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Beitrag vom 08.01.2009
Lesley Downer - Die letzte Konkubine
Tatjana Zilg
Die britische Journalistin und Japan-Expertin schrieb einen historischen Roman über ein Thema, für das sie hervorragende Vorkenntnisse mitbrachte und das sie durch sorgfältige Recherchen …
… vertiefte. Ihre selbstbewusste, innerlich starke Heldin findet im Japan des 19. Jahrhunderts entgegen den gesellschaftlichen Rollenerwartungen zu einem Lebensweg, der es ihr erlaubt, die eigenen Wünsche und Begierden zu spüren und zuzulassen.
In den Augen der fünfzehnjährigen Sachi ist es eine große Ehre: Sie erhält die Mitteilung, dass sie auserwählt wurde, die Konkubine des Shoguns zu werden. Schon seit einiger Zeit lebt sie im Frauenpalast des Shoguns, der mit dem Kaiser um die höchste Macht Japans konkurriert. Sachi, deren Name übersetzt Glück bedeutet, kam nicht auf die übliche Art zum Hofstaat in Edo (dem späteren Tokyo).
Eigentlich war für die Adoptivtochter des Oberhaupts eines kleinen Dorfes im Kiso-Tal ein solcher Aufstieg nicht vorgesehen. Da die Innere Bergstraße direkt an dem Dorf vorbeiführt, ist die Bewirtschaftung aller Durchreisenden Pflichtaufgabe für die Einwohnerschaft. Eines Tages zieht die imposante Prozession der Prinzessin Kazu durch die Häuserreihen. Die enge Verwandte des Kaisers soll den Shogun heiraten, um die Beziehungen zwischen den beiden Höfen zu verbessern. Obwohl es streng verboten ist, hebt Sachi ihren Kopf aus der tiefen Verbeugung, um die Prinzessin anzuschauen.
Kämpfen wie eine Samurai am Hofe des Shoguns
Die hochgestellte Adlige erkennt in dem elfjährigen Mädchen eine Seelenverwandte. Sachi hat im Unterschied zu den anderen Kindern des Dorfes eine sehr helle Haut, ausgesprochen feine Gesichtszüge und einen zierlichen Körperbau. So ist nicht zu übersehen, dass sie nicht in dem Dorf geboren wurde und ein Geheimnis ihre Herkunft umrankt. Die Prinzessin befiehlt, dass sie sich ihrer Prozession anschließt und zu einer ihrer Hofdamen ausgebildet wird. Mit hoher Disziplin lebt sich das sensible Mädchen im Frauenpalast ein, wo eine strenge Hierarchie herrscht und der Alltag von unzähligen höfischen Etiketten bestimmt wird. Obwohl sie eine enge Vertraute der Prinzessin ist, darf sie nie direkt das Wort an sie richten.
Da der Shogun der höchsten Samurai-Kaste angehört, werden alle Frauen seines Hofstaates zu Samurai ausgebildet. Unter anderem erlernen sie den Kampf an der Schwertlanze - ein deutlicher Unterschied zu der passiven Rolle von höhergestellten Frauen im europäischen Feudalsystem.
Die Autorin zeichnet das von den Machtgefügen unter den Frauen bestimmte Leben im Frauenpalast in seiner komplexen Sozialstruktur anschaulich nach. Zwar erhalten die Palastbewohnerinnen durch konventionelle Vorschriften ihre täglichen Pflichtaufgaben und sind in ihrer sozialen Position festgelegt. Durch strategisches Verhalten können sie aber bedeutsame Veränderungen bewirken und sind durch tiefe Freundschaft oder offen ausgetragene Konkurrenz auch ohne die formalen Dienstverhältnisse eng miteinander verbunden. Der übliche Weg in den Frauenpalast ist die Berufung aus einer Familie mit Adelslinie. Natürlich versuchen viele Familien, eine solche Berufung zu forcieren, da es ihre eigene gesellschaftliche Stellung deutlich verbessert. Aus diesen Frauen wählt der Shogun seine Konkubinen, die offiziell zu seinen Zweitfrauen benannt werden und aus deren Kindern der Erbe gewählt wird. Damit unterscheidet sich ihre Position deutlich von derjenigen einer Geisha. Einer Konkubine kommt hohes Ansehen zugute und sie folgt offiziell im Rang dicht der Ehefrau.
