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Beitrag vom 26.06.2007
Angela Merkel barbusig in Fotomontage
Stefanie Denkert
Das rechts-konservative, polnische Wochenmagazin "Wprost" äußert seinen Unmut über den Ausgang des EU-Gipfels am 22. Juni 2007 mit einem Titelbild, das Bundeskanzlerin Angela Merkel denunziert.
Das polnische Wochenblatt "Wprost" (laut BILD: 700 000 LeserInnen) zeigt auf seinem aktuellen Cover die Bundeskanzlerin mit nackten Brüsten, an deren Brustwarzen die Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski nuckeln. Über der Fotomontage steht "Stiefmutter Europas" geschrieben - damit spielt "Wprost" offensichtlich auf das Klischee der bösen Stiefmutter an.
Ein altes, sexistisches Muster wird hier verwendet: Frauen auf ihre Weiblichkeit reduzieren, Männern ihre Männlichkeit absprechen. So trifft man Menschen unter der Gürtellinie.
Merkels Brüste haben nichts mit dem EU-Gipfel-Treffen zu tun - was soll also diese Darstellung? Kann man die strahlende, barbusige Merkel auch positiv deuten? Feiert diese Darstellung Merkel als gute Übermutter Europas oder ist das Bild eine Beleidigung?
Die Reaktionen zu dem Bild gehen in verschiedene Richtungen, doch steht fest, dass die Kaczynski-Brüder - als Babys dargestellt - nicht wirklich gut wegkommen. Im katholischen Polen, und genauso in Deutschland, beleidigt man Männer immer noch am besten, wenn man ihre Stärke in Frage stellt.
Die BILD bezeichnet das Titelbild von "Wprost" zurecht als Angriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber es werden ebenso die Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski denunziert, in dem sie als nuckelnde (erwachsene) Babys dargestellt werden, während Angela Merkel auf die weibliche biologische Funktion der Reproduktion reduziert wird.
In deutsch-polnischen Partnerschaften und Ehen sind nicht zufällig überwiegend deutsche Männer mit polnischen Frauen zusammen - und nicht andersherum. Kann man bei den Kaczynskis eine Angst vor der emanzipierten deutschen Frau erkennen? Machen sie sich womöglich auf dem unteren, nicht sichtbaren Teil, der Fotomontage in die Hose (oder "Windel")?
Netzeitung.de vermutet, dass das Titelbild von"Wprost" eine "Retourkutsche" für den "Spiegel"-Titel zum G8-Gipfel sei, der vor kurzem die Kaczynskis auf Merkels Rücken reitend zeigte. Zum eigenen Beitrag in der deutsch-polnischen Medienschlacht äußerte sich Spiegel-Online nicht, kritisierte jedoch, dass die Autoren des "Wprost"-Artikels, u.a. Mariusz Muszynski, der Beauftragte des polnischen Außenministers für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, nicht zum guten Verhältnis beitragen. ("Nach Kooperation klingt das, was er und die anderen Autoren schreiben, nicht gerade").
Es ist bedauerlich, dass Angela Merkel sehr um eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Deutschland und Polen bemüht ist, während deutsche und polnische Medien auf unterstem Niveau Kritik üben. Es steht außer Frage, dass Kritik an PolitikerInnen frei geäußert werden soll - aber bitte ohne Sexismus!
Lesen Sie auch Angela-Watch, eine Dokumentation des Journalistinnenbundes über die Wahrnehmung der Kanzlerin in den Medien.
Weitere Informationen unter: www.journalistinnen.de/angelawatch.pdf