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Beitrag vom 03.06.2005
Mode und Moderne
Danielle Daum
Mode ist Dauerthema. Modische Neuerungen waren und sind Ausdruck gesellschaftlicher Umbr�che. Julia Bertschik beleuchtet den intimen Zusammenhang zwischen Mode und Moderne in der deutschen Literatur
Der seit 200 Jahren moderne Anzug ist ein Beispiel f�r die Auswirkungen b�rgerlicher Gleichheitsideen der franz�sischen Revolution. 1789 vollzog sich in Paris ein Epochen- und Kleiderwechsel: Vom luxuri�s gekleideten Adeligen hin zur einfachen langen Hose der bretonischen Fischer.
Auch der Wunsch der Frauen nach Hosen spiegelte gesellschaftliche Ver�nderungen wider. Als sie sich nach 1900 an der m�nnlichen Mode zu orientieren begannen und versuchten, die Frauen-Hose in Reformvereinen durchzusetzen, markierte das den Beginn eines Rollenwechsels. Doch erst als Frauen Fabriken und B�ros bezogen und einen Platz in der modernen Industriegesellschaft einnahmen, setzte sich die Frauen-Hose wirklich durch.
Und der Hut? Der Zylinder f�r den B�rger, die Kappe f�r den Arbeiter. Galt er einst als Zeichen des Standes und damit als Ausdruck einer st�ndischen Gesellschaft, ist er heute zur seltenen Erscheinung auf den K�pfen einzelner Individualisten geworden.
Selbst der K�rper unterliegt der Mode. Als in der Industriegesellschaft die Frauen erwerbst�tig wurden, mu�te die steife Korsettfigur den neuen Forderungen nach Flexibilit�t weichen. Das Ideal schlanker, sportlicher K�rper setzte sich durch.
Kaum ein anderes Ph�nomen ist, �ber den gemeinsamen Ursprung der W�rter hinaus, auch wesenhaft so sehr mit dem Begriff der Moderne verbunden wie die Kleidermode. Bereits seit dem 18. Jahrhundert haben SchriftstellerInnen und PhilosophInnen versucht, das Wesen der Moderne �ber Kategorien der Kleidermode wie Wechselhaftigkeit, K�nstlichkeit, Massenhaftigkeit zu erfassen. Am Beispiel der Modediskurse in der deutschsprachigen Literatur geht Julia Bertschik diesem Zusammenhang nach. Neben der fiktionalen Literatur werden auch modetheoretische und -journalistische Texte in den Blick genommen. Reflexionen internationaler K�nstlerInnen, AutorInnen und JournalistInnen �ber die modische Inszenierung des K�rpers werden dabei auf ihre Darstellung der Geschlechter ebenso �berpr�ft wie auf ihre �sthetische Stellung innerhalb des k�nstlerischen Gesamtwerks oder des zeitspezifischen Kanons.
Die Autorin zeigt, da� Kleidungswandel als Indiz f�r sozialen, geschlechtsspezifischen wie �sthetischen Wandel betrachtet werden kann. In besonderem Ma�e gilt dies f�r die Epochenumbr�che um 1800 und 1900, f�r die Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reichs, da auch die Ver�nderungen in der Kleidermode hier ihre radikalsten Momente erlebten. Zugleich zeichnet der Band die Entwicklung einer literarischen Bildsprache nach, die in Auseinandersetzung mit den bildlichen Medien der jeweiligen Zeit den visuellen Charakter von Kleidung sprachlich-poetisch auszudr�cken sucht.
AVIVA-Tipp: Kleider machen Leute! Kleidung vermittelt einen Eindruck der Kultur, Schicht, Pers�nlichkeit oder gar Religion eines Menschen. Julia Bertschik besch�ftigt sich in diesem Buch mit der historischen, soziologischen und k�nstlerischen Bedeutung von Kleidung. In k�rzester Zeit liest man sich durch die Jahrhunderte und erh�lt einen recht guten �berblick �ber gesellschaftliche Str�mungen und dem damit einher gehenden Wandel der Mode.
Zum Autorin:
Julia Bertschik ist Privatdozentin am Institut f�r Deutsche und Niederl�ndische Philologie der Freien Universit�t Berlin.
Julia Bertschik
Mode und Moderne. Kleidung als Spiegel des Zeitgeistes in der deutschsprachigen Literatur (1770-1945)
B�hlau-Verlag, M�rz 2005
415 Seiten, Hardcover
ISBN/EAN: 3412114057
69,90 Euro