Michael Degen – Mein heiliges Land - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 08.09.2007


Michael Degen – Mein heiliges Land
Annegret Oehme

Auf der Suche nach seinem Bruder begibt sich der bekannte deutsche Schauspieler 1949 nach Israel und findet sich in einer gerade neu erwachenden Welt wieder, die ihn das Staunen lehrt.




"Es gibt keine andere Heimat als die Familie. Selbst wenn uns nur ein kleiner Rest davon geblieben ist." (Michael Degen)

In "Mein heiliges Land" berichtet Michael Degen von den Jahren 1949 und 1950, die er in Israel verbrachte, auf der Suche nach seinem Bruder. Inhaltlich bildet der autobiografische Roman die Fortsetzung seiner 1999 erschienenen Kindheitserinnerungen "Nicht alle waren Mörder".

Während des Nationalsozialismus lebte Michael Degen mit seiner Mutter, als sogenannte "U-Boote", versteckt in Berlin. Der Vater wurde 1939 in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert und starb kurz nach seiner Freilassung an den Folgen. Mutter und Sohn blieben in Berlin und versuchten einen Neubeginn. Mit 15 Jahren sprach Michael Degen bei Gustav Gründgens vor und bekam einen Platz an der Schauspielschule des Deutschen Theaters.

"Mein heiliges Land" setzt 1949 ein. Der junge Michael erhält unbefristeten Urlaub, um seinen älteren Bruder zu suchen. Dieser war 1940 auf einem Gut in Brandenburg, im Zuge der Hachschara-Bewegung, auf ein Leben in Israel vorbereitet worden. Anna Degen schickt nun ihren jüngsten Sohn, ihn zu suchen, und verspricht, bald nachzukommen.

In Haifa angekommen soll Michael zunächst zum Militär. Dieses Vorhaben stößt bei dem Pazifisten allerdings auf erbitterten Widerstand. Eine Lungenkrankheit wird seine Rettung und man entlässt ihn.
Auf der Spurensuche in den Kibbuzim lernt er den Teil seiner Familie kennen, der noch vor dem Krieg auswandern konnte.
Große Bedeutung gewinnt für ihn ein hundertjähriger Großonkel, der täglich zum beten in die Synagoge geht und doch ganz offen in Glaubensdingen ist. Beide fassen schnell Vertrauen zueinander und Michael findet in ihm eine Art Vaterfigur, mit der er über die Dinge sprechen kann, die ihn bewegen.

Als er seinen Bruder schließlich findet, hat dieser den hebräischen Namen Arie angenommen. Arie arbeitet als Hebräischlehrer für Neueinwanderer.
Die beiden Brüder beziehen eine gemeinsame Wohnung und auch Michael widmet sich nun dem Studium des Neuhebräisch.
Trotz aller Erfahrungen und Eindrücke, bleibt die Schauspielerei sein erklärtes Ziel. Mit jugendlichem Übermut und einem starken deutschen Akzent spricht er bei den Kammerspielen in Tel Aviv vor, die zu jener Zeit noch wie eine Kommune strukturiert sind.
Tatsächlich bietet man ihm eine Rolle, die er mit Bravour meistert, und nimmt ihn ins Ensemble auf.

In "Mein heiliges Land" gewährt Michael Degen den LeserInnen einen sehr persönlichen, kritischen Blick auf die Anfangsjahre des Staates Israel, der keinen Anspruch erhebt, ein umfassender historischer oder auf Vollständigkeit bedachter Bericht zu sein.

Zum Autor: Michael Degen, geboren am 31.1.1932 in Chemnitz, arbeitete nach seiner Rückkehr nach Deutschland mit großen Theatermachen wie George Tabori, Bertolt Brecht und Peter Zadek. Nebenher erlangte er mit zahlreichen Film- und Fernesehrollen große Berühmtheit. Bis heute wirkt er in Produktionen, wie "Die Buddenbrooks", "Die Geschwister Oppermann" und den gegenwärtigen Donna Leon-Verfilmungen mit.
Sein erster autobiografischer Roman "Nicht alle waren Mörder" wurde 2006 verfilmt und mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.
Mit den Büchern "Blondi" und "Der Steuerhinterzieher" wagte er sich in den letzten Jahren auch ins fiktive Genre vor.

AVIVA-Tipp: Michael Degen berichtet in "Mein heiliges Land" von jugendlichem Übermut, der Suche in einem ihm fremden Land und dem starken Willen eines Jugendlichen, der zum Theater will. Aber auch der tief verletzte Mensch, voller Zweifel, der seine verlorene Kindheit, versteckt in Berlin, mit sich herum trägt, kommt zum Vorschein.
Nicht alle SchauspielerInnen, die in den letzten Jahren ihre Autobiografien veröffentlichten, hatten tatsächlich Interessantes zu berichten. Michael Degen schon.

Lesen Sie auch unsere Rezension zur Verfilmung von "Nicht alle waren Mörder".

Buchrezensionen:
Michael Degen
Mein heiliges Land. Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder
Rowohlt Berlin, erschienen März 2007
ISBN 3871345598
19,90 Euro


Literatur

Beitrag vom 08.09.2007

AVIVA-Redaktion