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Beitrag vom 08.09.2006
Gisela Elsner - Das Berührungsverbot
Silvy Pommerenke
Elsner ist das, was man gemeinhin eine tragische Gestalt nennt. Aber aus der Tragik ihres Lebens hat sie ihre Romane und Erzählungen geschaffen, die sonst niemals geschrieben worden wären.
Der Berliner Verbrecher Verlag bringt nun nach "Die Zähmung" (von 2002) einen zweiten Roman Elsners heraus, "Das Berührungsverbot".
Entstanden 1970, hat er zum Inhalt die sexuellen Verklemmtheiten und Ausschweifungen mehrerer miteinander befreundeter Ehepaare.
Das Buch wurde von Elsner als Antiporno konzipiert und fiel in die Zeit der sexuellen Revolution der 68er Bewegung. Der Roman führte sie aber gleichsam ad absurdum, da er sich gegen die Verlogenheit der bürgerlichen Moral richtete.
In Folge des Erscheinens fühlten sich die Sittenwächter der siebziger Jahre zum Handeln aufgerufen, denn in der Schweiz wurde die Zeitschrift "Konkret", die Auszüge daraus veröffentlichte, konfisziert, und in Österreich wurde der Roman sogar als jugendgefährdende Schrift verurteilt. Heute liest er sich hingegen ungemein amüsant, und der Leserin treibt es so manches mal die Lachtränen in die Augen, wenn sie den halbherzig und unbeholfen ausgeführten Sexualpraktiken der ProtagonistInnen beiwohnt. Sie scheitern letztendlich an der Doppelmoral und das Triebhafte in ihnen bleibt verkümmert auf der Strecke.
Dass sich der Verbrecher Verlag der Neuedition einiger Werke Elsners widmet, freut das Literatinnenherz ungemein. Denn ihr gesamtes Oeuvre ist nur noch antiquarisch zu erwerben, außer ihrem ersten Roman "Die Riesenzwerge", der vor fünf Jahren im Aufbau Taschenbuchverlag wieder herausgebracht wurde.
Mit diesem Werk betrat Elsner 1964 die große Bühne der literarischen Öffentlichkeit und erhielt dafür den Prix Formentor. Bereits 1962 stellte sie daraus Textauszüge während einer Tagung der Gruppe 47 vor, bei der sie vom Rowohlt-Verlag entdeckt und unter Vertrag genommen wurde. Dieser trennte sich jedoch Ende der achtziger Jahre von ihr, was der Ausnahmeliteratin Elsner allerdings nicht gerecht wurde.
Sie war neben Elfriede Jelinek eine der größten deutschsprachigen Satirikerinnen der Gegenwartsliteratur. Ihr Werk war von der Groteske geprägt, und sie verstand es brillant, den Blick auf die Abgründe des kleinbürgerlichen Spießertums zu lenken. Elsners Sohn, Oskar Roehler, hat mit dem Film "Die Unberührbare" von 1999 seiner Mutter ein wunderschönes Denkmal gesetzt.
Die Autorin wurde von den sechziger bis in die achtziger Jahre viel und vor allem konträr von den LiteraturkritikerInnen besprochen. Für die meisten war ihr Schreibstil zu "männlich", da man es von einer Frau nicht gewohnt war, dass sie mit satirischer Ader und bösem Blick auf die Missstände in der Gesellschaft aufmerksam machte. Ihr eigenes Leben war - ähnlich dem ihrer Romanfiguren - denn auch von Depressionen, Alkohol- und Tablettenmissbrauch geprägt.
Am 13. Mai 1992 entschied sie sich, ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Weiterlesen: Elfriede Jelinek und Gabriele Wohmann.
AVIVA-Tipp: Gisela Elsner verdient die unbedingte Aufmerksamkeit der Gegenwart. "Das Berührungsverbot" ist eine ironisch bissige Satire auf die vermeintliche sexuelle Befreiung durch die 68er Generation und wirft einen Blick auf die Bundesrepublik der frühen siebziger Jahre.
Der Verbrecher Verlag im Netz: www.verbrecherei.de
Gisela Elsner
Das Berührungsverbot
Verbrecher Verlag, erschienen August 2006
ISBN: 3935843674
13,00 Euro
Kartoniert, 200 Seiten90008115&artiId=5211513&nav=5081" .