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Beitrag vom 13.02.2006
Hannah Arendt - Leidenschaften, Menschen und Bücher
Sabine Grunwald
Ausgehend vom "Denktagebuch" (1950 - 1975) erschließt Prof. Barbara Hahn die Gedankenwelt einer großen Philosophin.
In ihrem "Denktagebuch", das sie von 1950 bis 1975 führte, setzte sich Hannah Arendt zeit- und raumübergreifend mit Themen der Politik wie gescheiterte Revolutionen, totalitäre Staaten etc. auseinander, was ihre Texte heute noch aktuell und diskussionswürdig macht. Auch Freundschaften mit Kurt Blumenfeld, Hermann Broch und Karl Jaspers, theoretisches Schreiben und die Liebe sind Bestandteile ihrer Aufzeichnungen.
Die 2002 erstmalig erschienenen Aufzeichnungen ermöglichten einen gänzlich neuen Zugang zu ihren Texten. Sie zeigen auf, wie eng verbunden ihre Publikationen, Briefe und Aufzeichnungen miteinander waren.
Das große schöpferische Talent der Philosophin, Soziologin und Politologin basierte auf dem Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Möglichkeiten, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Im "Denktagebuch" versammelt sind Gedichte, Zitate und Passagen aus politischen Aufsätzen oder Gedanken, die sie brieflich an FreundInnen mitteilte.
Gestützt auf abendländische Denktraditionen wird hier die griechische Philosophie von ihr ebenso eingebunden wie die hebräische Bibel in der Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig. Mit ihrem Blick auf den hebräischen Text untermauert Hannah Arendt den Gedanken der Pluralität.
"Die Eins ist kein Anfang, sie ist immer schon gegeben, insofern eine Zwei existiert. Erst die Zwei macht die Eins zur Eins. Erst Ischah, das Weib, macht den Mann zum Mann."
Neben der Lektüre des Jüdischen Schöpfungsmythos war Brechts 1930 verfasster und 31 umgeschriebener Text "Der Jasager Der Neinsager" von Bedeutung. "Um Zeugen, auch Freunde zu haben, darum zitiert man". Brecht ist ein solcher Zeuge, der in mehreren ihrer Werke genannt wird.
Ihre Aufzeichnungen für das Denktagebuch begannen nach dem Abschluss ihrer Studie über totale Herrschaft. Sie enden am 25. November 1970. Am 31. Oktober starb ihr Lebensgefährte Heinrich Blücher, mit dem sie seit 1936 zusammen lebte. "Auch das dialogische Ich des Denktagebuchs war auf ein Du verwiesen. Auf ein Gespräch, nicht nur mit der inneren Stimme, sondern mit der Stimme eines anderen Menschen. Nach dessen Verstimmen verstummt auch das Ich".
Hannah Arendt, Philosophin, Soziologin und Politologin geboren am 14.10. 1906 in Hannover, Schülerin von Karl Jaspers, emigrierte 1933 nach Frankreich, 1940 in die USA. Sie lehrte seit 1967 an der New School of Social Research, New York. Hauptwerke: "The Origins of Totalitarianism" 1951, dt. "Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft" 1955, "Eichmann in Jerusalem" 1963, "Macht und Gewalt" 1970. Sie starb am 4.12.1975 in New York.
Zur Autorin:
Barbara Hahn, in Württemberg geboren, ist Professorin für Germanistik an der Vanderbilt University. Sie veröffentlichte u.a. "Antworten Sie Mir! Rahel Levin Varnhagens Briefwechsel" und "Unter falschem Namen. Von der schwierigen Autorenschaft der Frauen" Zuletzt erschien von ihr im Berlin Verlag "Die Jüdin Pallas Athene. Auch eine Theorie der Moderne".
AVIVA-TIPP: Eine kluge und lebendige Auseinandersetzung mit einer wichtigen Denkerin des 20. Jahrhunderts. Für philosophisch interessierte Leserinnen ein guter Einstieg, um sich mit den Werken von Hannah Arendt auseinander zu setzen.
Hannah Arendt - Leidenschaften, Menschen und Bücher
Barbara Hahn
Berlin Verlag, erschienen September 2005
143 Seiten, gebunden, mit Anmerkungen und einer Bibliographie
ISBN 3-8270-0561-2
18 Euro 90008115&artiId=3583757