Petition FairPay - Berliner Erklärung für Gleichheit auf dem Gehaltszettel
Für Lohngerechtigkeit und Entgeltgleichheit an 365 Tagen im Jahr. Unterstützen Sie die Initiatorinnen des FairPay-Bündnisses mit Ihrer Unterschrift. FairPlay ist FairPay! (2016)
Integrität vs. Solidarität – Die Darstellung weiblicher Führungskräfte in Film und Fernsehen. Ein Gastbeitrag von Antonia Roeller
"Karrieresüchtig, machtversessen, einsam? Die Darstellung weiblicher Führungskräfte in Film und Fernsehen", so der Titel ihres in der Master School Drehbuch EDITION erschienenen eEssays. (2015)
Gender Bias without Borders. An Investigation of Female Characters in Popular Films across 11 Countries. Diskriminierung gegen Frauen in der globalen Filmindustrie - erste weltweite Studie
Ob Geschlechterungleichheit in populären Filmen ein US-amerikanisches oder weltweites Phänomen ist, war die Ausgangsfrage für die Untersuchung, deren Ergebnisse das Geena Davis Institute on Gender in Media, UN Women und die Rockefeller Stiftung Ende September 2014 präsentierten. Darin wird bei deutschen Filmen die Sexualisierung der weiblichen Charaktere als überdurchschnittlich hoch eingeschätzt. (2014)
Pro Quote Regie - Zusammenschluss von Regisseurinnen in Deutschland
Die neu gegründete Initiative "Pro Quote Regie e.V." ging am 14. Oktober 2014 mit einer Pressekonferenz erstmals an die Öffentlichkeit. Sie fordert die Einführung einer Frauenquote für Spielfilme, Serien und Dokumentationen in Deutschland und will bis zum Jahr 2024 einen Frauenanteil in der Regiearbeit von 50 Prozent erreichen. (2014)
Quelle: PRESSEMITTEILUNG von Pro Quote Regie vom 19.01.17