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Beitrag vom 20.04.2003
Der letzte Berliner von Yoram Kaniuk
Natasa Konopitzky
Kaniuk, einer der bedeutendsten israelischen Schriftsteller, reist nach Deutschland und schildert seine sehr persönlichen Eindrücke vom Land der Täter ...
"Schau dir nur diesen typischen Deutschen an, das ist auch einer von denen, guck dir doch die Haare an. Und er trägt die Uhr an der rechten Hand. Warum rechts und nicht links? Und seine Ohren, wie dicht sie am Kopf anliegen. Und die zusammengezogenen Brauen. Die Pfeife. Und der unstete Blick. Garantiert ein Nazi. Ein Monster." So das Urteil einer israelischen Touristin über Yoram Kaniuk, der ihr unbekannterweise in einem Zugabteil in Deutschland gegenübersitzt.
Eigentlich wollte er gar nicht nach Deutschland. Er, der aus Prinzip nie ein deutsches Fieberthermometer benutzt oder ein deutsches Auto gefahren hat.
Auf die wiederholte Einladung des Bundespräsidenten hin, macht er sich dann doch zögerlich in die ehemalige Heimat seines Vaters auf. Nachfahre der Opfer trifft auf Nachfahren der Täter. Hass trifft auf Schuldgefühle. "Ich war froh, dass wenigstens meine Familie in Ordnung war... Ich habe nachgeforscht und keinen Makel entdeckt. Wir wussten einfach von nichts".
Das, so Kaniuk, sei der übliche Blödsinn, den er sich auf seinen Reisen durch Deutschland anhören muss.
Yoram Kaniuk ist gekommen, um abzurechnen. Mit der Selbstgefälligkeit von jemandem, der immer Recht hat, schildert er einzelne Begegnungen mit Deutschen. Kaniuk ist nicht auf der Suche nach Sympathien. Er ist unbequem, provokativ, meist respektlos. Die Provokationen dienen einerseits als Ventil seines Hasses und sind andererseits der Versuch einer deutsch-jüdischen Auseinandersetzung. Die Reaktionen zeigen ein Land, dass mit seiner Vergangenheit nicht umgehen kann. Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.
Immer wieder führt er den aufgesetzten Versuch vieler Deutscher vor, politisch korrekt zu sein. Aufbrausend verlässt er bei einem Besuch die Oper mit den Worten: "Wenn Ihr gelernt habt, öffentlich über einen Juden zu lachen, komme ich wieder". Er fordert Normalität von den Deutschen ein, wäre aber gleichzeitig enttäuscht, wenn er diese vorfinden würde, denn wo könnte dann sein Hass hin?
Yoram Kaniuk raubt mit seinem Buch jegliche Illusion einer jüdisch-deutschen Normalität und frau ist ihm dankbar dafür.
Yoram Kaniuk
Der letzte Berliner
ISBN/EAN : 3-471-79454-9
List Verlag, München, 2002
18,00 €200708109075"