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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 22.02.2013


Rosa Morena Russa - Está ficando russo
Julia Lorenz

Was haben Kiew, Hamburg und Rio de Janeiro gemeinsam? Herzlich wenig. Dennoch wagt sich die Sängerin an die musikalische Zusammenführung dreier Kulturen und präsentiert unter der Genrebeschreibung..




..."Bossa Russa Nova" ihr erstes Baby. Der trinationale Nachwuchs meistert seine ersten Schritte mit Bravour, hat jedoch noch eine Menge Wachstumspotenzial.


Rosa Morena Russa begrüßt die LeserInnen ihrer Künstlerinnenseite mit "Moin!" - grundsympathisch und sehr norddeutsch. Wobei nur Ersteres auf die Interpretin tatsächlich zutrifft: Geboren wurde sie in Taganrog in Südrussland, aufgewachsen ist sie in Kiew. Als Sprössling einer Familie klassischer MusikerInnen war das Erlernen eines Instruments für sie quasi selbstverständlich. Bereits mit sieben Jahren begann Rosa Gitarre zu spielen, mit dreizehn castete sie das musikalische Kindertheater Pintele. Drei Europa-Tourneen folgten - ein früher Berührungspunkt mit der kulturellen Vielfalt des Kontinents.

Zwei ihrer prägendsten Begegnungen hatte die studierte Juristin jedoch jenseits der ukrainischen Grenze - und zwar in Deutschland: Nachdem ihre Familie nach Hamburg ausgewandert war, begann die Künstlerin, die Hansestadt musikalisch zu erkunden. Bei einem Konzert von Gilberto Gil entdeckte sie schließlich ihre Leidenschaft für brasilianischen Bossa Nova, Samba und Tropicalismo, den in jüngster Vergangenheit KünstlerInnen wie CéU aus der Weltmusik-Mottenkiste zurück in die einschlägigen Musikmagazine geholt hatten.

Ein weiteres schicksalhaftes Zusammentreffen ereilte Rosa Morena Russa im Jahre 2009: Bei einem Instrumentenbauer machte sie Bekanntschaft mit Adriana, einer Gitarre, die - wunderschön, aber einsam und unbespielt - die große Liebe der Sängerin werden sollte. Rosa, die bis dato eher sporadisch zur Gitarre gegriffen hatte, begann, mit ihren musikalischen Wurzeln und Einflüssen zu spielen: Osteuropäische Folklore, brasilianische Klänge und die deutsche Sprache prägen das Schaffen der Interpretin.

Samba und Borschtsch - kann das gutgehen? Durchaus: Obwohl sich "Está ficando russo!" stark am klassischen Bossa Nova orientiert, bildet die schwermütige Leidenschaftlichkeit - oder leidenschaftliche Schwermütigkeit? - der russischen Musiktradition einen dunklen, tiefen Gegensatz zum brasilianischen Laissez-faire. So beispielweise im Song "Nada mais, alem... ", der sich mit sehnsuchtsvollem Gesang, Chören und Akkordeonklängen als slawische Ballade verkleidet hat. "Sem voce" macht mit Berimbau und Geige zwei typische Instrumente aus der brasilianischen und osteuropäischen Musik miteinander bekannt, und mit russischsprachigen Titeln wie "Ya ne lublu tebya" widerlegt Rosa die immer wiederkehrende Behauptung, slawische Sprachen seien hart und wenig melodisch.

In "Vorbei" fügt sich auch die deutsche Sprache ohne Widerhaken in den sonnigen Rhythmus ein - mit dem eindeutigen Vorteil, den Lyrics Morena Russas auch ohne Handwörterbuch folgen zu können: "Eines Tages ist unserer Liebe/ Wahrscheinlich etwas Böses passiert/ Ja, sie ist mutiert/ Im Sand versunken halb tot, halb trunken/ Schau zu wie sie agonisiert", fordert sie einen namenlosen Verflossenen zu Beginn des Lieds auf, das sprachlich ein wenig geschraubt, dadurch aber erst recht charmant anmutet.

Wäre die Völkerverständigung nur immer so einfach wie bei Rosa! Die Zusammenführung sehr gegensätzlicher folkloristischer Einflüsse gelingt ihr bemerkenswert unverkrampft und entspannt. Manchmal gar zu entspannt: LiebhaberInnen osteuropäischer Harmonien dürften sich an manchen Stellen wünschen, die Dominanz der Bossa-Nova-Leichtigkeit würde etwas mehr Präsenz der slawischen Wurzeln der Künstlerin weichen.

Doch genau das macht Rosa Morena Russas Debut so sympathisch: Mensch hat das Gefühl, ihr beim musikalischen Experimentieren mit ihrer Identität über die Schulter schauen zu dürfen - Mut zur Unvollkommenheit inklusive. Dennoch: Ihr cross-culture-Bossa Nova ist eine Entdeckung. "Está ficando russo!" bedeutet auf Portugiesisch "Es wird Russisch" - im Carioca-Slang von Rio de Janeiro würde man mit denselben Worten jedoch eher warnend ankündigen: "Jetzt wird die Sache aber wirklich ernst". Einverstanden!

AVIVA-Tipp: "Aha, noch so eine Samba-Chanteuse", prophezeit der kritische Musikfan nach den ersten Tönen von Rosa Morena Russas erster Platte - und bekommt bald einen Himmel voller Geigen. Zitathaft führt die Künstlerin die melancholische Musik des Ostens an die brasilianische Sonne, gefällig und ohne Kollateralschäden. Manch eine/r würde an dieser Stelle vielleicht ergänzen: Leider. Trotzdem ist "Está ficando russo! " ein großartiges Debut, in dem - vom fantastischen Artwork des Covers von Pavel Ehrlich bis hin zu den dreisprachigen Lyrics - eine ganze Ladung Herzblut steckt.

Zur Künstlerin:
Rosa Morena Russa wurde in Südrussland geboren und ist in der Ukraine aufgewachsen. Als sie siebzehn war, wanderte ihre Familie nach Hamburg aus, wo sie an verschiedenen musikalischen Projekten in den Bereichen Pop, Jazz und Klezmer beteiligt war und Privatunterricht bei der amerikanischen Sängerin Joanne Bell nahm. Sie besuchte die Hamburg School of Music und reiste nach in Rio de Janeiro. Neben der Gitarre, mit der sie seit ihrem siebten Lebensjahr vertraut ist, beherrscht Rosa Klavier, Percussion (insbesondere Cajon), Panderio und Berimbau.
Parallel zu ihrer musikalischen Laufbahn studierte die Künstlerin Jura an der Hamburger Universität und legte 2004 ihr zweites Staatsexamen ab. Nach ihrer Promotion am Max-Planck-Institut für internationales und ausländisches Privatrecht gab sie ihre juristische Karriere jedoch für die Musik auf. Bereits seit 2009 begann die Arbeit an ihrem Debutalbum.


Rosa Morena Russa- Está ficando russo!
Label: DaCasa Records
Vertrieb: Galileo
VÖ: 22. Februar 2013

Weitere Infos unter:
www.rosamorena.de

Zur Facebook-Seite der Künstlerin:
www.facebook.com

Weiterhören auf AVIVA-Berlin:

Stockholm Lisboa Project – AURORA

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Weiterhören:

CéU






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Beitrag vom 22.02.2013

Julia Lorenz