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Beitrag vom 29.04.2006
Berlin unterm Hakenkreuz
Constanze Geißler
Auf welche Weise verschaffte sich die NSDAP eine Mehrheit? Wie sah das Berliner Leben während des Nationalsozialismus’ aus? Der Publizist Sven F. Kellerhoff schreibt anschaulich über das Thema
Die Herrschaft des NS-Regimes in Berlin begann auf der Straße. Diese historische Beobachtung schildert der Autor in den ersten beiden Kapiteln seines Buches. Nachdem der spätere Propagandaminister Joseph Goebbels 1926 in der Hauptstadt angekommen war, instrumentalisierte er die SA zu einer Exekutive der NSDAP. Durch gewalttätige Übergriffe und demonstrative Aufmärsche verschafften die "Schlägertrupps" der Partei den "Weg zur Macht" in der demokratisch gesinnten Stadt - obwohl es zunächst zu keiner Popularität verhalf.
Der "Brutale Triumph" gipfelte am 30. Januar 1933 mit der Ernennung Hitlers zum Reichkanzler. Die SA und SS weiteten Verfolgungen von Juden, KommunistInnen und anderen Oppositionellen aus und schufen der Errichtung der NS-Diktatur eine Basis. Kellerhoff erinnert an die "Köpenicker Blutwoche", an Verhaftungswellen, "Sturmlokale" und Haftanstalten, die in Berlin verbreitet waren.
Auch begründet er die stetig steigenden Wahlergebnisse der NSDAP mit dem aktuellen Zeitgeschehen der schon längst gescheiterten Weimarer Republik.
Kellerhoff berichtet oftmals aus Sicht von Zeitgenossen und Zeitgenossinnen, indem er in- und ausländische Zeitungsartikel bzw. Rundfunkberichte und Tagebucheintragungen von Schriftstellern, Berliner BürgerInnen, JournalistInnen und Politikern zitiert. Der Autor klärt politisch propagandistische Ereignisse - nicht nur die Bücherverbrennung auf dem heutigen Bebelplatz oder den Fackelzug durch das Brandenburger Tor.
Das Bemerkenswerte an dem Buch sind die zahlreichen Fotografien, welche teilweise erstmals aus dem Preußischen Staatsarchiv veröffentlicht wurden und das nationalsozialistische Berlin und seine Protagonisten zeigen.
Im Mittelpunkt des 4. Kapitels "Nationalsozialistische Stadt" stehen die immensen Bauaktivitäten der NSDAP, etwa das von 1934 bis 1936 umgebaute Olympiastadion als Schauplatz der Weltmeisterschaften. Die stark umstrittene Filmemacherin Leni Riefenstahl drehte dort 1936 ihre "Olympia"-Filme. Doch das Wirken von KünstlerInnen, neben Architekt Albert Speer, und das Theater- und Kinoleben in der Kulturstadt Berlin erwähnt Kellerhoff nicht.
In den letzten beiden Kapiteln wird das Leben unter der Diktatur, sowie der späteren alliierten Luftangriffe dargestellt. Vermehrt nutzt Kellerhoff Rundfunkberichte eines CBS-Korrespondenten. Der Autor beschreibt die Zeit der Deportation der Juden und den Widerstand, den Teile der Berliner Bevölkerung leisteten.
Am Ende des Buches "Berlin unterm Hakenkreuz" befindet sich ein Stadtplan, in dem die Regierungsgebäude der NSDAP und die Botschaften der damals verbündeten (faschistischen) Regime Italien, Spanien, Jugoslawien und Japan verzeichnet sind.
AVIVA-Tipp:
Ein Kompendium mit knappen Kapiteln, das zahlreiche Fakten und Ereignisse wiedergibt. Leicht zugespitzt formuliert führt der Autor seine LeserInnen durch das nationalsozialistische Berlin. Die veröffentlichten Fotografien bezeugen aus politischer und privater Perspektive die Zeit zwischen 1925 und 1945.
Zudem bindet Kellerhoff zahlreiche Quellen in den Text ein - darunter Josef Goebbels Tagebuch. Pressezitate lassen die öffentliche Meinung verlauten oder schildern (aus Sicht des amerikanischen Korrespondenten Howard K. Smith) distanziert das Geschehen.
Zum Autor:
Sven Felix Kellerhoff, geboren 1971 in Stuttgart, studierte Geschichte und Medienrecht und absolvierte die Berliner Journalisten-Schule. Seit 1993 ist er als Publizist vorwiegend für historische Themen tätig. Derzeit arbeitet er als leitender Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte bei der WELT.
Sven Felix Kellerhoff
Berlin unterm Hakenkreuz
Edition Q, erschienen März 2006
80 Seiten, 60 Abbildungen, kartoniert
ISBN 3814801474
Euro 9,9090008115&artiId=5203558"