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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 22.12.2003


Jhumpa Lahiri: Der Namensvetter
Meike Bölts

Samosas oder Roastbeef? Wenn die Entscheidung zwischen zwei Kulturen so leicht wäre, bräuchten wir keine Romane wie den jetzt im Blessing Verlag erschienenen von Jhumpa Lahiri.




Als Ashoke und Ashima Ganguli ihrem erstgeborenen Sohn 1968 in den USA den Namen Gogol geben, haben sie 1. sehr traditionelle und emotionale Gründe dafür, werden jedoch auch 2. zur Namensgebung gedrängt, weil ein Kind ohne Namen das Krankenhaus nicht verlassen kann und ahnen 3. nicht, wie sehr sie das Leben des Jungen durch diesen Namen prägen.

Doch beginnen wir am Anfang: Die 19-jährige Ashima Bhaduri wird ihrem zukünftigen Mann Ashoke im Haus ihrer Eltern in Kalkutta vorgestellt. Sie weiß, dass sie mit ihm in die USA gehen wird, wo er in Boston seinen Doktor macht. Ashima wurde gefragt, "ob sie bereit sei, ein Flugzeug zu besteigen, und ob sie sich zutraue, allein an einem Ort mit strengen, schneereichen Wintern zu leben." Zwei Wochen später heiraten die beiden und verlassen Kalkutta für ein Leben in den USA.

Nun kann Jhumpa Lahiri ihre fabelhafte Beobachtungsgabe ausspielen: Als in London geborene Amerikanerin bengalischer Eltern weiß die 1967 geborene Autorin, wovon sie spricht, wenn sie "Fremdheit" sagt.

Denn ebendiese ist ihr Thema, wenn sie so lapidare Dinge wie "Einkaufen" oder "Essen kochen" schildert, wenn sie verworrene bengalische Verwandtschaftsbeziehungen und die damit verbundenen Namensgebungen erklärt oder wenn sie die tiefe Trauer eines Sohnes beschreibt, der sich nach dem Tod seines Vaters allein in einem ihm fremden Land fühlt.

Gogol hängt zwischen den Kulturen und kann dadurch all das Gute beider Welten erleben - muss dafür aber eine große Zerrissenheit ertragen, bis am Ende die Hoffnung einer Identität aufscheint.

Lahiri hat mit Der Namensvetter einen wunderschönen Roman über eine ganz normale Familie mit doch so existentiellen Fragen geschrieben.



Jhumpa Lahiri
Der Namensvetter

Blessing, 2003
ISBN: 3-89667-111-1
Preis: 20 EUR200861714775" .


Literatur

Beitrag vom 22.12.2003

AVIVA-Redaktion