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Beitrag vom 29.03.2004
Leora Tanenbaum - Catfight
Tatjana Zilg
Gehen Frauen mit Konkurrenz subtiler um als Männer? Das Buch untersucht weibliche Rivalität in Arbeitswelt, auf Partnersuche und unter Müttern. Ein pessimistischer Blickwinkel mit positivem Ausblick
Konkurrenzverhalten unter Frauen - ein heikles Thema.
Die Autorin Leora Tanenbaum sieht Frauen unter einem enormen Druck, der dazu führt, dass sie sich ständig mit ihren Geschlechtsgenossinnen vergleichen. Ist die andere erfolgreicher, attraktiver, besser angezogen, weiter in ihrer Karriere, so schlage die Neidfalle zu, was zu subtilen Machtkämpfen und Herabsetzungen führe. Die Konsequenz ist, dass Männer in ihrer dominanten Position weiter gestärkt werden.
Der Druck wird nach Ansicht Tanenbaums durch die widersprüchlichen gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbilder, die an die heutige Frau gestellt werden, erzeugt. So sollen Frauen zum einem hohe Qualifikationen erwerben und erfolgreich im Beruf sein, zum anderem sollen sie rechtzeitig einen Lebenspartner finden und Kinder bekommen. Auch das Schönheitsideal sei wieder gestiegen: Wurde die Betonung von Körperlichkeit in der ersten Phase der Frauenbewegung noch abgelehnt, so trägt die erfolgreiche Frau der 90er wieder enge körperbetonende, modische Kleidung.
Frauen werden mit äusserst widersprüchlichen Vorurteilen konfrontiert: Weiblichkeit wird oft mit wenig Entscheidungsfreudigkeit gleichgesetzt, man traut Frauen keine Führungsqualitäten zu. - Wenn sie jedoch in Führungspositionen aufgestiegen sind, wird ihnen vorgeworfen, sie seien aggressiv und maskulin.
Anhand von meist Einzelbeispielen will Tanenbaum darlegen, dass Frauen durch den massiven Druck, der auf ihnen lastet, ständig glauben, ihren Wert beweisen und ihrer Umwelt demonstrieren zu müssen, dass sie ihre Position auch verdient haben. Durch die ständige kritische Beobachtung durch ihr männliches Umfeld sind sie überkritisch mit sich selbst und geraten in einem Profilierungszwang gegenüber anderen Frauen, der gegenseitigen Respekt, Anerkennung und Wertschätzung sowie kooperative Teamarbeit verhindert. Dies wird nach Tanenbaum durch die gesellschaftliche Vorrangstellung der Männer verstärkt: Männern wird mehr Kompetenz und Handlungsfähigkeit in der Politik zugetraut, der Grossteil der ArbeitnehmerInnen bevorzugt einen Mann als Chef. Hier fragt sich, ob Tanenbaums Thesen teils nicht sehr amerikaspezifisch sind. In Deutschland bekommen bei der großen Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen politischen Situation Frauen in politischen Ämtern doch verstärkt positive Aufmerksamkeit.
Die Identfikation mit den dominanten Werten wird als "Bienenkönigin"-Phänomen bezeichnet. Hierzu verweist Tanenbaum auf eine Studie vom Januar 1974 (!) der Zeitschrift "Psychology Today" über Frauen, die "in einem männlich geprägten Bereich" erfolgreich sind.
Sie bezeichnet dies als bahnbrechende Studie, die noch heute gilt. Dieser lange Zeitraum mutet doch eher unglaubwürdig an. Die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass die befragten Frauen wenig kritisch gegenüber dem für Frauen schwer zu durchbrechendem Hierarchiesystem sind und sich im hohen Maße mit ihren männlichen Kollegen identifizieren. Die Distanzierung vom Emanzipationsgedanken, indem die Frau in einer Führungsposition sich selbst als Ausnahme, als einzigartig definiert, wird mit dem Sonderstatus eine Bienenkönigin verglichen.
Neben den vielen Einzelfallbeispielen sowie einigen populärwissenschaftlichen Untersuchungen analysiert Tanenbaum auch literarische Texte.
Die Faszination vieler Kulturen am Märchen über Aschenputtel, die von ihrer bösen Stiefmutter und deren Töchter aus Angst vor ihrer Schönheit und purer Rachsucht kleingehalten wird, zeigt, dass Konkurrenz und Rivalität ein Thema ist, das Frauen mythisch bewegt.
Tanenbaum beschreibt, dass Frauen weiterhin stark von der Suche nach dem richtigen Partner geprägt seien, der sie um Männer mit den Waffen der Schönheitsindustrie konkurrieren lässt. Schönheitsideale sind tief verinnerlicht, wozu sie u. a. den Erfolg der "Bridget Jones"- Romane von Helen Fielding heranzieht. Sehr bedenklich sind die Ausführungen zur Partnersuche schwarzer Frauen. Offensichtlich geht Tanenbaum davon aus, dass eine schwarze Frau immer einen schwarzen Mann sucht, denn sie sieht das spezifische Problem darin, dass es weitaus weniger attraktive schwarze Männer gibt als schwarze Frauen. Die Unterscheidung zwischen "schwarzen" und "weißen Amerika" mutet rassistisch an.
In einem abschließendem Epilog gibt Tanenbaum konkrete Handlungsvorschläge zur Milderung der destruktiven Konkurrenz, der aber zum Verhältnis der ausführlichen Fallbeispiele sehr kurz ausfällt und lediglich einige Gedanken der Emanzipationsbewegung aufgreift.
Leora Tanenbaum ist in den USA als Sachbuch-Autorin und Journalistin sehr bekannt. Ihr erstes provokativ betiteltes Buch "Slut! Growing Up Female with a Bad Reputation" untersuchte, wieso und mit welchen Folgen bestimmte Mädchen an der Schule oder der Universität als "Schlampen" gebrandmarkt werden. Sie lebt in New York und schreibt für Zeitschriften wie Ms., Seventeen und The Nation.
AVIVA-Tipp: Die Aktualität des Buches erscheint fragwürdig. Der Erfolg von "Sex & The City", "Ally Mac Beal", "Bridget Jones", die Tanenbaum als Beleg dafür benennt, dass Konkurrenz unter Frauen gesellschaftlich propagiert wird, zeigt auch, dass das Bewusstsein über das Phänomen sehr gestiegen ist, und die Bereitschaft, sich damit auch auf ironische Art auseinander zusetzen, groß. Zu kurz kommt auch die Darstellung der Gegenseite: Das männliche Konkurrenzverhalten. Tanenbaum meint, meist ohne konkrete Fallbeispiele, dass Männer mit Konkurrenz offener und ehrlicher als Frauen umgehen. Dem widerspricht die seit einigen Jahren aktuelle Diskussion um Mobbing am Arbeitsplatz, in der etliche Fälle von äussert hinterhältigem Macht- und Verdrängungskämpfen durch Männer bekannt wurden.
Catfight
Weibliches Konkurrenzverhalten - und wie Männer davon profitieren
Leora Tanenbaum
Ariston im Heinrich Hugendubel Verlag
März 2004
ISBN 3 7205 2511 2
Euro 19,95
224 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag200268288575"