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Beitrag vom 22.02.2005
Edith Stein
Karin Effing
Christian Feldmann gibt in der bewährten Reihe rororo monographie einen kenntnisreichen Einblick in das Leben der jüdischen Philosophin, die neun Jahre vor ihrem Tod in Auschwitz ins Kloster eintrat.
"Jüdisches Opfer oder christliche Märtyrerin?" benennt Feldmann das erste Kapitel dieses interessanten Buches und bringt damit die verschiedenen Reaktionen auf Edith Steins Heiligsprechung durch Papst Johannes Paul II. am 11. Oktober 1998 ins Spiel. Stellt die Heiligsprechung nur eine Ablenkung der Kirche von ihrem Versagen während der Shoah aus schlechtem Gewissen dar? Immerhin schrieb Edith Stein 1933 einen Brief an Papst Pius XI., mit der Bitte, eine Enzyklika gegen die Judenverfolgung herauszugeben, auf den sie jedoch keine Antwort erhielt.
"Ich vermute, dass es Leute gibt, die meinen, wir sollten dankbar sein.", wird der Rabbiner David Rosen zitiert. Manche christliche Stimmen sehen in ihr eine Symbolfigur christlich-jüdischer Annäherung.
Dahinter aber steht ein Mensch.
Feldmann dokumentiert hier das Leben dieser arbeitsamen und brillanten Philosophin und religiösen Frau, die neun Jahre vor ihrer Ermordung in Auschwitz in den Orden der Karmeliterinnen eintrat.
Edith Stein wurde 1891 als elftes Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Breslau geboren. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte, Philosophie und Psychologie in Breslau, studierte sie ab 1913 in Göttingen bei Husserl Philosophie.
In der husserlschen Phänomenologie fand sie ihre Welt und Denkweise.
Hier konnte sie sich einer der Fragen widmen, die sie beschäftigten: die Frage nach dem Menschen. Sie wurde seine Assistentin und bemühte sich mit mehreren Habilitationsschriften um eine Professur, die sie jedoch nicht erhielt. Feldmann geht auf ihr philosophisches Werk ein und macht es verständlich. Neben der Philosophie engagierte sie sich für das Frauenwahlrecht und die Frauenemanzipation mit Vorträgen. Sie wurde als brillante Rednerin geschildert. Sie übersetzte Thomas von Aquin aus dem Lateinischen. Und verfasste insgesamt ein umfangreiches Werk.
Doch die fehlenden Aussichten auf eine Professur zermürbten sie. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, aber auch um den Menschen zu dienen, arbeitete sie als Lehrerin und später als Rotkreuzhelferin in einem Seuchenlazarett.
1922 setzte sie ihren lang gehegten und gereiften Wunsch um und konvertierte zum christlich-katholischen Glauben. Anscheinend war sie tief beeindruckt durch ein Buch der Mystikerin Teresa von Ávila. Sie verleugnete ihr Judentum jedoch nie und versuchte zu zeigen, dass sich beide Religionen ähnlich sind.
Sie sah die Konvertierung als Bereicherung und Vertiefung ihrer jüdischen Wurzeln. Die Treue zu ihrem Volk stellte sie keinen Augenblick in Frage. 1933 trat sie in das Karmel Köln-Lindenthal ein und lebte ab nun unter dem Ordensnamen "Teresia Benedicta a Cruce". Hier hatte sie ihren Ort und ihre Lebensweise gefunden. Ihr Ordensname wurde zu ihrer Berufung: am Ölberg bei Jesus ausharren und solidarisch mit dem gejagten und abgeschlachteten Volk sein. Vor den Nazis flüchtete sie in das Karmel Echt in den Niederlanden und versuchte von dort die Emigration in ein Schweizer Kloster, die Formalitäten zogen sich jedoch hin. Edith Stein wurde mit ihrer Schwester Rosa, die auch konvertiert war, 1942 in das Sammellager Westebork gebracht und am 9. August im selben Jahr in Auschwitz vergast.
AVIVA-Tipp: Christian Feldmann beschreibt das Leben Edith Steins einfühlsam und kenntnisreich. Er hat die Begabung, sein großes Wissen einfach, verständlich und übersichtlich darzustellen. Das Ganze im bewährten Stil der rororo monographien. So sind zu den verschiedenen Themen kurze und hilfreiche Erklärungen eingefügt.
Im Verlag Herder erscheinen seit dem Jahr 2000 ihre Werke in einer Gesamtausgabe, die auf 24 Bände angelegt ist.
Zum Autor:
Christian Feldmann, 1950 geboren, studierte Theologie und Soziologie in Regensburg. Anschließend arbeitete er als freier Journalist, Korrespondent und Mitarbeiter beim Rundfunk. Seit 1985 freier Schriftsteller.
Zahlreiche Biographien, u. a. über Hildegard von Bingen, Friedrich Spee, Dietrich Bonhoeffer, Elie Wiesel. Seine 1987 bei Herder erschienene Edith-Stein-Biographie "Liebe, die das Leben kostet, Edith Stein, Jüdin, Philosophin, Ordensfrau" erreichte acht Auflagen und wurde ins Französische, Spanische, Portugiesische und Polnische übersetzt. Im Januar diesen Jahres erschien die Biographie Alfred Delps.
Christian Feldmann
Edith Stein
Rororo monographie
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Januar 2004
ISBN 3-499-50611-4
8,50 Euro
158 Seiten, broschiert mit s/w Abbildungen200931912375"