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Beitrag vom 02.12.2005
Das unglaubliche Leben der Dora B. Erzählt von Josiane Behmoiras
Sabine Grunwald
Eine Tochter erinnert sich schmerzhaft an ihr Nomadenleben mit einer Frau, die unbeirrbar ihren Weg gegangen ist. Der nicht glücklich endete aber selbstbestimmt war
Doras Familie verließ 1925 Erdine in der Türkei und flüchtetenvor einem drohenden Krieg und den neuen Gesetzen Atatürks nach Paris. Die Großmutter verfluchte die Familie und es scheint, dass dieser Fluch sich bei den Nachkommen bewahrheitet.
Josiane zieht mit ihrer Mutter Dora von Ort zu Ort. Das letzte dauerhafte Zuhause bei Dr. Godot verlassen sie, als Josianne sechs Jahre alt ist. Die Mutter hat bei ihren wechselnden Stellungen kein Glück. Auf der Suche nach einer Unterkunft ziehen die beiden von Stadt zu Stadt. Der Weg führt sie 1959 in den Süden nach Montpellier. Josianne und ihre fünfundvierzig Jahre alte Mutter besitzen einen Koffer. Eines Tages landen die beiden auf der Polizeiwache und werden wegen Landstreicherei festgenommen. Sie besitzen keinen einzigen neuen Franc, wie es das Gesetz verlangt.
Als sie erneut auf dem Polizeipräsidium landen und die jüdische Abstammung von Dora festgestellt wird, werden Mutter und Tochter nach Israel abgeschoben.
Die Einreise in das gelobte Land endet in einer asbestverseuchten Hüttensiedlung am Rande von Jessie Cohen, benannt nach einem amerikanischen Stifter, bekannt als die Ma´abara.
Ihre NachbarInnen stammen aus allen Orten der Welt und machen den Neuankömmlingen das Leben schwer. Josiane und Dora werden gedemütigt, verhöhnt und bestohlen. Das Auffanglager ist ein Ort, wo Schlägereien für Unterhaltung sorgen und die Polizei immer zu spät eintrifft. Josianne lernt schnell Hebräisch, doch untereinander sprechen die Kinder aus Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten nach wie vor französisch und werden von den einheimischen Kindern mit Stöcken und Schimpfwörtern traktiert.
Die Mutter, die unter Verfolgungswahn leidet, und davon überzeugt ist, dass ihre Feinde Mikrofone in den Wänden angebracht haben, versteht die neue Sprache nach wie vor kaum.
Vom Pech verfolgt, versucht sie mit wechselnden Arbeiten das tägliche Brot für ihre Tochter und sich zu verdienen. Um die Haushaltskasse aufzubessern, arbeitet die 14jährige neben der Schule und am Wochenende in einem Lokal Später verdient sich die Tochter ihr Geld in einer Diamantschleiferei und verkauft nebenher selbst gemalte Bilder.
Nach vierzehn Jahren in der Ma´abara bekommen Mutter und Tochter eine Wohnung in Holon zugewiesen. Dora ist mittlerweile zweiundsechzig Jahre alt und erhält eine kleine Rente. Die Trennung steht bevor, als Josiane heiratet. Bald beginnt sie mit einem Filmstudium und macht Reportagen für das israelische Fernsehen. Nach fünf Ehejahren verlässt sie ihren Mann und fährt in den Fernen Osten. Mit dem Mann, den sie dort kennenlernt, geht sie nach Australien.
Als die Mutter zu erblinden droht, macht sich Josiana mit ihrem Baby auf und fliegt nach Israel. Nach der gelungenen Operation lebt die einsame Dora noch bis 1995 in ihrer Sozialwohnung und beginnt dann ein Leben auf der Straße. Der regelmäßige Kontakt zwischen Mutter und Tochter besteht in Telefonaten. 2001 wird Dora gegen ihren Willen in einem Heim untergebracht, wo sie bald darauf stirbt.
AVIVA-TIPP:
Präzise, sachlich und doch poetisch erzählt Josiane ihres und Doras Geschichte. Kleinigkeiten werden zu wertvollen Erinnerungen, nicht nur das Schlechte kommt zur Sprache, sondern auch die Liebe einer Mutter zu ihrer Tochter, die ihr wenig an materieller Sicherheit geben konnte, aber alles gab was sie vermochte.
Zur Autorin:
Josiane Behmoiras wurde 1953 in Paris geboren und emigrierte 1961 nach Israel. Sie arbeitete als Dokumentarfilmerin beim israelischen Fernsehen. 1985 wanderte sie nach Australien aus. "Das unglaubliche Leben der Dora B." ist ihr erstes Buch.
Josiane Behmoiras
Das unglaubliche Leben der Dora B.
Originaltitel: DoraB., A Memoir of my Mother.
Ãœbersetzt von Michael Windgassen.
Berlin Verlag, September 2005
ISBN: 3827006058
22,00 Euro90008115&artiId=3584300"