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Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 02.03.2004


Hingabe
Jana Scheerer

Karin Rick erzählt mit viel Hingabe, aber ohne literarischen Höhenflug von erotischen Begegnungen mit Frauen und Männern – und Fliederbüschen.




Da hat es Claudia Gehrke vom Konkursbuchverlag mal wieder geschafft, mit einem Buch hin- und herzureißen: Ist Karin Ricks Erzählband „Hingabe“ jetzt einfach nur notgeil und blöd, oder doch hochgradig emanzipiert und einfach erotisch?

Hinter Titeln wie „Fliederbrüstchen“, „Brüsseler Spitzen“ und „Frühlingsrauschen“ verbergen sich Anekdoten, die eine Ich-Erzählerin aus ihrem Liebesleben zum Besten gibt. Die ist einem schönen Erlebnis niemals abgeneigt und stellt sich schon mal an einem lauen Frühlingsabend mit nackten Brüsten an einen Fliederbusch, denn da fühlt die Brust sich „wie in einem fernen Land, auf einer monsumwarmen Windhöhe.“ Hm.

So geht es weiter: Die Frau fummelt, flirtet und fickt wie es grad so kommt. Petting mit dem Berger, der grad „zur Hand“ ist, „eifrig und willig“, Telefonsex mit Hella, die eigentlich was von Christina will. Die Handlung dazwischen wirkt da fast schon deplaziert und allenfalls als Anlassgeber zu erneuten Beschreibungen von sexuellen Erlebnissen eingestreut.

Doch gibt dieser Band auch gar Nichts anderes vor zu sein. „Hingabe“ umreißt das thematische Feld der Handlung tatsächlich exakt, und der Untertitel „Erzählungen“ sollte hier einmal in seinem alltagssprachlichsten Sinn verstanden werden: Was Karin Rick bietet, sind tatsächlich „Erzählungen“ und keine Geschichten. Da gibt es keinen narrativen Spannungsbogen, keinen Anfang und kein Ende. Dafür gibt es jede Menge Sex.

Sich dieser geballten Erotik zu entziehen, ist nicht ganz einfach. Die Erzählerin überwältigt mit ihrem absolut freien und ungehemmten Zugang zur eigenen Lust und der Lust anderer. Sätze wie „Ich presse meine Vagina gegen ihre Finger und spritze ab“, schocken einerseits und begeistern andererseits.
Was letztlich das emanzipatorische Potential dieses Bandes ausmacht, ist das Zeigen einer weiblichen Sexualität, wie sie sonst eigentlich nur Männern zugestanden wird: Orientiert an der eigenen Befriedigung, oft frei von Liebe oder auch nur Zuneigung, hemmungslos und zweckgebunden.

Ob die Darstellung einer solchen Sexualität Spaß macht oder nervt, muss wohl Jede(r) selbst entscheiden. Fest steht jedoch: Eine ordentliche Portion Hingabe tut der Lektüre dieses Bandes besser als eine gekräuselte DenkerInnenstirn.

Der AVIVA-Berlin Tipp: Ein Buch nicht nur für den Kopf!



Hingabe
Karin Rick

Konkursbuchverlag, Oktober 2003
Hardcover, 155 Seiten
ISBN 3-88769-318-3
12,90 Euro200899129475"



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Beitrag vom 02.03.2004

AVIVA-Redaktion