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Beitrag vom 22.04.2019
Liv Strömquist - I´m every woman
Saskia Balser
In ihrem neuesten feministischen Comic verhandelt die schwedische Politikwissenschaftlerin, Comiczeichnerin und Radiomoderatorin Liv Strömquist eine Vielzahl von gesellschaftsrelevanten Themen. Im Fokus stehen dabei all jene Frauen, die Zeit ihres Lebens im Schatten ihrer berühmten Partner standen: Mit bewegenden Ausschnitten der Biografien von unter anderem Jenny Marx, Priscilla Presley und Yoko Ono dekonstruiert Strömquist in diesem Buch den Mythos des "männlichen Genies."
Wie bereits in ihren ersten beiden im avant-verlag veröffentlichten Graphic Novels, in denen es um die Kulturgeschichte der Vulva und den Zusammenhang von Liebe, Sex und Monogamie geht, so befasst sich Liv Strömquist auch in "I´m every woman" mit einem politischen und aktuellen Thema. Der Titel des Buchs spielt auf den gleichnamigen Song von Chaka Khan aus dem Jahr 1978 an, der wohl am bekanntesten in der Cover-Version von Whitney Houston ist. Mit dem entsprechenden Songtext eröffnet Strömquist ihre Comic-Sammlung:
"I´m every woman. It´s all in me. Anything you want done baby, I´ll do it naturally. […] I can sense your needs like rain into the seeds ´cause I´m every woman. It´s all in me."
Ausschließlich als helfende Hand an der Seite eines Mannes stellt sich die Sängerin selbst in den Hintergrund – ihre Sichtbarmachung und Rehabilitierung stellvertretend für alle Frauen ist Strömquists Anliegen. Dabei bewegt sie sich auf einem schmalen Grat zwischen todernst und zum Schreien komisch, so lautet beispielsweise der zynische Titel ihres ersten Comics im Buch: "Die unsäglichsten Lover der Weltgeschichte". Er beinhaltet ein Ranking, in dem Karl Marx, Edvard Munch, Sting, Pablo Picasso, Percey Shelley, Phil Spector und Albert Einstein gelistet sind – bewertet danach, wie schlecht sie mit ihren Partnerinnen umgegangen sind und wie sehr sie deren Karrieren zerstört haben. Auch Elvis Presley gehört zu diesen Männern, ihm, oder besser: seiner Frau Priscilla, widmet Strömquist sogar einen eigenen Comic: The art of leaving. Darin beschreibt die Autorin, wie Priscilla Presley durch ihren Ehemann von der Öffentlichkeit abgeschirmt leben und sich permanent nach dessen Vorstellungen verhalten oder kleiden musste. Erst nach fast zwölf Jahren gelang es Priscilla schließlich, ihm zu entkommen: "Elvis hatte sie wie ein Objekt nach seinem Willen geformt, aber tief in sich drin fand sie etwas anderes, sie fand sich selbst."
Dass der Entschluss, einen Mann zu verlassen, der das Ausleben der eigenen Fähigkeiten unterdrückt, schwer und doch notwendig ist, illustriert Strömquist auch in dem Comic "Jackson Pollocks Frau". Dabei geht es um die Künstlerin Lee Krasner, die sich 15 Jahre lang um den manisch-depressiven Alkoholiker und Maler Pollock kümmerte und kaum Zeit hatte, ihre eigene Kunst zu kreieren. Nachdem Krasner ihn verlassen hat, kam die Künstlerin Ruth Kligman mit Pollock zusammen. Die beiden erlitten einen (von Pollock verschuldeten) Autounfall, bei dem er starb. Sowohl Krasner als auch Kligman schufen nach der Trennung bzw. Pollocks Tod beeindruckende Kunst.
Auf das Ungleichgewicht, das zwischen Frauen, die sich kümmern sollen, und Männern, die ihre Freiheit ausleben dürfen, macht Strömquist auch in ihrem Comic "Oh Yoko" aufmerksam. Sie stellt dar, wie unfair diese gesellschaftlichen Konventionen sind und wie stark es von Yoko Ono war, sich diesen zu widersetzen, indem sie sich von John Lennon trennte um sich wieder voll und ganz ihrer Kunst zu widmen.
Neben dem Mythos des "männlichen Genies" kritisiert Strömquist auch dem Umgang mit Homosexualität – besonders im Hinblick auf die Diskussion von einigen Soziolog*innen und Wissenschaftler*innen darüber, ob homosexuell zu sein "natürlich" ist. Auch Körperideale, geschlechtliche Gleichstellung und das "Projekt Kernfamilie" sind Themen, die Strömquist aufgreift und in humorvollen Zeichnungen umsetzt. Anhand bekannter Fernsehserien wie den "Simpsons" oder "Barbapapa" macht sie auf soziale Probleme wie tradierte Geschlechterrollen und Sextourismus aufmerksam. So lässt sie beispielsweise Barbapapa in einem bunten Comic sagen: "Ich nehme meine Frauen wie meinen Kaffee! Also schwarz und aus einem Entwicklungsland importiert." Strömquist vereint seriöse Gesellschaftskritik mit Ironie und Witz.
AVIVA-Tipp: Jenny Marx, Tulla Larsen, Harriet Westbrook, Ronnie Spector, Lana Clarkson, Mileva Marić, Priscilla Presley, Lee Krasner, Ruth Kligman, Nadeschda Sergejewna Allilujewa, Voltairine de Cleyre und Yoko Ono – ihnen allen widmet Liv Strömquist "I´m every woman". Es ist eine geistreiche Sammlung von Comics voller Witz und Cleverness, die Spaß machen und im Gedächtnis bleiben.