Revolution, Freundschaft und Liebe
Sachi, die nach anfänglichen Befürchtungen eine tiefe Zuneigung für den Shogun entwickelt, wird die Entscheidung, ob sie ihr Leben tatsächlich innerhalb dieses Gefüges verbringen möchte, abgenommen. Der Shogun wird kurz nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht vergiftet. Eine Revolution kündigt sich an. Die Truppen des Südens wollen die althergebrachten Macht- und Klassenverhältnisse aufbrechen und beginnen einen blutigen Krieg. Die Autorin nimmt die LeserInnen mit auf Sachis abenteuerreichen Weg, der sie weit fort aus dem Palast ins Tal der Kindertage und wieder zurück ins halbzerstörte Edo führt. Die junge Erwachsene begegnet dabei ihrer großen Liebe, dem Krieger-Samurai Shinzaemon, mit dem sie sich nach den alten gesellschaftlichen Regeln niemals hätte verbinden dürfen. Ihre Weggefährtinnen sind ihre gleichaltrige Hofdame Taki und die ältere Lehrerin Haru. Gemeinsam entschlüsseln sie das Geheimnis um Sachis Herkunft. Im Alter von zwanzig Jahren versteht sie die Ursachen der Revolution, die eine Welt, in der sie sich gerade erst eingefunden hatte, in Scherben zerlegte: Nur, wenn es jedem/r möglich ist, eigene Entscheidungen durch den freien Willen zu treffen, haben alle eine Chance auf Glück und Erfüllung.
AVIVA-Tipp: Die Autorin geht ihr Thema komplex an und bietet zahlreiche Leseanreize. Detailreich und bildhaft stellt sie die farbenprächtige und märchenhaft mysteriös anmutende Welt des historischen Japan dar. Es gelingt ihr eindringlich zu vermitteln, warum Sachi die an sie gestellten Erwartungen nicht als inneren Zwang erlebt. Innerhalb der Konvention gewähren sie ihr materielle Sicherheit, Freundschaft und eine hohe soziale Anerkennung. Zudem ist das junge Mädchen - und auch die Leserin - fasziniert von der glamourösen Innenwelt des Palastes und den facettenreichen Charakteren seiner Bewohnerinnen. Behutsam lässt die Autorin die Veränderungsprozesse, die in einem bisher abgeschotteten Land durch die Begegnung mit der westlichen Welt ausgelöst werden, erst ab Mitte des Romans zum Vorschein kommen. Mit einer hohen Empathie schildert sie, wie ihrer Heldin der Wert innerer Freiheit bewusst wird und sie das Klassensystem zunehmend aus einer kritischen Perspektive sieht.
Zur Autorin: Die britische Journalistin und Japan-Expertin Lesley Downer hat lange Zeit in Japan gelebt und sich sogar zur Geisha ausbilden lassen. Sie schreibt für britische Zeitungen und Fernsehsender. Zu ihren Buchveröffentlichungen zählen "Brüder Tsutsumi. Die Geschichte einer der reichsten Familien Japans" und "Geishas. Von der Kunst, einen Kimono zu binden". "Die letzte Konkubine" ist ihr erster Roman. Weitere Infos und Kontakt unter: www.lesleydowner.com
(Quelle: Verlagsinformationen)
Lesley Downer
Die letzte Konkubine
Bertelsmann, erschienen September 2008
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 512 Seiten
ISBN: 978-3-570-00986-4
Originaltitel: The Last Concubine
Originalverlag: Bantam Press (Transworld Publishers), London 2008
Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle