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Beitrag vom 02.08.2008
Zoe im Interview
Tatjana Zilg
Die Afrodeutsche gilt als die deutsche Reggaequeen. Die herzerfrischenden Songs ihres Albums "Golden Rebellion" nehmen mit einer fein abgestimmten Mischung aus Soul, Pop, Reggae, Ska ...
... und ein klein wenig Jazz für sich ein.
AVIVA-Berlin traf Zoe backstage kurz vor ihrem Auftritt bei dem Eröffnungskonzert der Popdeurope 2008 in der Arena. Mit ihrem viermonatigen Sohn auf dem Arm erzählte sie in ihrer charmanten, offenen Art von ihrer Kindheit, während der sie als Baby zusammen mit ihren Eltern von Liberia nach Deutschland flüchtete, von ihrer Wahlheimat Jamaika, vom Songwriting und der Zauberkraft des Reggae.
AVIVA-Berlin: Wie findest Du die Idee des Popdeurope Festival, ein Programm mit dem Fokus World Music Made in Europe zusammenzustellen?
Zoe: Ich finde, die Popdeurope ist eine ganz tolle Idee. Die Location ist wunderschön und es ist sehr spannend, dass die Bands von überall herkommen. Ich bin auch schon ganz aufgeregt.
AVIVA-Berlin: Kennst Du die anderen Bands, die heute abend hier auftreten?
Zoe: Ich kenne sie nicht persönlich. Die Musik von Amparanoia mag ich aber zum Beispiel sehr, ich habe vorhin bei ihrem Soundcheck mithören können. Es ist sehr schön, dass hier so unterschiedliche Bands spielen.
AVIVA-Berlin: Schwerpunkt-Thema ist dieses Jahr Marseille, auch unter dem Aspekt der Migration von Afrika nach Europa. Du bist selbst in Liberia geboren, dann nach Bayern immigriert. Wie erlebst Du den Umgang mit Migration in Deutschland? War es als Kind schwierig für Dich, als Afrodeutsche in einem kleinen Dorf aufzuwachsen?
Zoe: Ja, ich bin in Oberbayern in einem kleinen Dorf aufgewachsen und das war nicht immer einfach. Ich war weit und breit das einzige farbige Kind. Ich habe das damals schon sehr gespürt und dabei gelernt, mir ein dickes Fell gegen Diskriminierungen zu zulegen.
Ich bin sehr froh, dass sich mittlerweile viel verändert hat. Wenn ich mit meinem kleinen Sohn auf dem Spielplatz gehe, sehe ich viele Kinder ganz unterschiedlicher Couleur, wo man gar nicht bestimmen kann, wo die herkommen könnten. Und die Kinder spielen alle auf ganz natürliche Weise miteinander. Es ist eine andere Generation und ich habe die Hoffnung, dass mein Sohn nicht solche negativen Erfahrungen machen muss.
AVIVA-Berlin: Wo wohnt Ihr denn gegenwärtig?
Zoe: Wir leben in München, am Stadtrand.
AVIVA-Berlin: Jamaika gilt als Deine Wahlheimat. Bist Du sehr oft dort?
Zoe: Ja, ich bin jahrelang sehr viel zwischen Deutschland und Jamaika hin- und hergependelt. Jetzt, wo ich das Baby bekommen habe, geht das natürlich erst mal nicht mehr so. Ich gebe nun vor allem Konzerte in München und nehme an einigen Festivals in Europa teil.
AVIVA-Berlin: Wie ist Dein Bezug zu Jamaika ursprünglich entstanden?
Zoe: Nun, nach Liberia konnte man lange Zeit wegen des Bürgerkrieges nicht einreisen und Jamaika ist eine Art Stück ausgelagertes Afrika. Es ist eine wunderschöne Insel und die Musik ist dort so präsent, wie ich es bisher an kaum einen anderen Ort erlebt habe.
AVIVA-Berlin: Bist Du auch der besonderen Art der Spiritualität verbunden, die in Jamaika gelebt wird?
Zoe: Ich bin sehr gläubig. Das kann man natürlich überall auf der Welt sein. Ich habe aber für mich sehr viele spirituelle Menschen auf Jamaika kennen gelernt, die mir sehr viel beigebracht haben.
AVIVA-Berlin: Hattest Du bisher die Gelegenheit, nach Liberia zu reisen?
Zoe: Nein, das war bisher leider nicht möglich. Der Krieg dort ist erst seit zwei Jahren beendet, und zur Zeit kann ich wegen des Babys erst mal nicht soweit reisen. Aber sobald mein Kind alt genug ist, plane ich, dorthin zu reisen. In Liberia regiert jetzt eine sehr gute Präsidentin und das lässt auf eine bessere Zukunft für dieses Land hoffen.
AVIVA-Berlin: Du wirst als die deutsche Reggaequeen bezeichnet. Wie würdest Du selbst Deine Musik beschreiben?
