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Beitrag vom 09.06.2008
Come out and play – Homosexualität im Fußballsport
Stefanie Denkert
Schwul-lesbische JournalistInnen appellieren an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Vereine, homosexuelle SpielerInnen zu unterstützen und ein Klima zu schaffen, in dem ein Outing möglich wird.
Am 7. Juni 2008 startete die Fußball-EM (der Männer) in Österreich und der Schweiz. Statistisch gesehen müssten pro Spiel mindestens zwei der 22 Fußballer auf dem Feld schwul sein, doch hat - zumindest unter den aktiven deutschen Profis – bisher keiner das Coming Out gewagt. Stattdessen, so berichtet der Bund lesbischer und schwuler JournalistInnen, erklären "einige Trainer und Manager - wie kürzlich der Italiener Luciano Moggi -, dass es im Fußball keine Schwulen gebe."
Ute Roos, BLSJ-Vorsitzende, findet es "skandalös, dass sich Fußballspieler genötigt sehen, aus Tarngründen zu heiraten und dass bei unserer erfolgreichen Frauen-Nationalmannschaft das Thema völlig tabu ist. Offenbar ist die Angst vor dem ´Skandal´, vor Ablehnung und Anfeindung so groß, dass die Spielerinnen und Spieler lieber ein groteskes Doppelleben führen." Deshalb appellierte der BLSJ am 17. Mai 2008 - dem internationalen Tag gegen Homophobie - an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Vereine in allen Ligen, homosexuelle Profis und AmateurInnen zu unterstützen und ein Klima zu schaffen, in dem ein Outing auch im Fußball möglich wird. DFB-Präsident Theo Zwanziger sicherte daraufhin seine Unterstützung zu und erklärte (offensichtlich in Anlehnung an das BLSJ-Appell): "Wir müssen ein Klima schaffen, in dem es für homosexuelle Spielerinnen und Spieler kein Problem ist, sich zu outen". Weiter sagte der promovierte Jurist, dass der DFB auf negative Reaktionen "ähnlich konsequent wie bei rassistischen oder antisemitischen Anfeindungen handeln" würde. Gegenüber L-Mag beteuerte Dr. Zwanziger: "Wenn eine junge Spielerin oder ein junger Spieler zu mir kommt und sagt, ich hätte den Mut, das jetzt zu tun, dann kann er oder sie sich absolut darauf verlassen, dass dieser Präsident und dieser Verband sie oder ihn dabei unterstützen. Aber ich kann niemanden zur Zivilcourage zwingen." Auch ohne Unterstützung des DFB haben sich in den letzten vereinzelt Fußballerinnen geoutet, wie Martina Voß, oder ihre Homosexualität nie versteckt, so wie Tanja Walther.
Die Medien sensibilisieren
Von ihren KollegInnen fordert der BLSJ eine sensible und respektvolle Berichterstattung, wenn sich FußballerInnen öffentlich zu ihrer Homosexualität bekennen. "Wenn ein Fußballer oder eine Fußballerin das Outing wagt", appelliert Ute Roos, "fallt nicht über ihn oder sie her, sondern respektiert die Privatsphäre!"
Anfang Mai 2008 hatte der BLSJ gegen die schwulen- und transvestitendiskriminierende Berichterstattung des Sport-Informations-Dienstes (sid) protestiert. Die Nachrichtenagentur hatte in einer Meldung zum angeblichen Skandal um den brasilianischen Fußballstar Ronaldo getitelt: "Kein Sex und keine Drogen – Transvestiten entlasten Ronaldo". Martin Rosenberg, BLSJ-Vorstand, kritisierte: "Die Liebe homosexueller oder transsexueller Menschen auf eine Stufe mit Straftaten wie Drogenmissbrauch zu stellen, ist ein schlimmer journalistischer Fehlgriff. Der sid sollte sich schämen. Er verunglimpft und diskriminiert damit tausende Menschen, die mit der Akzeptanz ihres Lebens in der Gesellschaft ohnehin schon Probleme genug haben. Ob Ronaldo nun Sex mit Transvestiten hatte oder nicht - zu entlasten gäbe es jedenfalls nichts." Zahlreiche deutsche Zeitungen und Online-Dienste hatten die Meldungen unreflektiert übernommen. Auf Spiegel Online lautete der Titel zum Ronaldo-Bericht: "Ich schäme mich". Und bereits im Teaser wurde Ronaldo ein weiteres Mal zitiert mit: "Ich bin total heterosexuell."
Ende Mai 2008 hatte sich zudem Christoph Daum, Trainer beim FC Köln, mehr als nur im Ton vergriffen, als er, auf die Erfordernisse der Jugendarbeit in den Fußballvereinen angesprochen, dem Deutschen Sportfernsehen (DSF) sagte: "Da wird es sehr deutlich, wie sehr wir dort aufgefordert sind, gegen jegliche Bestrebungen, die da gleichgeschlechtlich ausgeprägt sind, vorzugehen."
In einer Dokumentation, die das DSF einige Tage später ausstrahlte, sagte Daum: "Gerade den uns anvertrauten Jugendlichen müssen wir mit einem so großen Verantwortungsbewusstsein entgegentreten, dass gerade die, die sich um diese Kinder kümmern, dass wir denen einen besonderen Schutz zukommen lassen."
Auch Spiegel Online befand: "Man braucht viel guten Willen, um aus den Daumschen Worten etwas anderes herauszulesen als eine völlig verquere Gleichsetzung von Homosexualität und pädophilen Übergriffen." Der 1. FC Köln reagierte am 23. Mai mit einer "Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball", die sich ganz eindeutig gegen jegliche Formen von Homophobie ausspricht.
Zur Info: Der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ) ist ein Netzwerk, das zurzeit etwa 200 lesbische und schwule Journalistinnen und Journalisten bundesweit verbindet. Der BLSJ setzt sich seit 1997 für eine faire und realitätsgetreue Berichterstattung über Lesben und Schwule ein und wird gegen homophobe Medienberichte aktiv. Mit der jährlichen Verleihung des Felix-Rexhausen-Preises würdigt der BLSJ besonderes publizistisches Engagement bei der Berichterstattung über Lesben und Schwule.
Weitere Infos:
www.blsj.de
(Quellen: BLSJ, Spiegel Online, Sport1, L-Mag)