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Beitrag vom 19.10.2011
Marketa Irglova - Anar
Evelyn Gaida
Das Solo-Debüt der 23-jährigen Oscar-Preisträgerin ist ein Zauberalbum geworden. Bisher bekannt durch ihre Rolle in dem Film "Once" und durch ihre musikalische Zusammenarbeit mit dem irischen ...
... "Frames"-Frontmann Glen Hansard, klingen die künstlerischen und biographischen Stationen der jungen Tschechin tatsächlich nach "Divine Timing", wie es in einem ihrer Songtitel heißt.
Die ausgebildete Pianistin und Sängerin lernte Hansard bei einer Party im Haus ihres konzertveranstaltenden Vaters kennen, als sie 13 Jahre alt war. Irglova und Hansard blieben in Verbindung und machten gemeinsam Musik, 2006 erschien ihr Album "The Swell Season" in Irland. Als Hansards ehemaliger Bandkollege und Filmemacher John Carney für seinen Low-Budget Independent-Film "Once" (2007) eine weibliche Hauptdarstellerin suchte, schlug der Sänger und Gitarrist Irglova vor. "Once" gewann überraschend den Publikumspreis beim Sundance Filmfestival 2008 und spielte weltweit 20 Millionen Dollar ein. Die Sensation war perfekt, als Irglova und Hansard im selben Jahr für ihren Filmsong "Falling Slowly" mit dem Oscar ausgezeichnet wurden. Die damals 19-Jährige ging als jüngste Preisträgerin dieser Kategorie in die Oscar-Geschichte ein.
Im Film stellten Irglova und Hansard die unerfüllte Once-in-a-lifetime-Begegnung eines irischen Straßenmusikers und einer tschechischen Immigrantin dar, im Leben wurden sie eine Zeit lang zum Paar, das mit "Strict Joy" (2009) ein weiteres "Swell Season"-Album herausbrachte. Inzwischen ist Irglova als Sängerin mit "Iron and Wine" getourt, hat an der Broadway-Version von "Once" mitgearbeitet und ist nach New York gezogen, wo sie sich dazu inspirieren ließ, ihr Solo-Material weiterzuentwickeln. Kürzlich heiratete sie zudem den Co-Produzenten ihres Albums und Toningenieur Tim Iseler.
Zart und leise, aber unvorhersehbar, lassen Irglovas Singer/Songwriter-Kompositionen sofort aufhorchen. Getragen von Klavier und dem lichten Gesang der Künstlerin, unterlegt mit dunklen Streichertönen, Bässen und Schlagzeugvariationen – darunter die tambourinartige, persische Daf der iranischen Percussionistin Aida Shahghasemi – bewegen sich die Songs zwischen euphorisch-hinreißenden Aufschwüngen und tiefer Versunkenheit, durchwirkt von kunstvoll verschlungenen Klanggeweben. Leichtfüßig poppige Töne schlägt Irglova in "Crossroads" und dem R&B-beeinflussten "Go Back" an, das mit Saxophon und Trompete experimentiert. In "Dokhtar Goochani" arrangiert sie traditionell persischen Folk mit sonnendurchflutet pulsierendem Daf-Rhythmus. "Anar" bedeutet auf Persisch Granatapfel, Symbol für Kreativität und Fülle. Irglova entdeckte die leuchtendrote Frucht bei einer New Yorker Kunstausstellung auf durchscheinendem Goldgrund: Das Gemälde "The Last Fall" der Iranerin Nahid Hagigat ist auf dem Albumcover abgebildet.
Irglovas Musik erweckt den Eindruck, nicht für Publikum geschrieben zu sein, sondern direkt in die emotionale und gedankliche Welt der Komponistin einzutauchen. Auch die Texte wirken wie Tagebuchaufzeichnungen, die sich keinerlei Mühe geben, kryptisch oder raffiniert zu sein, dabei gerade durch ihre furchtlos unverstellte Natürlichkeit und Offenheit ergreifen und entwaffnen. In den besten Songs wird Irglovas Musik zum selbstvergessen hinströmenden Element, das aus einer anderen Sphäre herüberbrandet. "Only In Your Head" lässt das Klavierspiel wie aus einer Quelle vergangener Zeit emportauchen und in einem tiefen Summen wieder versinken. Glitzernde Pianotropfen wechseln sich im instrumentalen "Last Fall" mit verwehten Klangpfaden ab, durchkreuzt von einer melancholisch aufgerauten Geige, die in der geschichtenschweren Weite dieser musikalischen Herbstlandschaft ihre Bahnen zieht. "Now You Know" steigert sich vom stimmlichen Minimalismus zum hochfliegenden Chor einer unausweichlichen Liebeserklärung, die unversehens in gedankenverloren liebliches Vor-sich-hin-Singen mündet – und das Album mit einem befreiten Lachen abschließt.
AVIVA-Tipp: Marketa Irglova findet auf "Anar" einen künstlerischen Zugang zu dem Ort, wo das Land ihrer Träume, Erinnerungen und Sehnsüchte offen daliegt, Zeitebenen zusammentreffen und der Blick in die Vergangenheit voller Zukunft schimmert. Musik kann trotz Melancholie schlichtes Glück sein. Mit diesem bezaubernden Debütalbum hat eine wundervolle Solo-Künstlerin die musikalische Bühne für sich erobert.
Marketa Irglova spielt am 26.10. 2011 in Hamburg (Musikhalle) und am 27.10. in Berlin (Babylon)!
Marketa Irglova
Anar
Label: ANTI-, VÖ 11.10.2011
Weitere Informationen finden Sie unter:
marketairglovamusic.com
www.facebook.com/MarketaIrglova
twitter.com
www.anti.com
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Interview with Markéta Irglová