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Beitrag vom 26.06.2006
Mein blaues Klavier
Sarah Ross
Es ist Else Lasker-Schülers letztes Buch, das sie im Sommer 1943 in Jerusalem veröffentlichte. Darin versammelt sind Gedichte, die sie in der Emigration geschrieben hat.
Mein blaues Klavier
Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seitdem die Welt verrohte.
Es spielten Sternenhände vier -
Die Mondfrau sang im Boote.
- Nun tanzen die Ratten im Geklirr.
Zerbrochen ist die Klaviatur.
Ich beweine die blaue Tote.
Ach liebe Engel öffnet mir
- Ich aß vom bitteren Brote -
Mir lebend schon die Himmelstür,
Auch wider dem Verbote.
Die deutsche Lyrikerin Else Lasker-Schüler, die 1939 nach Israel emigrierte, zählt zu den wichtigsten ReformerInnen der Dichtkunst zu Beginn der klassischen Moderne. Charakteristisch für ihre Werke ist, dass sie in ihnen häufig ihre persönlichen und intimen Erfahrungen und Empfindungen verarbeitet - so auch in ihrem letzten, 1943 in Jerusalem erschienen Gedichtband, "Mein blaues Klavier". Bereits die Zeichnung auf dem Titelblatt, die Widmung und schließlich auch das erste Gedicht des kleinen Bandes lassen seine Hauptthematik erkennen: "Prinz Jussufs" (wie Else Lasker-Schüler sich selbst nennt) Abschied von den FreundInnen.
Als Hitler 1933 in Deutschland die Macht ergreift und das NS-Regime Lasker-Schülers Arbeiten als "schädliches und unerwünschtes Schrifttum" verunglimpft und sogar verbietet, bleibt der jüdischen Dichterin nur mehr die Flucht von Berlin nach Zürich. Als die 70-jährige jedoch im März 1939 bei ihrer Rückkehr von Palästina nicht wieder in die Schweiz einreisen darf - denn die Schweiz hatte den Aufenthalt des deutschen Flüchtlings zuvor nur widerwillig toleriert - emigriert Else Lasker-Schüler ganz ins "Hebräerland". In Jerusalem lebte sie bis zu ihrem Tod im Januar 1945.
In Israel lebt sie von einer kleinen Rente und teilt den schwierigen, von Spannungen und Unruhen geprägten Alltag der EmigrantInnen in Palästina während des Zweiten Weltkrieges. Aus der Ferne erlebt sie fassungslos die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden. Daher sprechen aus ihrer letzten Gedichtsammlung sowohl die Trauer, der Schmerz, als auch die Einsamkeit der Verscheuchten, die sie mit folgender Widmung versah: "Meinen unvergeßlichen Freunden und Freundinnen in den Städten Deutschlands - und denen, die wie ich vertrieben und nun zerstreut in der Welt, in Treue!". Aber auch Liebesgedichte von überwältigender Schönheit wurden in die Sammlung dieser Gedichte, die sie im Exil schrieb, aufgenommen.
Alle zeugen sie von Lasker-Schülers Vorliebe für die Entwicklung einer artifiziellen Sprache und eigensinnigen Bildhaftigkeit.
Im Alter von 73 Jahren veröffentlichte sie in Palästina ihr letztes Buch Mein blaues Klavier. Zwei Jahre später stirbt sie. An ihrem Grab am Ölberg spricht der Rabbiner Verse aus diesem Buch: "Ich weiß, daß ich bald sterben muß / ... / Ich setze leise meinen Fuß / Auf den Pfad zum ewigen Heime."
AVIVA-Tipp:
Else Lasker-Schülers letzte Gedichtsammlung Mein blaues Klavier ist nun im Jüdischen Verlag bei Suhrkamp in einer ansprechenden Ausgabe wieder aufgelegt worden. Die Einzelausgabe ist um ein Nachwort, das die Herausgabe dieses Bandes und die letzten Lebensjahre der Dichterin in Jerusalem in den Blick nimmt, ergänzt.
Zur Autorin:
Else Lasker-Schüler wurde 1869 in Elberfeld bei Wuppertal in eine gutbürgerliche jüdische Familie hineingeboren. 1894 heiratete sie den Arzt Berthold Lasker-Schüler, von dem sie sich fünf Jahre später trennte. Um die Jahrhundertwende fand sie Zugang zur avantgardistischen Künstlerszene Berlins Von 1903-12 war sie mit ihrem zweiten Mann Herwarth Walden verheiratet, dem späteren Herausgeber der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm". Im Jahr 1912 lernte sie Gottfried Benn kennen, zu dem sie eine eher problematische Beziehung unterhielt, und dem sie in ihren Gedichten den Namen "Giselheer der Barbar" verpasste. 1933 flüchtete Else Lasker-Schüler aus Berlin nach Zürich, ab 1939 lebte sie in Jerusalem, wo sie im Januar 1945 starb. Ihre Werke und Briefe erscheinen seit 1996 im Jüdischen Verlag im Suhrkamp Verlag.
Else Lasker-Schüler
Mein blaues KlavierNeue Gedichte
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Ricarda Dick
Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, erschienen März 2006
ISBN 3-633-54220-5
62 Seiten, Gebunden
16,80 Euro
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