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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 02.09.2006


Mutter ist an allem Schuld. Eine Betrachtung von Marion Becker-Richter
Christiane Sanaa

Irgendwann trifft es jede, egal wann und warum sie Kinder bekam und wie sie ihr Leben und die Erziehung gestaltete. Die Vorwürfe erwachsener Töchter lassen die Mutterfalle zuschnappen.




Die Liste der Beschuldigungen, der sich Mütter ausgesetzt sehen, ist lang:
Als "Vollzeit-Karrierefrau" werden sie der Vernachlässigung und des Egoismus bezichtigt, da sie "nur ihre Karriere im Kopf hatten".
Als "Teilzeit-Berufstätige" waren sie doch nur abgehetzt zwischen Beruf, Haushalt und Familie und hatten nie wirklich Zeit für Ihre Kinder.
Die so genannte "Nur-Hausfrau" schneidet auch nicht gerade gut bei ihren Töchtern ab. Sie sei kein Vorbild für eine selbständige moderne Frau, sie habe den armen Vater wie einen Esel schuften lassen, während sie selbst die Vorzüge des süßen Lebens genoß, das durch das bißchen Hausarbeit kaum gestört wurde.
Haben sie ihre Kinder als junge Frauen bekommen, waren sie "noch nicht reif für die Erziehung". Die älteren Mütter, die zunächst ihre Ausbildung abschlossen und einen Beruf ausübten, hatten wieder nur ihre Karriere im Kopf.
Ausgesprochene Wunschkinder sehen sich als Lückenbüßer für den nicht vorhandenen Sinn im Leben der Mutter. "Zufallskinder" empfinden sich schließlich als ungewollt.
Mal war die Erziehung zu streng, mal nicht konsequent genug. Mal war die Familie zu reich, um den Kindern den wahren Wert der Dinge zu lehren, mal zu arm, um sie in den vollen Genuß aller Möglichkeiten, wie Klavierunterricht und teure Auslandsstudien zu bringen.

Es scheint so, als ob Mütter, wie auch immer sie ihre Kinder erzogen haben, diese in Unzulänglichkeiten, Unfähigkeiten und Neurosen trieben. Die Vorwürfe treffen die Mütter mitten ins Herz, die "Mutterfalle" schnappt zu, und sie martern sich als "Rabenmütter" mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen.

Hier setzt der Ratgeber von Marion Becker-Richter an.
Er zeigt, dass Mütter mit diesem Problem nicht alleine sind. Fast alle Töchter machen eine Phase durch, in der sie die Schuld für jede Unzufriedenheit mit sich selbst ihren Müttern geben. Väter stehen nicht so sehr im Zentrum der Kritik, da sie als Brotverdiener selten anwesend waren und so auch kaum Fehler machen konnten. Außerdem sind sie nach Ansicht von Marion Becker-Richter nicht so anfällig für den ganzen "Psychokram". Das gleiche trifft auf die Söhne zu. Sie mäkeln nicht soviel an ihren Müttern rum, was dann aber die Schwiegertöchter übernehmen, die ebenfalls der Erziehung der Schwiegermütter die Schuld an den Unfähigkeiten ihrer Ehemänner geben.

Marion Becker-Richter macht deutlich, wie solche Vorwürfe entstehen und dass sie meistens nicht gerechtfertigt sind. Vielmehr handelt es sich häufig nur um das Abwälzen der eigenen Verantwortung auf die Mutter.
Sie zeigt, wie man als Mutter mit solchen Vorwürfen umgehen kann: Wenn sie gerechtfertigt sind und ein tiefes Trauma hinterlassen haben, wie z.B. bei Mißhandlungen, dann kann das Buch nicht weiterhelfen. In den übrigen Fällen kann die Kritik als Chance zur Öffnung und konstruktiven Auseinandersetzung genutzt werden, die zu einer Erneuerung des Mutter-Tochter-Verhältnisses führen könnte. Die Mutter kann die Schuldgefühle als "Rabenmutter" überwinden, sich dort entschuldigen oder abgrenzen, wo es notwendig ist. So wird sie zu einer "erwachsenen Mutter". In jedem Fall ist Gelassenheit das oberste Gebot, um eine Eskalation des Konfliktes zu vermeiden.

AVIVA-Tipp: Das Buch von Marion Becker-Richter ist ein einfühlsamer Ratgeber, denn die Autorin weiß, wovon sie spricht. Als Mutter von zwei erwachsenen Kindern hat sie die Problematik am eigenen Leibe erfahren. Die Interviewausschnitte aus Gesprächen mit ca. 50 Müttern und Töchtern machen die Lektüre kurzweilig und versetzten die Leserin so manches Mal in Erstaunen. Das Buch ist auch für Mütter von kleineren Kindern interessant, die häufig mit Ideal der Supermutter kämpfen und schon jetzt von Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen geplagt werden. Es rückt das Verhältnis von überhöhten Ansprüchen und realistischen Möglichkeiten zurecht.

Die Autorin: Dr. Marion Becker-Richter, 43, hat Soziologie, Psychologie und Pädagogik studiert und danach lange in Forschungsprojekten gearbeitet. Heute arbeitet sie selbständig in der Medienproduktion. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern und lebt mit ihrem Partner und einem weiteren fast erwachsenen Kind in Essen. Mehr Infos unter: www.mutteristanallemschuld.de


Marion Becker-Richter
Mutter ist an allem Schuld

Mit Vorwürfen erwachsener Töchter umgehen
Kösel-Verlag, erschienen Februar 2006
ISBN 3-466-30705-8
14,95 Euro
192 Seiten, kartoniert90008115&artiId=5196450"



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Beitrag vom 02.09.2006

AVIVA-Redaktion