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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 08.03.2019


Mackenzi Lee - Kick-Ass Women. 52 wahre Heldinnen
Doris Hermanns

Ob sie nun Heldinnen sind oder nicht, die Historikerin Mackenzi Lee wirft einen Blick auf die Geschichte von Frauen und lässt uns dabei zahlreiche eher unbekannte Frauen kennenlernen. In ihren Kurzbiografien ist viel über die unterschiedlichsten Lebenssituationen von Frauen in verschiedenen Ländern zu erfahren.




"Wenn man den durchschnittlichen Geschichtsseminaren Glauben schenkte, waren Frauen stets viel zu sehr mit den Einschränkungen ihres eigenen Geschlechts beschäftigt, um Geschichte zu schreiben." Aber damit gab sich Mackenzi Lee nicht zufrieden, waren es doch gerade Frauen, über die sie mehr erfahren wollte und wegen denen sie überhaupt angefangen hatte, sich für Geschichte zu interessieren. In diesem Band hat sie jetzt 52 ihrer Lieblingsfrauen zusammengestellt, die sie vorher über Twitter bekannt gemacht hat.

Schon der Sammelband von Elena Favilli und Francesca Cavallo Good Night Stories for Rebel Girls war ein großer Erfolg. Offensichtlich ist das Bedürfnis groß, endlich mehr Lebensgeschichten von Frauen lesen zu können. Was den jetzt erschienenen Band aber deutlich unterscheidet, ist, dass hier vor allem zahlreiche Porträts von Frauen zu finden sind, die eher unbekannt sind, auch wenn einige wenige vielleicht schon von Anne Lister, Christina von Schweden oder Emmy Noether gehört haben werden.

Auf meist drei Seiten – zwei davon Text und eine ein gezeichnetes Porträt – werden die 52 Frauen vorgestellt. In historischer Reihenfolge reichen sie von der chinesischen Kaiserin Leizu (um 2.700 v. u. Z.) bis zu der afro-amerikanischen Theaterautorin Lorraine Hansberry (1930-1965). Es sind eher flapsig erzählte Lebensgeschichten, die eher für ein jüngeres Lesepublikum geschrieben wurden, und keine wirklich biografisch fundierten Kurzporträts. Aber sie geben das Wichtigste aus dem Leben der jeweiligen Frauen wieder, manchmal am Ende noch kurz ergänzt mit historischen Informationen. Und vor allem zeigen sie eine große Bandbreite von Frauenleben auf: Die Porträtierten kommen aus den unterschiedlichsten Ländern und sind wegen verschiedenster Tätigkeiten oder Berufe bekannt. So gibt es Porträts von Hatschepsut, der ersten ägyptischen Pharaonin, der Japanerin Murasaki Shikubu, der ersten Romanschriftstellerin der Welt, von diversen Piratinnen und Spioninnen, von Fatima al-Fihri, der Gründerin der ersten neuzeitlichen Universität, von Anne Lister, der unermüdlichen lesbischen Tagebuchschreiberin im 19. Jahrhundert, aber auch von einer früher Astronomin (Annie Jump Cannon), einer somalischen Königin (Königin Arawelo) sowie der Wrestlerin Khutulun aus der Mongolei, aber auch von Frauen aus dem Widerstand, wie z. B. den Mirabel-Schwestern aus der Dominikanischen Republik (einigen vielleicht bekannt aus dem Roman Die Zeit der Schmetterlinge von Julia Alvarez) und Irena Sendler, die tausende jüdische Kinder aus dem Warschauer Ghetto gerettet hat.

Es sind nicht immer nur positive Beispiele, so sind in dem Band durchaus auch Kriegerinnen und Verbrecherinnen vertreten, aber Frauen sind natürlich auch nicht immer nur Vorbilder. Einige würde ich dann sicher auch nicht als Heldinnen bezeichnen wollen.

Von den frühesten Aufzeichnungen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bekommen wir so eine Ahnung, was Frauen alles getan haben. Und beim Lesen auch eine Ahnung, warum dies so gerne verschwiegen wird. Wie sonst sollte das Bild von Frauen als häuslich und friedfertig aufrechterhalten werden? Warum sollten Frauen und Mädchen sich sagen lassen, dass sie für was auch immer nicht geeignet wären, weil es nicht "in ihrer Natur" läge, wenn sie lesen, dass andere lange vor ihnen genau dies schon getan haben? Wenn schon Mädchen wissen, dass sie alles machen können und sich nicht von Stereotypen abschrecken lassen brauchen, wer weiß, was sie dann alles erreichen können.

Illustriert sind die Porträts von Petra Eriksson. Es sind wunderbare bunte klare Bilder, die die Texte passend ergänzen.

Bedauerlich ist nur, dass die gesamte Literaturliste ausschließlich die englischsprachigen Titel umfasst. Hier wäre eine Überarbeitung dringend notwendig gewesen, so dass zumindest die deutschsprachigen Übersetzungen und Titel über diese Frauen aufgenommen worden wären. Denn die kurzen Porträts machen Lust darauf, mehr von diesen Frauen zu erfahren.

AVIVA-Tipp: Ein sehr lebendig geschriebenes Buch, das einfach Spaß macht zu lesen, das viel über Frauen in der Geschichte zu erzählen weiß und neugierig auf mehr macht: auf mehr Bücher über die Leben von den verschiedensten Frauen.

Zur Autorin: Mackenzi Lee, Historikerin, New York Times-Bestseller-Autorin, unabhängige Buchhändlerin.
Mehr Infos: www.mackenzilee.com
Zur Übersetzerin: Jenny Merling , geboren 1983, in Potsdam aufgewachsen. studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und übersetzt Romane aus dem Englischen ins Deutsche. Zwischenstopps in den USA und Russland wirken bis heute nach, beruflich übersetzt sie aber nur aus dem Englischen ins Deutsche.
Zur Illustratorin: Petra Eriksson Schwedische Illustratorin und Künstlerin, die in Barcelona lebt. Gründungsmitglied von HER Barcelona, Teil des HER Global Networks. Zwanghafte Zeichnerin und professionelle Teetrinkerin mit einer Liebe für Punkte, leuchtende Farben und Konfetti.
Mehr Infos: www.petraeriksson.com

Mackenzi Lee
Kick-Ass Women. 52 wahre Heldinnen

Originaltitel: Bygone Badass Broads
Aus dem Englisch von Jenny Merling
Illustrationen: Petra Eriksson
Suhrkamp Verlag, suhrkamp nova, erschienen am 11. März 2019
Gebunden. 175 Seiten
ISBN 978-3-518-46957-6
Euro 20,00
Mehr zum Buch: www.suhrkamp.de

Weiterlesen über Frauenleben auf FemBio und im Jewish Women´s Archive:
www.fembio.org und jwa.org

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Beitrag vom 08.03.2019

Doris Hermanns