Zoe: Es ist sehr schmeichelhaft so genannt zu werden, aber ich selbst bin zu bescheiden, um so etwas über mich zu sagen. Wobei auch die Musik, die ich mache, von sehr vielen unterschiedlichen Richtungen beeinflusst wird. Es ist nicht nur Straight Reggae. Das irritiert manche Leute auch. Einige, die selbst Straight Reggae machen, sagen schon mal zu mir: "Zoe, das ist kein Reggae, da ist zu viel Pop oder zu viel Soul mit drinnen." Da ecke ich also auch mit an, aber ich finde es schön, so wie es ist, weil ich generell nicht viel von Schubladen halte, musikalisch schon gar nicht. Ich möchte einfach ein Potpourri haben, wobei der Reggae-Anteil unbestritten am größten ist.
AVIVA-Berlin: Wie bist Du denn selbst ursprünglich zum Reggae gekommen, in Deutschland ist die Musikrichtung ja nicht so stark präsent? Waren Deine Eltern Vorbilder?
Zoe: Ich bin dem Reggae einfach überall begegnet und war von der Musik begeistert. In Bayern gibt es zum Beispiel Hans Söllner, der deutschsprachigen Reggae macht.
Über meine Eltern kam das nicht unbedingt so. Als Kind habe ich sehr gerne Calypso-Musik gehört, unter anderem Harry Belafonte. Das wurde für mich zu einer ganz großen Liebe, ich mochte diese Klänge sehr. Dann bin ich vor Jahren mal im Rahmen einer Winterdepression nach Jamaika gereist und habe ich mich unendlich in diese Insel verliebt. Ich habe dort sehr viele MusikerInnnen kennen gelernt. Diese Insel hat mir den Reggae noch intensiver näher gebracht.
Und dann war da natürlich auch Bob Marley, seine Musik hat mich schon als Teenager fasziniert.
AVIVA-Berlin: Mit seinem Sohn Ky-Many Marley hast Du gemeinsam den Song "Could It be You" eingesungen.
Zoe: Oh ja, das war eine ganz tolle Erfahrung. Ich bin sehr froh darüber, dass ich in meinem Leben schon viele so wunderbare Erfahrungen machen durfte.
AVIVA-Berlin: Hast Du Dir schon einmal überlegt, auf Deutsch zu singen?
Zoe: Das hat sich für mich bisher nicht ergeben. Es liegt mir mehr, auf Englisch zu singen. Aber privat singe ich natürlich auch mal auf Deutsch. Im Moment singe ich oft Kinderlieder für meinen kleinen Sohn. Auf der Bühne auf Deutsch zu singen, war bisher für mich einfach nicht an der Reihe, wobei ich es nicht von vornherein ausschließe. Ich kann auch nicht genau sagen, warum ich mich da so entscheide, es hat sich für mich eben so angefühlt, dass ich Englisch den Vorzug gab.
AVIVA-Berlin: Wie wichtig ist Dir, mit Deiner Musik eine politische Botschaft zu vermitteln? Reggae ist von seinen Wurzeln her ja auch eine sehr politisch motivierte Musik. Als ich bei Myspace in Deine Songs hineinhörte, fiel mir auf, dass Du einige poppig angehauchte Songs hast, aber dann sind da auch ältere Songs wie zum Beispiel "Liberia"?
Zoe: Es ist immer das im Vordergrund, was mich am meisten beschäftigt. Ich mache sehr persönliche Musik. Ich finde es wichtig, dass man ehrlich ist, mit dem, was man sagt. Als ich "Liberia" geschrieben habe, ging gerade durch die Nachrichten, wie schrecklich dort die Situation im Moment ist. Das hat mich so aufgewühlt, dass ich dieses Stück geschrieben habe. Auf "Golden Rebellion", meinem letzten Album, habe ich an anderen Themen gearbeitet, die zu der Zeit für mich präsenter waren. So ergibt sich das immer. Ich möchte einfach authentisch sein, mit meinen Sound und meinen Texten.
AVIVA-Berlin: Gibt es schon Pläne für ein neues Album?
Zoe: Ja, ich plane natürlich ein neues Album, aber ich bin auch der Meinung, dass die Branche heute so wahnsinnig schnelllebig geworden ist. Man braucht Zeit zum Schreiben und zum Komponieren, damit die Musik Substanz hat. Ich wünsche mir, den Freiraum zu haben, gute Songs zu schreiben, und nicht einfach schnell irgendwelche Songs herauszugeben. Und diese Zeit möchte ich mir auch nehmen. Aber ich habe ein gutes Konzept im Herzen und hoffe, dass ich es im Winter umsetzen kann. Auf der anderen Seite ist mir mein Sohn auch sehr wichtig. Durch ihn ist es ein anderes Arbeiten geworden. Ich muss mir die Zeit anders einteilen, denn meistens habe ich ihn dabei.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview, viel Erfolg und Spaß beim Konzert!
Golden Rebellion
Label: Homeground, Grooveattack, VÖ: September 2007
All I Need (Single)
Label: Homeground, Grooveattack, VÖ: Juni 2008
Zoe im Netz: www.zoecity.de und auf MySpace