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Beitrag vom 29.06.2008
Thea Gilmore – Liejacker
Tatjana Zilg
Die 29jährige Britin gilt als eine der hervorragendsten Songwriterinnen aus der Nachwuchsriege um Joan Baez und Bob Dylan. Nach der Geburt ihres Sohnes veröffentlicht sie ein Album, das mit einer...
... puren Schönheit für sich einnimmt und Gefühle von übersprudelndem Glück bis hin zu tiefer Traurigkeit in zerbrechlich starken Melodien einfängt.
"Liejacker" ist bereits das sechste Album in der Karriere von Thea Gilmore. Mit dem Wortspiel zu Hiejacker, das hinter dem Titel steckt, wendet sie sich gegen die Tendenz im Musikgeschäft, Songs nur zu schreiben, um den angenommenen Geschmack der Zeit zu treffen. Als "Liejacker" setzt sie sich ein für mehr Ehrlichkeit und Authentizität im Songwriting.
Die Presse bescheinigt ihr gern eine hohe Qualität: The Independent nennt sie die "größte Wortschöpferin ihrer Generation", Mojo bezeichnet sie als "verständlichste und zugleich literarischste unter ihresgleichen" und Uncut führt sie als "beste britische Singer / Songwriterin der letzten – und auch nächsten – zehn Jahre" an.
Dave Simpson von The Guardian ist nach einem Konzert im The Sage/Gateshead begeistert und beschreibt sie als "traumhafte Kombination des Songwriting-Talentes von Lucinda Williams und der kristallinen Stimme von Chrissie Hynde".
Mit den Songs von "Liejacker" hat sie einen weiteren großen Schritt hin zu einer unvergesslichen Tiefe und sinnlichen Eindringlichkeit gemacht. Dieser Prozess wurde unter anderem eingeleitet durch eine schwere Lebenskrise. Vor zwei Jahren erhielt sie die Diagnose "klinische Depression" und musste sich ihren emotionalen Abgründen stellen, auch ausgelöst durch einige Veränderungen in ihrem Umfeld: Der Trennung vom Label und Manager und zeitweilig auch von ihrem langjährigen Lebensgefährten. Im Angesicht der Depression begann sie mit der Arbeit an neuen Songs, in denen sie sich musikalisch mit der dunklen Seite des Lebens auseinander setzte. Allmählich überwand sie die Depression und die inneren und äußeren Veränderungen spiegeln sich im umfangreichen Spektrum der Songs. Ihr Sohn kam auf die Welt und eröffnete ihr bisher unbekannte Blickwinkel. Zudem heiratete sie und fand zurück zu emotionaler Stabilität.
Das bezaubernde "Old Soul" gibt den Wandel von der Traurigkeit zurück zur Lebensfreude auf sehr intensive, unschuldig sanfte Art wieder. Es ist ein Duett mit Dave McCabe, dem Sänger der Zutons. Durch seine leicht raue Stimme erhält die dahinschwebende Gitarrenmelodie und der feenhafte Gesang von Thea Gilmore einen kraftvollen Kontrapunkt. Piano-Einsprengsel und Streicher-Passagen geben dem Song eine sehnsuchtsvolle Stimmung, die Hoffnungs-Schauer durch die Seele rieseln lässt.
Den tiefen, dunklen Rhythmus von "Black Letter" ersann Thea Gilmore in einem schweren Stadium der Depression. Mit dem Song kreierte sie ein Abbild des Abwärts-Gefühlstrudels, der in dieser Phase den Alltag prägt. Die Schwere wird unterstützt durch die Basstöne eines Cellos.
Ansteckend fröhlich kommt die mit einer Mandoline-Spur bereicherte Melodie von "When I Get Back To Shore" daher. Der Refrain lädt in seiner frischen, munteren Art zum Mitsingen ein und ist eine willkommene Ergänzung für jede Sommer-Mix-CD.
Auch eine der ganz großen Songwriting-Ikonen gewann Thea Gilmore für ein Duett: "The Lower Road" singt sie gemeinsam mit Joan Baez, die in sehr lobenden Tönen von ihrer jungen Kollegin spricht.
Weiterlesen:. Interview mit Thea Gilmore
Weiterhören: Lucinda Williams und Maria Taylor .
Thea Gilmore im Netz: www.theagilmore.net.
AVIVA-Tipp: Ein Album, das auch unbekannte Gefühle aus den dunklen und hellen Ecken der Seele hervorlockt. Mal zaubern die Songs ein sanftes Lächeln auf die Lippen, dann eine melancholische Träne ins Auge, und verlassen eineM nach dem letzten Song in einem aufgewühlt angenehmen Zustand zwischen Verzückung und Leidenschaft, Kummer und Hoffnung, Träumen und Visionen.
Thea Gilmore
Liejacker
Label: Fruitcake, Fulfill, VÖ Juni 2008