Zur Autorin & Illustratorin: Liv Strömquist, 1978 in Lund geboren, ist eine mehrfach ausgezeichnete schwedische Zeichnerin und Radiomoderatorin. Seit 2005 wirkt sie beim Jugendradiosender "Sveriges Radio P3" mit und war Moderatorin bei den beiden satirischen Programmen Tankesmedjan und Pang Prego. Zeitgleich gelang ihr als Comiczeichnerin der Durchbruch mit ihrem ersten Album "Hundra procent fett" ("100 procent fett"). 2016 wurde Liv Strömquist der "Ehrendoktor der Hochschule Malmö von der Fakultät für Lehramtsausbildung und Gesellschaft" verliehen. Mit "Der Ursprung der Welt" von 2017 und "Der Ursprung der Liebe" von 2018 hatte sie globalen Erfolg: Die Bände wurden von Kritiker*innen gelobt und in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Mehr Infos unter: www.rikedom.se und www.facebook.com
Liv Strömquist
I´m every Woman
Ãœbersetzung aus dem Schwedischen: Katharina Erben
Verlag: avant-verlag, erschienen März 2019
Softcover, 112 Seiten, vierfarbig. Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-964450-001-2
Euro 20,00
Mehr Infos zum Buch unter: www.avant-verlag.de
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Liv Strömquist – Der Ursprung der Welt
Ein kompromissloses und aufklärerisches Comic-Buch über die patriarchale Kulturgeschichte der Vulva aus der Feder der schwedischen Politikwissenschaftlerin, Radiomoderatorin und Künstlerin Liv Strömquist. Ein schamloses Vergnügen! (2017)
Slavenka Drakulić: Mileva Einstein oder Die Theorie der Einsamkeit. Marie Benedict: Frau Einstein
Kurz vor ihrem 70. Todestag am 4. August 2018 sind zwei Romane über Mileva Marić erschienen, deren Herangehensweisen sehr unterschiedlich sind. Sichtbar machen beide das Leben und Wirken von Mileva Marić: Die serbische Mathematikerin und Physikerin und erste Ehefrau von Albert Einstein war 1896 die zweite Frau, die an der der Abteilung für Mathematik und Physik am Polytechnikum Zürich ein volles Studium absolvierte. (2018)
Katja Klengel – Girlsplaining
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Pénélope Bagieu - Die Unerschrockenen 2. Fünfzehn Porträts außergewöhnlicher Frauen
Der zweite Band der Unerschrockenen ist erschienen! Ob Tierdolmetscherin, Banditenkönigin oder Vulkanologin: die begnadete Cartoonistin und Comic-Künstlerin Pénélope Bagieu ("California Dreamin´ - Cass Elliot and The Mamas & the Papas") zeichnet auch hier wieder ein breites Spektrum abenteuerlichster Frauen, die voller Mut, Eigensinn und Klugheit lebten. (2018)
Jacky Fleming - Das Problem mit den Frauen
"Warum sind die meisten bekannten Genies eigentlich männlich?" fragt sich die britische Autorin und Cartoonistin und gibt in unterhaltsamen und sarkastischen Illustrationen anhand von abstrusen Zitaten die Antworten. Erdacht von Männern, natürlich. (2017)
Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen
Der mitreißende Film, für drei Oscars nominiert, erzählt die wahre und weitgehend unbekannte Geschichte drei afroamerikanischer Mathematikerinnen, die Anfang der 60er Jahre die ersten NASA-Missionen möglich machten - zu einer Zeit, die von Rassentrennung bestimmt war und Computer noch nicht existierten. (2017)
Antje Schrupp und Patu - Kleine Geschichte des Feminismus
Reise durch die feministische Herstory auf 88 Seiten: Die bekannte Netzfeministin erzählt in einem geistreichen und originell bebilderten Streifzug die Geschichte von Feministinnen seit der Antike. (2015)
Rebecca Solnit - Wenn Männer mir die Welt erklären
Nach der einflussreichen feministischen Kritik des berühmten Essays "Men Explain Things To Me" liefert die preisgekrönte Schriftstellerin im neuen Sammelband sechs weitere provokative Kommentare,erschienen im August 2015 bei Hoffmann und Campe. (2015)
Ulrike Halbe-Bauer und Brigitta Neumeister-Taroni - Bedeutende Künstlerinnen - Ich mach es auf meine Art
Bedeutsam und doch in Vergessenheit geraten ist der Großteil der 12 Künstlerinnen (darunter Lee Krasner), die von einer Historikerin und einer Redakteurin in diesem reich bebilderten Portrait wiederentdeckt werden. Ihr Leben, Werk und Erbe werden dabei auf anschauliche und unterhaltsame Weise vom Staub der Geschichte befreit und ins rechte Licht der Kunsthistorie gerückt. (2014)
Catrine Val – FEMINIST
Das soziale Geschlecht der Frau? Die Künstlerin Catrine Val hält in 78 Selbstportraits 78 "soziale Geschlechter" fest - ein postfeministischer Bildband oder auch einfach ein Aufruf zur Freiheit. (2012)
Das Weiberlexikon - Hrsg. Florence Hervé und Renate Wurms
1985 zum ersten Mal erschienen und jetzt wieder erhältlich in der fünften und neu bearbeiteten Auflage. Das Weiberlexikon – mit dem geballten Wissen über Weiblichkeit(en) von Abenteuerin bis Zyklus (2012)
Yoko Ono Talking
Zum 75. Geburtstag lässt der Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag die Jubilarin in einem bunten Zitate-Medley selbst zu Wort kommen. Der Bildband lädt zum Verweilen und Entdecken ein. (2008)
Die Frauen der Genies
Friedrich Weissensteiner stellt in sechs Biografien die Frauen vor, die selbstbewusst für Werk und Ruhm der schöpferischen und bis heute unvergessenen Geister unserer Geschichte einstanden. (2005)