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Beitrag vom 11.07.2005
Sansibar, einfach
Danielle Daum
Die Rückbesinnung auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ist das Thema von Eyal Megeds neuem Roman, dessen starkes Potential in der Verkehrung des altbewährten Lolita-Plots liegt.
Der Lehrer Dror Dagan lebt mit seiner Frau Smadar und seinem kleinen Sohn Ofer in Jerusalem. Eigentlich ist er Dichter, doch seit Jahren schon hat er keine Zeile mehr geschrieben und für seine Frau besteht sein einziges Talent in der Fähigkeit, die Realität seinen Bedürfnissen anzupassen. Endlich gelingt es ihm, sich aus dieser lieblosen Ehe zu befreien, doch anstatt seine wiedergefundene Freiheit in vollen Zügen zu genießen, empfindet er nur Gleichgültigkeit und Verzweiflung.
Am Gymnasium versucht er Tag für Tag, wenigstens seine Schüler für Camus und Flaubert zu begeistern, doch die haben anderes im Sinn, besonders die hübsche Omer.
Nach langem Für und Wider stürzt er sich schließlich in ein romantisches Abenteuer mit seiner 17-jährigen Schülerin und läßt sich von ihr zu einer Reise auf die exotische Insel Sansibar überreden.
Natürlich geraten fern von der vertrauten Welt die Vorstellungen des fast 30 Jahre älteren Mannes mit denen seiner jungen Geliebten in Konflikt. Bald wird ihm sogar die Insel selbst unerträglich und ihm wird klar, daß er nicht verliebt ist, denn wenn man verliebt ist, kann man alles ertragen. Omer hingegen findet auf Sansibar zurück zum Leben. Von einem verschlossenen und fatalistischen Mädchen, das nur an das Schlimmste glaubt, ist sie zu einer Frau geworden, die sich an dem freut, was ihr zuteil wird. Und als Dror sie mehr aus Verantwortungsgefühl als aus Liebe anfleht, mit ihm nach Israel zurückzukehren, trennen sich schließlich ihre Wege.
Doch kaum verlässt man die Welt für zwei Monate, steht sie auf dem Kopf. Zurück in Jerusalem muss Dror feststellen, daß seine Ex-Frau blendend ohne ihn zurechtkommt und ihn nicht um alles in der Welt zurück haben will. Und als er endlich den Mut fasst und sich mit Omers gar nicht unattraktiver Mutter Nili in Verbindung setzt, um diese über den Verbleib ihrer Tochter aufzuklären, macht sie ihm statt Vorwürfe sexuelle Avancen. Und so verkehrt sich auf überraschende und grausame Weise die klassische Lolita-Story.
AVIVA-Tipp: Eyal Megeds Sprache ist klar und lebendig, sein Stil eigenwillig - zynisch und humorvoll zugleich. "Sansibar einfach" ist wie ein Reisebericht. Es geht von Israel nach Afrika, aus Gründen und auf Wegen, die genauso verworren sind, wie der Zugang zu unseren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen.
Zum Autor: Eyal Meged wurde in New York geboren und wuchs in Tel Aviv auf. Er schreibt Romane und Gedichte sowie Kolumnen für die großen israelischen Tageszeitungen. Außerdem war er Redakteur der wöchentlichen Radiosendung Voice of Israel. 1993 wurde er mit dem Macmillan Prize ausgezeichnet.
Eyal Meged
Sansibar, einfach
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
Bloomsbury Berlin, März 2005
Die Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel Chesed ne´orajch bei Yedioth Aharonot Publishing House, Chemed Books, Tel Aviv
400 Seiten, Hardcover m. Umschlag
ISBN/EAN: 3827004519
22,- Euro200748177275